Kapitel 2

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Es war schon spät geworden und ich freute mich als es aus der Regie kam: „Cut. Drehschluss, schönen Feierabend wünsche ich euch." Ich war erleichtert, der Drehtag war anstrengend und den ganzen Tag zog es mich nur nach Hause. Ich freute mich, Sandrine wieder zu sehen. Vor allem freute ich mich riesig für Franzi, dass sie Besuch aus der Heimat hatte. Ich hatte auch ein wenig die Befürchtung, dass sie Heimweh bekommen könnte. Aber tief in meinem Herzen wusste ich, dass sie bei mir bleiben würde. „Shelly?" riss mich Madlin aus meinen Gedanken. Ich drehte mich zu ihr um. „Die Kommissarin Frau Drewer ist hier. Sie möchte dich sprechen." erklärte sie mir und ich spürte sofort, wie sich alles in mir zusammen zog. Sofort waren all die Bilder wieder da und die Angst, die ich um Franzi hatte. Dieser Horror in den Lauf einer Pistole zu sehen. Der völlige Kontrollverlust, den diese Frau mit ihrem Geschoss ausgelöst hatte. Ich hatte immer wieder mit bekommen, wie Franzi sich im Schlaf wälzte und zuckte. Manchmal schrie sie auf und auch mir ging es nicht anders. Immer wieder setzten sich die Bilder in meinem Unterbewusstsein durch. Ich war nicht gewillt, dem ganzen so viel Macht zu geben und tagsüber klappte das auch gut. Nur in der Nacht nahmen sich die Ängste manchmal mit Macht ihren Raum. „Okay, ja, ich ... was will sie denn?" fragte ich etwas aus der Bahn geworfen. „Ich weiß es nicht. Sie meinte, sie wolle nur kurz mit dir sprechen." Ich hatte keine Idee, was es noch zu besprechen gab. Ich machte mich auf den Weg in die Kantine, wo sie auf mich wartete. „Hallo," begrüßte ich sie und hielt ihr meine Hand zur Begrüßung hin. Sie erwiderte und erklärte mir, dass sie noch Fotos gefunden hatte, die sie mir geben wollte, weil sie sie bei mir am besten aufgehoben fand. „Wir hatten einiges zu tun, um das ganze Zeug bei Kelly fest zu stellen und zu untersuchen. Ich hätte sie wirklich gerne vor Gericht gebracht, aber sie ist tot. Damit dürfte sie die Höchststrafe bekommen haben." Ich hörte ihr fast betäubt zu und war mir nicht sicher, was ich sagen sollte. „Es tut mir leid, ich wollte sie nicht überrumpeln." stammelte sie plötzlich. „Oh nein, nein. Schon gut, ich war nur völlig unvorbereitet und ich versuche einfach zu vergessen, was geschehen ist." entgegnete ich ihr. „Ich hätte mich ankündigen sollen. Das wäre besser gewesen. Wenn sie möchten, vernichte ich einfach diese Bilder. Sie sind letztlich unbedeutend. Sie zeigen sie am Set oder auf der Straße. Ich vernichte sie einfach." erklärte sie verunsichert und schien sich selbst zu verurteilen, für ihr Auftauchen. Sie zog den braunen Umschlag, den sie mir hin geschoben hatte, wieder weg und schüttelte verhalten den Kopf. Ich hätte unter normalen Umständen mit Neugier wissen wollen, was auf den Fotos zu sehen war. Aber nach all dem, hatte ich genug schreckliche Bilder in mir und wollte nicht noch mehr furchtbare Dinge in meinem Leben. „Ja, bitte, vernichten sie sie einfach. Ich will das alles nicht mehr." Sie legte ihre Hand auf meinen Arm. „Wie geht es ihnen inzwischen?" fragte sie mich fürsorglich und machte den Anschein die Antwort zu kennen. „Es ist okay, ich lebe. Aber es hat Spuren hinterlassen und ich würde lügen, wenn ich das Gegenteil behaupten würde." Sie nickte verständnisvoll. Erneut hielt sie mir ihre Hand hin: „Andrea. Nennen sie mich Andrea und wenn ich irgendwas für sie tun kann, melden sie sich, okay?" Sagte sie eindringlich und legte mir ihre Visitenkarte hin. „Shelly," besiegelte ich die neue Ebene „danke für dein Angebot." Ein Moment des Schweigens legte sich über uns. Mir war in diesem Moment aufgefallen, dass sie an diesem Tag auch da war und den Schuss abgegeben hatte, der Kellys Ende bedeutet hatte. Ich fragte mich, wie es ihr damit erging. War es für sie normaler Berufsalltag oder eben doch auch eine Ausnahmesituation? „Nun, dann werde ich mal wieder gehen. Pass auf dich und Franzi auf und ruf an, wenn du Hilfe brauchst." sagte sie erneut. „Wie kommst du klar damit?" fragte ich sie aus meinen Gedanken heraus. „Womit?" fragte sie, mit einem Bein schon im Gehen. „Na ja, du warst dabei, wie geht es dir damit? Erlebst du so was öfter?" Sie blickte betreten zu Boden. Ich hatte wohl ein Tabuthema angesprochen. Ich konnte sehen, wie ihr Herz schneller pochte und sie versuchte, jegliche Emotion zu unterdrücken. Sie setzte sich schweigend wieder zu mir. „Nein, ich habe so was noch nie erlebt und ich hatte eine scheiß Angst. Ich bin auch nur ein Mensch. Ich habe einen Menschen erschossen. Ob nun gute oder schlecht. Der Schuss kam aus meiner Waffe und ich weiß, es war Notwehr, aber ich wünschte mir, es wäre nie soweit gekommen. Ich versuche mich daran zu halten, dass ich viele andere und vor allem dich und Franzi damit vermutlich vor schlimmerem bewahrt habe. Das hilft etwas." gestand sie. Ich erwischte mich selbst dabei, dass ich mir nie zuvor Gedanken darüber gemacht hatte, wie es Polizisten damit ging, wenn sie von ihrer Waffe Gebrauch machen musste. Nur Menschen, wie ich und jeder andere. Wieder legte sich Schweigen auf den Tisch. Schweigen, dass zu viel Raum bot, emotional zu werden. „Ich muss los." unterbrach Andrea ruckartig und sprang beinahe von ihrem Stuhl auf. „Ja, ich werde jetzt auch fahren. Danke, das du den Dreck verschwinden lässt und ich hoffe sehr, dass ich keinen Anlass haben werden, dich um Hilfe zu bitten." verabschiedete ich mich von ihr und wir gingen getrennte Wege.

Meet and love 2 (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt