2nd - abscheuliches Arschloch

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ERIN

Das kalte Wasser lief mein Gesicht herunter und tropfte dann von meinem Kinn auf mein T-Shirt. Angestrengt starrte ich mein Spiegelbild an, während ich mich mit einer Hand am Waschbecken abstützte und mir die andere durch meine dunklen Haare raufte. Kein Grund zur Panik. Alles okay. Er hat dich nicht erkannt. Ich schloss meine Augen und atmete tief durch.

"Und du bist sicher?" Lucia reichte mir ein paar Papiertücher und lehnte sich dann wieder an die geflieste Wand hinter sich. Ich nickte schnell und trocknete mein Gesicht. Dann setzte ich mir wieder meine Brille auf und warf die Tücher in den Müll.

"Ich werd doch wohl den Typ erkennen, mit dem ich-" Zögernd presste ich meine Lippen aufeinander und verzog das Gesicht.

"Mit dem du im Auto gevögelt hast. Du kannst es schon sagen." Lucia fand das Ganze offensichtlich um Einiges witziger als ich. Was ja auch nicht schwer war. Sie drehte eins ihrer dunkelbraunen Löckchen um ihren Zeigefinger und hob grinsend den Kopf.

"Oder wie war das gleich nochmal? Einmal im Auto. Einmal im Lagerraum und-" Ich knirschte mit den Zähnen.

"In der Gasse hinter dem Club. Ja, okay, ich bin ein Flittchen. Lass mich in Frieden meine Beine breit machen und verurteil mich nicht." Ich zog meine Augenbrauen zusammen und meine Freundin fing an laut zu lachen.

"Na siehst du, es geht doch." Sie stieß sich von der Wand ab und kam auf mich zu. Dann hopste sie auf die Waschbeckenablage und ließ die Beine runter baumeln.

"Kennst du ihn?" Erwartungsvoll sah ich zu Lucia und sie nickte langsam.

"Und ob ich ihn kenne." Sie rollte mit den Augen und ein Klos fing an sich in meinem Hals zu bilden.

"Jeder hier kennt Hunter. Ob man nun will oder nicht. Er ist der Sohn des Direktors." Innerlich schlug ich gerade wiederholt meinen Schädel an den Waschbeckenrand.

"Sag mir bitte ganz ehrlich- wie gearscht bin ich?" Ich war mir nicht wirklich sicher, ob ich die Antwort auf diese Frage überhaupt hören wollte. Lucia zögerte, etwas, das bei ihr so gut wie gar nicht vorkam.

"Kommt drauf an." Meine Freundin verschränkte ihre Arme vor der Brust und sah mich entschuldigend an.

"Worauf?" Meine Augen weiteten sich ein bisschen. Es war noch nicht zu spät, um nochmal die Schule zu wechseln.

"Ob er dich erkennt. Und wie sehr er dich bloßstellen will, wenn er raus findet, dass du es warst." Zuerst starrte ich sie nur an, weil ich nicht glauben wollte, dass sie es tatsächlich ernst meinte. Leider schien das aber der Fall zu sein. Ich stöhnte frustriert auf und ließ meinen Kopf in den Nacken zurück fallen. Natürlich musste er auf meine Schule gehen. Natürlich war er der verdammte Sohn des verdammten Direktors. Und natürlich war er ein abscheuliches Arschloch, das sich am Unglück anderer erfreute. Das war so typisch für mich. Angespannt massierte ich mir die Schläfe. Vielleicht hatte er mich vorhin auf dem Parkplatz tatsächlich nicht erkannt. Und wenn doch, würde ich das wohl erst dann sicher wissen, wenn er Plakate mit meinem Gesicht und dem Wort "Schlampe" als Flyer verteilte.

*****

Ich ging zielstrebig den Gang entlang. So schwer konnte es doch nicht sein so ein dummes Klassenzimmer zu finden. Nachdem Lucia mir den Weg zum Sekretariat gezeigt hatte, hatte sie schnell los gemusst. Sie konnte nicht am ersten Schultag schon zu spät kommen. Das waren ihre Worte gewesen, nicht meine. Also fragte ich mich natürlich, wann sie denn sonst noch plante, zu spät zu kommen. Die Sekretärin hatte mir meinen Stundenplan und den Wahlfachzettel in die Hand gedrückt und mich dann mehr oder weniger aus dem Büro geworfen, deshalb hatte ich nicht mehr nach dem Weg zum Geschichtsraum 3 fragen können. Der Klassenplan in meiner Hand war auch nicht wirklich hilfreich bei der Raumsuche. Nach ein paar Minuten hatte ich endlich gemerkt, dass ich im falschen Stockwerk war. Ich stöhnte genervt auf und klatschte mir das dumme Stück Papier ins Gesicht.

"Alles okay bei dir?" Ich nahm langsam den Zettel von meinem Gesicht und lächelte.

"Was ist den los, Schwesterchen?" Mein großer Bruder kam auf mich zu und nahm mir den Klassenplan aus der Hand.

"Ich bin zu dumm um mein Klassenzimmer zu finden." Er sah mich gespielt bemitleidend an und grinste.

"Das ist mal wieder typisch für dich, Erin." Ich rollte mit den Augen.

"Hast du keinen Unterricht?" Elliott schüttelte den Kopf, während er meinen Stundenplan überflog. Nachdem meine Mutter befördert worden war, wurde sie anschließend nach China versetzt und da sie mich schlecht mitnehmen konnte, weil ich gerade in meinem letzten High School Jahr war und danach aufs College wollte, hatten mich mein Bruder und seine Verlobte aufgenommen. Allerdings wohnten die beiden in Seattle und somit musste ich am Ende doch die Schule wechseln. Letzten Endes war Seattle aber immer noch besser, als plötzlich am anderen Ende der Welt zur Schule zu gehen. Natürlich hätte ich auch einfach zu meinem Dad ziehen und in Chicago bleiben können, aber ich würde mir lieber die Augen von Raben auspicken lassen, als bei meinem Vater und meiner lieben Stiefmama zu wohnen. Die Gute war nebenbei nur knappe 10 Jahre älter als ich. Ich hatte nie wirklich viel von meinem Vater gehalten, aber als er dann auch noch meine Mom mit der verdammten Sprechstundenhilfe in ihrer Partnerkanzlei betrogen hatte, löste sich jedes bisschen Respekt für diesen Mann zusammen mit der Ehe meiner Eltern in Nichts auf. Tja, manche Männer holen sich ein neues Auto in ihrer Midlife-Crisis, mein Vater holt sich eine neue Frau. Schon allein beim Gedanken an das Drama, das man unter Anwälten wohl Sorgerechtsstreit nennt, hatte ich das starke Verlangen meinen Kopf an die nächstbeste Wand zu knallen. Mein Bruder riss mich aus meinen Gedanken, als er wieder anfing zu sprechen.

"Ich kann dich schnell hin bringen, wenn du willst. Ich wollte eigentlich grade Kaffee holen, weil ich eine freie Stunde habe, aber-" Ich hob ihm meine Hand vors Gesicht, um ihn zu unterbrechen.

"Du musst mich nicht hinbringen, ich bin keine 5 mehr Elliott. Aber wenn du mir zufällig einen Latte von Jones' mitbringen willst, akzeptiere ich natürlich liebend gern diese brüderliche Geste." Elliott verengte die Augen und starrte mich an.

"Dann jetzt aber los. Du hast Mister Franklyn, der wird dich jetzt vermutlich schon auf seiner schwarzen Liste haben." Mein Bruder zog seinen Ärmel hoch und sah auf seine Armbanduhr.

"Uhhh, wie unheimlich." Ich nahm meinen Zettel wieder an mich und steuerte die große Treppe vor mir an.

"1. Stock, 3. Tür rechts. Ich würde es dir nahe legen zu klopfen und am Besten erzählst du ihm, dass das Sekretariat deine Blätter verlegt hat und du deswegen spät bist." Ich drehte nochmal um und küsste meinem Bruder auf die rechte Wange.

"Latte Macchiato mit extra viel Sahne, bitte. Danke."

*****

Mehr post ich heute nicht, weil ich nicht den ganzen Vorrat raus hauen kann. Ich tu hier grad so, als hätte ich schon 20 Kapitel, aber ich hab 4 1/4, also ja. Vielleicht morgen oder so.

Thanks for reading. Der Eismann fährt grad den Berg hoch und ich hol mir jetzt ice-cream. Wuhu!

Byee

adorablemalia

PLAYING PRETENDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt