Kapitel 6

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Ich wache auf und es ist noch dunkel.
Was ist denn jetzt los?
Die gleichmäßigen Atemzüge von Laura neben mir.
Die wehenden Vorhänge vor dem offenen Fenster.
Ich schaue auf meinen Radiowecker.
5:17.
Ernsthaft?!
Ich habe jetzt höchstens zwei Stunden geschlafen!
Aber ich bin hellwach und kann überhaupt nicht mehr einschlafen.
Also beschließe ich, einen Spaziergang am Strand zu machen.
Dieses Mal schreibe ich Laura einen Zettel, dass ich mit Frühstück zurückkomme und gehe los.
Der gesamte Campingplatz liegt ruhig da, man hört nur ganz vereinzelt Geräusche.
Heute ist schon der vierte Tag, Donnerstag.
Die Zeit vergeht sehr schnell.
Zu schnell.
Am Strand angekommen, mache ich mir Gedanken.
Wie sehr liebe ich Finn? Ich habe ihn seit 5 Tagen nicht mehr gesehen oder gehört, Laura telefoniert täglich mit ihrem Freund. Vermisse ich ihn? Ich weiß nicht, er ist immer so lieb zu mir, aber ist er wirklich der Richtige? Ist Leon der Richtige? Ich kenne ihn ja kaum, eine Fernbeziehung will ich auch nicht führen. Aber er ist schon sehr süß...
In meine Gedanken vertieft bemerke ich die Person zuerst nicht, die mir da entgegenkommt.
Nein, nicht Leon.
Aber einer seiner Freunde, der große blonde.
Mann, wie heißt der noch gleich...?
Alex, genau.
"Guten Morgen Elena, wieso schon so früh hier?"
"Hi Alex, ich konnte einfach nicht mehr schlafen..."
"Ich auch nicht, aber so ein Spaziergang übertrifft einfach alles, das ist so schön."
"Oh ja, auf jeden Fall"
"Ähm, ich muss dich mal was fragen..."
Oh, was kommt jetzt?
"Du hast dich doch gestern mit Leon ein wenig intensiver unterhalten...", sieht er mich fragend an.
Ich zeige ihm mit einem Nicken, dass er weiterreden soll.
"... und er schwärmt schon seit dem ersten Mal, als er dich gesehen hat, von dir. Kann das was werden mit euch?"
Jetzt bin ich völlig von der Spur.
Er SCHWÄRMT von mir?!
Das kommt jetzt sehr plötzlich.
Tja, kann das was werden?
Ganz ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.
"Ähm, das überrumpelt mich jetzt komplett. Das Problem ist...", ich schaue ihn schuldbewusst an, "ich habe einen Freund in Deutschland. Aber ich weiß nicht wirklich, ob ich ihn noch so sehr liebe, wie am Anfang. Wieso erzähle ich dir das eigentlich, ich kenne dich doch kaum...", sage ich dann mit einem verzweifelten Lachen, ich bin überfordert.
"Weil du nichts zu verlieren hast?"
Hm.
Das ist mal wieder eine total andere Sichtweise.
Aber wo er Recht hat, hat er Recht.
"Ok, stimmt. Also Leon ist wirklich süß und ich glaube, ich mag ihn auch mehr als nur freundschaftlich, aber über den Rest muss ich mir noch klar werden. Du musst mir nur eins versprechen."
Er sieht mich fragend an.
"Das, was ich dir gerade erzählt habe, erfährt niemand. Absolut niemand."
"Versprochen."
Ich grinse ihn an und er grinst zurück.
"Wollen wir langsam zurückgehen?", fragt er dann.
Ich nicke.
Wir gehen dann los und reden über Dies und Das, ich erfahren, dass er auch noch zum Einkaufen muss.
Nachdem wir das zusammen erledigt haben, gehen wir getrennte Wege und ich komme in die Wohnung zurück.
Mittlerweile ist es halb acht und Laura schläft noch.
Heute ist der erste Tag, an dem ich vor Laura wach bin.
Hehe, das muss ich ausnutzen.
Ich schleiche ins Bad und tränke einen Waschlappen mit kaltem Wasser.
Damit gehe ich dann ins Schlafzimmer.
Laura liegt perfekt auf dem Rücken und schläft friedlich.
Noch.
Ich klatsche ihr den Waschlappen ins Gesicht, sie springt mit einem Kreischen auf und der Waschlappen fällt zu Boden.
Als sich mich sieht, wie ich mit einem Lachanfall vor ihr stehe, fällt sie mit einem Stöhnen zurück ins Bett und wischt sich angewidert übers Gesicht.
Ich komme nicht mehr aus dem Lachen raus und Laura zieht sich genervt die Decke über den Kopf.
"Es gibt Frühstück", trällere ich und gehe in die Küche.
Ich decke den Tisch und höre, wie Laura ins Bad schlurft.
"Du errätst nicht, was ich heute schon gemacht habe", sage ich, als wir beide am Tisch sitzen.
"Mhm, erzähl", antwortet sie einsilbig.
Also erzähle ich, wie ich Alex getroffen habe, wie er mich über Leon ausgefragt hat und was wir sonst noch so geredet haben.
Sie ist sprachlos und ihre Augen werden immer größer, je länger ich erzähle.
Am Schluss sitzt sie mit offenem Mund da und ihre Semmel fällt ihr fast aus dem Mund.
Das sieht so komisch aus, dass ich mit meinem Kaffee im Mund losprusten muss und Laura, die mir gegenüber sitzt, mit feinen Kaffeespritzern bedecke.
Schon zum zweiten Mal hat sie heute diesen angeekelten Gesichtsausdruck, geht ins Bad und murmelt beim Hinausgehen: "Heute ist einfach nicht mein Tag..."
Darüber muss ich nur noch mehr lachen und sie ist ziemlich genervt, als sie sich wieder an den Tisch setzt.
Doch plötzlich hellt sich ihr Gesicht auf und sie grinst mich frech an.
Als ich sie fragend ansehe, meint sie nur, dass nichts sei, aber meine Laune fällt schlagartig.
Sie hat etwas vor.
Auf meine Kosten.
Darauf könnte ich alles wetten.

Ein Sommer ohne ErwartungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt