Kapitel 47

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Heute ist unser letzter ganzer Tag in Berlin!

Mit diesem Gedanken und dem Vorhaben, den Tag komplett zu genießen, setze ich mich auf, kurz nachdem der Wecker wie jeden Tag geklingelt hat, nur dieses Mal von Finn gestellt.

"Oh Schhh...", rutscht mir heraus und ich halte mir stöhnend meinen Kopf.

Dieser fühlt sich an, wie wenn ein Presslufthammer darin seine Arbeit verrichten würde.

Ich hatte noch nie in meinem ganzen Leben so starke Kopfschmerzen wie in diesem Moment, es ist einfach unerträglich.

Ich lasse mich zurück auf die Matratze fallen, was aus zweierlei Gründen eindeutig keine gute Idee ist.

Erstens sind so ruckartige Bewegungen und der Aufprall für meinen Kopf alles andere als angenehm und zweitens lande ich auf etwas Hartem, das anschließend anfängt sich zu bewegen.

Bitte was?!

Mein Kopf schnellt nach links (eindeutig wieder zu schnell) und ich kann meinen Augen kaum trauen.

Da liegt Finn.

Oberkörperfrei.

Und ich auf seinem Arm.

Er ist gerade dabei aufzuwachen.

Was zur Hölle macht Finn in meinem Bett und ich daneben?!

Ich springe hektisch auf und bemerke erleichtert, dass ich eine Shorts und ein Top anhabe.

Warte...

Wer hat mich bitte umgezogen?!

Finn anscheinend...

Völlig verzweifelt sinke ich auf den Boden und kauere mich zusammen.

Die Kopfschmerzen machen es nicht wirklich leicht, sich zu konzentrieren.

Was ist gestern passiert?!

Ich habe leider, wie ich feststellen muss, kaum Erinnerungen daran.

Lediglich kleine Fetzen an Erinnerungen dringen in mein Gedächtnis.

Ein Club, tanzende Leute, ein kleines Sofa, Drinks...

Finn und ich...

Ich auf Finns Schoß, seine Arme um mich geschlungen...

Äh, was?!

Ich auf Finns Schoß?!

Bitte nicht...

Die Verzweiflung übermannt mich jetzt völlig.

Bloß nicht zu Weinen anfangen...

Finn ist nun ganz wach und sieht mich vom Bett aus nachdenklich an.

"Wieso bist du so traurig?", fragt er mich ruhig mit seiner rauen Stimme.

"Was ist gestern passiert? Bitte, sag es mir", flehe ich ihn an.

"Was ist denn das Letzte, an das du dich erinnern kannst?"

"Ähm, also, ich bin... auf deinem Schoß gehockt?", bringe ich stotternd heraus.

Ein Anflug von einem Grinsen huscht über sein Gesicht, ist aber sofort wieder weg.

Vilelleicht habe ich es mir nur eingebildet.

Er erwidert nichts auf meine Aussage, sondern steht nur auf und geht ins Bad.

Was soll ich denn von ihm halten?

Gestern noch haben wir uns gut verstanden, sind zusammen Essen gegangen und danach in einen Club.

Doch dann hat er mich abgefüllt, anders kann man es nicht nennen, und mich unpassend berührt, was dann passiert ist, weiß ich nicht.

Fakt ist, dass ich umgezogen mit ihm in einem Bett aufgewacht bin.

In seinen Armen.

"Finn!", kreische ich nun hysterisch.

Leben ist wieder in mich gekommen, jetzt will ich es wissen.

"Was? Ich dusche!", kommt es als Antwort, doch das ist mir egal.

Anscheinend von allen guten Geistern verlassen stürme ich durch die Tür.

Oh Gott!

Warum habe ich das gemacht?!

Zum Glück hat er sich instinktiv umgedreht und grinst mich nur über seine Schulter blöd an.

Das ist das letzte, das ich sehe, bevor ich mir die Hand vor die Augen halte.

"So überschwänglich kenne ich dich ja garnicht, aber du kannst gerne auch reinkommen, wenn du willst.

Finn Belustigung ist kaum überhörbar, ihm scheint das Ganze garnichts auszumachen.

Seine Bemerkung ignorierend wiederhole ich mich: "Finn! Was. Ist. Gestern. Passiert?"

Ich betone jedes einzelne Wort und versuche es mit so viel Ernsthaftigkeit zu sagen wie es möglich ist, wenn man in solch einer peinlichen Situation ist.

Das nächste, dass man hört, ist das Prasseln des Wassers auf Finns Körper, sonst Schweigen.

"Finn?", frage ich vorsichtig nach, denn nachschauen, was er macht, will ich nun wirklich nicht.

"Nichts. Nichts ist passiert", ertönt schließlich seine schroffe Stimme.

Doch schwingt da nicht auch ein gutes Stück Unsicherheit mit, das er durch die Kälte in seinem Tonfall zu verstecken versucht?

Genau heute, wenn es wichtig wäre, bei klarem Verstand zu sein, habe ich solche Kopfschmerzen, dass ich nicht weiß, wo oben und unten ist.

Na danke.

Von der unfreundlichen Antwort abgeschreckt verlasse ich das Bad wieder und mache mich auf die Suche nach meiner Tasche, die ich achtlos in eine Ecke geworfen finde.

Das Handy lege ich vorerst auf das Bett und halte die Kopfschmerztabletten wie eine Trophäe in die Höhe, als ich sie in den Tiefen meiner Tasche finde.

Ach nein, wenn ich die Tablette nehmen will, muss ich ja ins Bad, um Wasser zu holen...

Ah!

Ich habe ja noch eine Flasche Wasser von der Fahrt dabei!

Also fülle ich von dort ein wenig Wasser in ein Glas und löse meine Rettung drin auf.

Dann schlucke ich das Gemisch runter, mache es mir auf dem Bett gemütlich und nehme erst mal mein Handy in die Hand.

Den Startknopf betätigt blinken die wichtigsten Nachrichten auf meinem Sperrbildschirm auf, darunter 16 verpasste Anrufe, 10 SMS, aber nur eine Nachricht auf WhatsApp.

Von Leon.

'Danke, dass du so ehrlich bist. Jetzt weiß ich wenigstens, warum du meine Anrufe ignoriert hast'

Ein Sommer ohne ErwartungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt