Kapitel 29

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Ich mache meine Augen auf und sehe... Wasser.

Wasser?!

Ja genau, Wasser.

Davor ein wenig Kies, dahinter Bäume und darüber die aufgehende Morgensonne.

Am Strand Baumstämme, leere Becher und anderer Müll und verkokelte Äste in der Mitte.

Neben mir ein schlafender Leon.

Er sieht so süß aus, so friedlich und glücklich.

Er atmet gleichmäßig und sein Gesicht ist total entspannt.

Da ich den schönen Anblick nicht zerstören will, lege ich mich vorsichtig wieder hin und kuschele mich an ihn, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, warum zur Hölle wir hier geschlafen haben.

Wir liegen auf einer dünnen Decke und sind mit unseren mittlerweile wieder getrockneten Badetüchern zugedeckt.

Nach kurzer Zeit schlafe ich wieder ein und werde wach, als die Sonne schon etwas höher am Himmel steht.

Leon ist ebenfalls schon wach und blickt gedankenverloren auf den See.

Als er sieht, dass ich wach bin, lächelt er mich an.

"Na, du Schlafmütze? Bist du endlich wach?"

Ich sehe ihn ein wenig beleidigt an.

"Du hättest doch schwimmen gehen können oder so, dann wäre dir nicht langweilig."

"Wie bitte hätte ich aufstehen sollen, als du wie einen Klette an mir geklebt bist?", fragt er schmunzelnd.

Jetzt bin ich noch beleidigter und drehe mich weg von ihm.

"Ignorierst du mich jetzt?"

Ich höre das Lachen in Leons Stimme und genau deswegen antworte ich nicht.

Er würde mich eh nur auslachen.

Nach gefühlten Stunden, in denen ich stur geradeaus blicke und Leon leise vor sich hinlacht, siegt meine Neugierde.

"Leon?"

"Ich wusste, dass du es nicht aushältst, mich zu ignorieren."

"Halt die Klappe. Wieso haben wir eigentlich hier übernachtet? Und wieso ist die Polizei noch nicht da, weil meine Eltern, überfürsorglich wie sie sind, eine Vermisstenanzeige aufgegeben haben?"

"Ganz langsam, Süße. Nett wie ich bin, vergesse ich, dass du mich ignoriert hast. Aalso, du bist halt eingeschlafen und weil ich dich nicht wecken wollte habe ich deinen Bruder überzeugen können, dass wir hierbleiben. Und weil das dein Bruder eben wusste, wird er es schon deinen Eltern gesagt haben."

Jetzt bin ich echt sprachlos.

Wie bitte hat Leon es geschafft, so eine Erlaubnis von Sandro zu bekommen, nachdem sie sich am Abend so feindselig begegnet sind?

"Sandro hat das erlaubt?!", frage ich ihn also überrascht und er nickt lächelnd.

Das kann nicht mit rechten Dingen zugegangen sein.

"Leon, wie hast du das gemacht?", frage ich ihn nachdrücklich.

"Also naja... Dein Bruder war ein wenig betrunken und seine weibliche Begleitung, vielleicht seine Freundin, auch und als ich ihn dann gefragt habe, wollte er einen Aufstand machen, aber die Begleitung hat ihn beruhigt und dann hat er es erlaubt."

Er grinst mich schief an und ich grinse zurück.

Sandro hat zwar meines Wissens keine Freundin, aber in den zwei Wochen, in denen ich weg war, hätte so einiges bei ihm passiert sein können.

Auch sonst reden wir nicht immer über alle Sachen in unserem Leben miteinander.

"Dann schwing dich in deine Badehose und trödel nicht rum!", rufe ich, springe auf und beginne mich auszuziehen, da ich meinen Wechselbikini unter den Sachen anhabe.

"Wer zuerst im Wasser ist!"

Leon sieht mich mit großen Augen an, hat sich jedoch sofort wieder im Griff und Ehrgeiz blitzt in seinen Augen auf.

Er springt ebenfalls auf, zieht sein Tshirt aus und rennt gleichzeitig mit mir los.

Leider habe ich aber eine Fußverletzung und er nicht, deswegen ist er schneller als ich.

Okay, wahrscheinlich wäre er auch so schneller.

Weil ich eben nicht so schnell bin, läuft auch er langsamer und kommt mit einem kleinen Abstand vor mir im See an.

Ich schwimme keuchend zu dem breit grinsenden Leon und schmolle.

"Das ist unfair. Du hast noch deine Jeansshorts an, nicht deine Badehose. Außerdem, ein echter Freund hätte seine Freundin gewinnen lassen."

Ich verschränke die Arme vor meiner Brust und sehe Leon beleidigt an.

Dieser grinst liebevoll und zieht mich in seine Arme.

Für mich ist es nicht so gemütlich, weil ich meine Arme noch immer verschränkt habe, doch er lässt mich nicht los.

"Ach, du kannst nicht alles haben, ich weiß genau, dass du mir nicht widerstehen kannst", sagt Leon und sieht mich mit seinem Hundeblick an.

Mist, er hat Recht.

Ganz kurz kann ich die Fassade noch aufrecht erhalten, doch dann muss ich lachen.

Leon lacht mit und sagt triumphierend: "Hab ich doch gesagt."

Dann zieht er mich an sich und drückt sanft seine Lippen auf meine.

Nach Ewigkeiten gehen wir aus dem Wasser und trocknen uns ab.

Weil es schon Mittag ist, gehen wir in dem kleinen Bistro essen und entspannen schließlich wieder an unserem Platz.

Am Nachmittag kommen auch Laura und Tobi an den Strand und wir spielen alle zusammen Karten.

Meine Eltern habe ich mittlerweile auch informiert und sie sind einverstanden, dass ich erst am Abend nach Hause komme.

Später, es ist mittlerweile sieben oder so, klingelt mein Handy.

Ich schaue auf das Display, Emma.

Finn und meine gemeinsame Freundin.

Komisch, wir hatten in den letzten Tagen kaum Kontakt.

Ich nehme den Anruf an und höre Emmas aufgelöste Stimme.

"Elena, gut, das ich dich erreiche. Finn hatte in der Nacht einen schweren Autounfall und ist bis vor einer halben Stunde im Koma gelegen. Jetzt ist er aufgewacht und hat ausdrücklich nach dir verlangt. Kannst du bitte so schnell wie möglich kommen?"

Während dem Anruf ist mir ganz schlecht geworden, mir ist nur eins klar:

Ich muss da sofort hin.

"Leon, wir müssen ins Krankenhaus. Jetzt."

Ein Sommer ohne ErwartungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt