Kapitel 31

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"Wie meinst du, sie sind verschwunden?" Ich schlucke schwer und merke deutlich wie mei Herz beginnt schneller zu pochen.

"Ja sie sind nicht hier, sieh doch selbst nach!" gibt Harry gereizt zurück und fährt sich mit einer Hand durch seine Haare.

Ich gebe keine Antwort und schweige nur. Alle erdenklich möglichen Vorfälle malen sich in meinem Kopf aus, was passiert sein könnte. Das Gefühl, dass etwas Schlimmes passiert ist dominiert über meine Sinne. Ich habe Angst, wenn ich daran denke und mir vorstelle in welcher Situation sich Liam und John gerade befinden können. Das sie Angst haben und bedroht werden. Von Jack und seinen Freunden - viel zu viele Menschen die ihnen etwas antun wollen und gegen die sie machtlos sind. Wir sind alle machtlos. Denn wir befinden uns eindeutig in der Unterzahl. Doch solange uns unsere Beine tragen, werden wir weiter laufen, auch wenn das Ende aussichtslos ist.

"Wir müssen ihnen helfen." kommt es leise über meine Lippen, in Gedanken versunken bereits bei der Überlegung, wo wir sie suchen sollen.

"Ich weiß." erwidert Harry knapp. "Und ich kann mir auch schon vorstellen, wo sie sein könnten." fügt der Braunhaarige hinzu und fährt sich mit einer Hand durch seine lockigen Haare. Er denkt ebenfalls nach. Schweigend macht er sich auf den Weg, ich folge ihm langsam. In solchen Situationen kann ich überzeugt sagen, dass Harry weiß was er tut.

Unser Weg führt in die Richtung des kleinen Dorfes. Mittlerweile weiß ich genau das Harry einen Plan hat, da er einen strikten Weg geht und immer schneller wird. Seine Miene ist total emotionslos und verzieht sich keinen einzigen Millimeter.

"Komm, steig ein." befiehlt mir Harry, als er die Fahrertüre öffnet und sich schwungvoll in das Fahrzeug setzt. Es ist John's Auto. Mich wundert es ehrlichgesagt, dass Jack und seine Freunde es nicht zerstört oder mitgenommen haben.

Rasch steige ich ebenfalls in das Auto, als Harry im nächsten Moment sofort losfährt. Er rast mit hoher Geschwindigkeit die Straße entlang, den Blick wie benommen auf die Umgebung vor ihm fokusiert. Ich mustere ihn von der Seite - seine Stirn liegt in Falten und mir scheint es, er würde in seinen Gedanken mit etwas kämpfen. Harry verringert die Geschwindigkeit nicht, tritt sogar noch mehr auf's Gas.
Als ich meinen Blick aus dem Fenster richte, merke ich erst wie schnell wir eigentlich fahren und mir wird mulmig im Magen.

"Uhm, Harry?" frage ich unsicher und sehe zur Seite, doch es kommt keine Reaktion seinerseits. Seine Miene bleibt unverändert, als würde er total besessen etwas verfolgen. Auf irgendeine Weise macht er mir Angst.

"Meinst du nicht, du solltest etwas langsamer fahren?" stelle ich vorsichtig meine Frage und hoffe einfach, dass er die Geschwindigkeit etwas verringert.

"Wir dürfen keine Zeit verlieren. Jede Minute ist kostbar." gibt Harry knapp zurück und schweigt wieder.

Unruhig ruchtsche ich im Sitz hin und her. Meine Fingernägel krallen sich in das Leder und ich entwickle große Angst.

"Harry bitte fahr langsamer." flehe ich schon fast und schlucke schwer.

Doch der Lockenkopf reagiert nicht.
Als wäre ich gar nicht hier.

Meine Angst erreicht den Höhepunkt, als Harry noch schneller fährt und es für mich unmöglich ist zu glauben, dass er das Fahrzeug noch sicher lenken kann.

"Harry!" spreche ich laut und halte mich fest. Auf meinen Handflächen bilden sich Schweißperlen.

"Fahr langsamer!" befehle ich ihm ernst und funkle ihn böse von der Seite an.

Die Situation bleibt unverändert.

Ich schwenke meinen Blick wieder nach vorne, als ich am Waldrand etwas bewegt. Es steuert direkt auf die Fahrbahn zu und ich will einfach nur schreien, doch es geht alles viel zu schnell.
Ich nehme ein lautes Fuck von Harry wahr, bevor er im nächsten Moment fest auf die Bremse steigt und ich von der Kraft nach vorne gedrückt werde.

Vorsichtig öffne ich mein eines und dann auch mein anderes Auge und sehe in ein verschrecktes Gesicht von einem Reh. Regungslos steht das Tier nur ein paar Zentimeter vor dem Fahrzeug und starrt uns an. Langsam atme ich die Luft, die ich angehalten habe, wieder aus und löse meinen festen Griff vom Beifahrersitz.

"Okay, das war knapp." spricht Harry nach einiger Zeit des Schweigens und ich sehe entsetzt zu ihm.

"Nein, was du nicht sagst." spotte ich und atme tief durch. Mein Herz hämmert nach wie vor wild in meinem Brustkorb.

Mit einem Ruck setzt sich das Reh vor uns in Bewegung und verschwindet auch schon wieder im Wald.

Ohne lange zu überlegen, setzt Harry die Fahrt fort - diesmal aber langsamer. Zum Glück.
Die Bäume ziehen in angenehmer Geschwindigkeit an uns vorbei und ich bekomme sofort wieder ein besseres und sichereres Gefühl.

Harry lenkt das Auto um die Kurve, als mein Blick auf ein weiteres Fahrzeug fällt, welches uns entgegen fährt. Weiter nichts Schlimmes, doch meine Stirn legt sich in Falten. Ich lehne mich nach vorne und beobachte das Geschehen vor uns.

"Uhm, Harry?" frage ich leise, halte jedoch meinen Blick nach vorne.

"Ja ich sehe es." gibt Harry nachdenklich zurück und bremst stark ab.

Das Fahrzeug kommt mit rasend schneller Geschwindigkeit auf uns zu und es scheint nicht als würde sich dies ändern. Und nicht nur das - das Auto fährt auf unserer Fahrspur.

"Fahr einfach links vorbei. Dieser Typ hat keine Ahnung vom Autofahren." schlage ich ihm vor und beobachte weiterhin das Geschehen.

"Idiot." murmelt Harry, als er das Fahrzeug nach links lenkt und auf dieser Fahrspur den Weg fortsetzt.

Das Auto nähert sich immer schneller, als sich plötzlich ein Bild in meinem Kopf bildet. Wie der letzte Teil eines Puzzles setzt es sich zusammen. Plötzlich habe ich einen Sinneswandel und wie aus dem Nichts schwebt mir eine Art Version vor, welche mir erst jetzt bewusst wird.

"Harry, das ist eine Falle!" brülle ich laut und greife zum Lenkrad, um die Version in meinem Kopf zu verhindern.

Doch es ist zu spät und das Letzte was ich wahrnehme ist das Bild in meinem Kopf, welches sich nun in der Realität direkt vor mir abspielt. Nur wenige Meter vor uns lenkt das entgegenkommende Auto wieder auf unsere Fahrspur und mein gesamter Magen zieht sich zusammen. Es geht alles verdammt schnell und das Einzige was ich will ist schreien, doch im nächsten Moment wird alles schwarz.

•~•~•
Selbstverständlich habe ich das alles hier auf keinen Fall vergessen .. Ich hänge mich jetzt wieder viel mehr rein, versprochen X

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