Kapitel 22

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Ein neuer Tag war herein gebrochen. Ich öffnete meine Augen und blickte direkt in Franzis. Sie sah mich an und sagte kein Wort. Keine Mimik, keine Möglichkeit ein zu schätzen, wie es ihr ging. Ich wollte sie fragen, aber meine Stimme war gelähmt. Wir sahen uns nur an. Sie war sehr blass. Angst packte mich. Es fühlte sich entsetzlich an. Ich ließ meine Hand über ihr Wange gleiten, strich ihr die Haare aus dem Gesicht. Sie rührte sich nicht. Was war passiert mit uns? Was sollte ich tun? Was konnte ich noch tun? Ich versuchte mich ihr zu nähern und sie in meine Arme zu schließen. Sie machte sich los und setzte sich auf. Ich versuchte es noch einmal, aber sie stand wortlos auf und verschwand im Bad. Ich fragte mich erschrocken, ob ich den Schlüssel abgezogen hatte und erinnerte mich, zu meiner Erleichterung, dass auch dort kein Schlüssel mehr im Schloss hing. Ich hörte die Dusche und ich hoffte, dass wir unsere Worte wieder finden würden. Mein Bauch zog sich krampfhaft zusammen. Ich hatte ewig nichts gegessen und auch Franzi nicht. Ich wusste, ich würde nichts runter kriegen, aber ich ließ es auf einen Versuch ankommen.

Ich ging nach unten und stellte die Kaffeemaschine an. Ich raffte ein paar essbare Dinge aus dem Kühlschrank und drapierte sie auf dem Tisch. Ich versuchte um alles in der Welt Alltag her zu stellen und zeigte mir selbst einen Vogel, als ich mich scheinbar dabei beobachtete. Ich konnte meinen Versuch nicht halten und musste weinen. Ich stütze mich auf der Anrichte ab und ließ es einfach laufen. Plötzlich spürte ich Hände, die sich um meinen Bauch legten. Ein zarter Duft von frischem Duschgel schlängelte sich um meine Nase. Franzi, die sich an mich presste, fest und voller Sehnsucht. Es schmerzte wie ein erneuter Stich mit dem Messer. Wie konnte ich sie nur so sehr verletzten? Wie konnte ich sie in ihrer absoluten Bedingungslosigkeit so sehr fordern. Mich in Andreas Arme flüchten, weil sie nicht bereit war, mir zu geben, wonach ich verlangte. Ich verlangte ihre Seele, wie sollte sie bereit sein, diese zu zeigen. Ich war wie ein Bulldozer in sie ein gedrungen. Und doch stand sie jetzt hinter mir und küsste meinen Nacken. Ließ ihre Hände zwischen meine Beine gleiten. Voller Scharm drehte ich mich um, mutlos, ihr in ihrer Reinheit zu begegnen. Mit einer Hand drehte sie meinen Kopf zur Seite und küsste meinen Hals. Adrenalin schoss mir durch die Adern. „Franzi." stöhnte ich und unternahm einen hilflosen Versuch, sie zu hindern. Sie ließ sich nicht aufhalten. Sie sprach nicht, kein Laut verließ ihre Kehle. Ihre Hände schoben mein Shirt über den Kopf. In meiner Nacktheit fühlte ich mich wie auf dem Schafott, trotz der Leidenschaft und Erotik, die sich über mich stülpte. Sie zog mich aus, brachte alles in mir in Aufruhr. Innerhalb weniger Minuten hatte ich den Gipfel erreicht, den ich nicht aufhalten konnte, selbst wenn ich gewollte hatte. Ich zog sie an mich und küsste sie. Sie ließ sich ein. Es war ein Akt der Liebe, der sich über alles hinweg setzte, was der Verstand dagegen hielt. Als auch sie aus dem Reich der Explosion wieder zurück gekehrt war, blieb sie vor mir stehen und sah mich immer noch stumm an. Sie küsste mich, weinte, küsste mich wieder, krallte sich in meine Haare, bis sie sich abrupt löste und abwendete. Ich konnte nicht erklären, warum sie mit mir geschlafen hatte. Es war keine Versöhnung, als viel mehr eine Art Übersprungshandlung, resultierend aus der Angst vor Verlust. Ich suchte ihren Blick, denn sie jetzt abwenden wollte. „Franzi, ich liebe dich. Ich will dich nicht verlieren. Sag mir, was ich tun soll." Sie machte sich los und setzte sich an den Tisch. „Du hast mich zutiefst verletzt." sagte sie, kaum hörbar. Ich nickte: „Ich weiß, bitte verzeih mir." flehte ich mit gebrochener Stimme. Sie stand unberührt auf und schenkte uns Kaffee ein. Sie nahm beide Tassen mit und setzte sich wieder an den Küchentisch. „Ich werde nach Deutschland fliegen." sagte sie starr, ohne jegliche Schwingung. Es traf mich wie ein Blitz. Ich hatte sie verloren, war der erste Gedanke, der mich erfasste und einmal quer durch die Küche schleuderte. „Bitte nicht, Franzi, bitte." flehte ich und wimmerte. „Warum Shelly? Warum hast du mich belogen?" fragte sie auf mich ein. „Erklär es mir! Was habe ich dir getan, dass es dir möglich war, dich auf eine andere Frau ein zu lassen?" fragte sie mich voller Güte und Selbstzweifel. Das durfte nicht sein, sie durfte sich nicht die Schuld daran geben, dass war allein mein Versagen. „Nicht Franzi, du hast gar nichts getan." versuchte ich sie zu beschwichtigen. „Red' doch keinen scheiß." konterte sie aufgebracht und sprang von ihrem Stuhl auf. Sie trat auf mich zu und stützte sich auf den Tisch. „Ich will wissen, was passiert ist. Was ist mit uns passiert, Shelly? Wie konnte das passieren?" Ich hatte verstanden, dass jetzt sie diejenige war, die antworten brauchte. Ich sammelte mich und machte mich bereit, es ihr zu erklären. „Schatz, ich konnte nicht ertragen, dass wir nicht über die Pressekonferenz gesprochen haben. Ich fühlte mich schrecklich allein mit meiner Wut, meiner Trauer und dem Entsetzen, was da passiert ist. Mit der Angst, die ich um dich hatte und der Verzweiflung, dass ich zusehen musste und nichts tun konnte. Ich gebe mir an all dem die Schuld. Niemals wäre dir so etwas schreckliches widerfahren, hättest du mich nicht kennen gelernt. Ich wollte dir so oft sagen, was das alles in mir ausgelöst hat und ich wäre bereit gewesen, dir hinterher zu gehen, hätte sie dich getötet. Es gibt Momente, in denen all diese Gefühle über mir zusammen brechen und es mir das Herz zerreißt, in welche Lage ich dich gebracht habe. Und ich habe immer das Gefühl, das nicht äußern zu dürfen, weil du einfach nicht mehr reden willst, über diesen Tag. Das macht mich fertig. Gleichzeitig fühle ich mich schwach, weil du scheinbar so viel besser damit klar kommst. Aber du ..." Sie stand mit dem Rücken zu mir und folgte meinen Worten. Sie hatte die Arme verschränkt. Ich spürte die Mauer, die sie Stein um Stein wieder angefangen hatte zu bauen. Sie unterbrach mich und unterband sofort, dass ich ihren Gefühlen noch einmal zu nahe kommen könnte. „Und dann kam Andrea." sie wollte es wissen. Sie wollte es genau wissen. Wieder baute sich um mich die Anklagebank auf. Ich suchte nach Worte, versuchte, es möglichst sachte aus zu drücken. Es war dumm, ich musste jetzt in diesem Moment Farbe bekennen, wenn ich sie nicht verlieren wollte und das wollte ich keines Falls. „Andrea hatte mich durchschaut. Sie hatte mich im Krankenhaus dazu gebracht, zu reden. Das aus zu sprechen, was mir dir gegenüber verboten war. Es hat mich so sehr erleichtert. Um nichts in der Welt hatte ich mehr im Sinn." Ich näherte mich dem entscheidenden Punkt immer mehr. Mein Herz pochte wild, mein Kopf suchte dennoch unweigerlich nach Worten der Verharmlosung. Aber mein Herz hatte entschieden. Wahrheit und nichts anderes. Franzi wartete, sprach lautlose Aufforderungen aus. „Wir hatten uns getroffen und sie war mehr als interessiert an meinem Wohlbefinden. Sie hat mich angeraten, mit dir zu sprechen und ich habe es versucht, aber wir sind sofort in Streit geraten. Ich fühlte mich abgestoßen und hilflos." „Und deswegen rennst du gleich in die Arme der nächst besten, die dir über den Weg läuft?" polterte sie süffisant vor sich hin. „Nein." ich atmete tief durch, gewillt mich von ihrer Attacke nicht abschrecken zu lassen. „Ich hatte diese Bilder in mir und plötzlich das Gefühl, dass Andrea es in Kauf genommen hatte, dass sie auch dich hätte treffen können. Sie stand direkt hinter dir und aus meiner Position sah es verdammt knapp aus. Das bohrte so wahnsinnig in mir, dass ich sie stellen wollte. Ich wollte sie verantwortlich machen. Ihr eine Schuld zu weisen, die ich selber auf mich geladen hatte und nicht mehr ertragen konnte. Sie hat mir einen Spiegel vor gehalten. Sie hat es nicht zugelassen, dass ich etwas auf sie projiziere, was nicht war. Und dann hat sie versucht, Nähe auf zu bauen. Und ja verdammt, ich fühlte mich verstanden. Ich fühlte mich verstanden und aufgehoben. Sie hat versucht mich zu küssen und ich gebe zu, dass die Situation, die Gefühle mich dafür empfänglich gemacht hatten. Sie hat es versucht, aber ich habe es nicht zu gelassen. Franzi! Ich habe es nicht zu gelassen. Ich liebe dich und will nur dich fühlen. Ich war nicht bei Sinnen für einen Moment, aber ich habe es nicht zu gelassen und bin weg gegangen." Sie stand immer noch mit dem Rücken zu mir und machte keine Anstalten, sich um zu drehen. Sag was, bitte." flüsterte ich und versuchte meinen Tränen nicht nach zu geben. „Ich brauch Abstand. Das ist so verrückt. Du hast mir das alles verheimlicht und ich war so verflucht blind." sagte sie ohne die Spur einer Emotion. Es wäre mir lieber gewesen, sie hätte mich angebrüllt, mir eine gescheuert oder was auch immer, aber diese Kälte war schrecklich. Ich stand auf und trat auf sie zu. „Ich liebe dich und ich werde so etwas nie wieder zu lassen. Ich bitte dich, verzeih mir." bat ich und zog sie in meine Arme. Küsste ihren Nacken. Sie blieb steif. Ich ließ von ihr ab. Erst nach einer Weile, fand sie wieder einen Weg zu reden. „Hast du auch nur den Hauch einer Ahnung, wie es ist, dem Tod in die Augen zu sehen. Wenn dein ganzes Leben sich vor dir abspielt und das letzte, was ich sehe ist der Lauf einer Waffe? Kannst du dir vorstellen, wie viel Angst das in mir frei gesetzt hat?" sie redete sich in Rage. „Du hast keine Ahnung, was jeden Tag in mir vor sich geht. Jeden Tag die Angst, dich verlieren zu können. Jeden Tag die Angst zu sterben. Jeden Tag die Angst, der nächste Irre könnte schon auf uns lauern. Weißt du, was es für ein Kraftakt ist, jeden Tag ein normales Leben zu führen? Jeden Tag all diese Gefühle in Schach zu halten aus Angst, sie könnten mich überrollen und mich umbringen. Die Angst, sie nicht ertragen zu können. Und anstatt mich zu unterstützen bohrst du immer wieder darin herum. Kannst du nicht einfach helfen, das alles zu begraben? Nein, du rennst lieber zu einer anderen Frau und legst dich in ihre Arme. Das ist scheiße. Verdammt scheiße von dir." sie schrie und weinte. Ihr ganzer Körper bebte und doch spürte ich, dass sich etwas zwischen uns löste, was wie eine Bedrohung unterschwellig sein Unwesen getrieben hatte. „Ich kann das nicht ertragen, ich will es vergessen, es aus meinem Gehirn reißen. Ich will aus meinem Körper fliehen. Ich will diese Bilder nicht mehr sehen." Ich verstand immer mehr, welches Drama auch sie durchlebte. Wir beide gingen durch die Hölle, aber wir hatten versäumt, es gemeinsam zu tun. „Bitte, lass uns einen Weg finden, damit klar zu kommen, gemeinsam." Franzi sammelte sich unter größter Anstrengung. „Der einzige Weg für mich ist es, nie wieder darüber zu sprechen und die Bilder ruhen zu lassen. Wenn du das nicht kannst, dann... dann müssen sich unsere Wege trennen." Sie sagte es kühl, aber ich sah ihr an, was es mit ihr machte. Ich kaufte ihr ihre Selbstsicherheit kein Stück ab und war entsetzt über die Selbstverleugnung, die sie an den Tag legte. 'unsere Wege trennen...' das saß. Das konnte ich nicht stehen lassen. Sie steuerte das Wohnzimmer an, doch ich sprang ihr hinterher und wirbelte sie an ihrem Arm zu mir herum. „Franzi, wir gehen mit diesem Thema getrennt, ich will aber mit dir gehen. Mir dir zusammen. Gemeinsam, Hand in Hand." schwor ich auf sie ein und hoffte, es würde etwas in ihr regen. Sie antwortete nicht. Sie drehte sich wieder um und setzte sich auf die Terrasse. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich erleichtert. Wir hatten die Karten auf den Tisch gelegt und so sehr es auch schmerzte und wir uns stritten, ich sah die Chance einen Weg zu finden. Die Chance, das wieder in Ordnung zu bringen, was in Schieflage geraten war, ohne das wir es bemerkt hatten. Ich würde nicht zulassen, das zu verlieren, die Frau zu verlieren, die ich über alles in der Welt liebte. Nicht so, nicht weil die Hölle uns auf den Fersen war. Ich hatte dem Teufel den Kampf angesagt.

Mein Handy gab laut und erinnerte mich damit an irgendeinen Termin. Ich sah auf das Display 'Besprechung leo award'. Madlin und ich wollten heute besprechen wer wann wie über den Teppich läuft, welchen Sendern ich ein kurzes Interview zugestehen würde und welchem nicht. Madlin würde mir währenddessen genaue Anweisungen geben und mich durch geleiten. Aber mir stand der Kopf sicher nach allem Möglichen, aber das letzte woran ich jetzt dachte, war der leo award.

©lialight

Meet and love 2 (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt