Kapitel 36

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Eine Wette?!

"Was hast du da genau gewettet?", frage ich Leon, mit noch immer kalter Stimme.

"Puh... Also ich war letztes Jahr in den Sommerferien sehr oft am See oder im Freibad und, naja, wie soll ich es sagen, viele Mädchen fanden meinen Oberkörper ganz ansprechend und sie haben es mich auch wissen lassen. Dann habe ich mit ein paar Freunden gewettet, wenn fünfzehn Mädchen mir in der nächsten Woche sagen, dass sie meinen Oberkörper gut finden oder andere Anzeichen geben, muss ich mich bei der Marke bewerben. Ich wusste selbst nicht, dass das geht, aber in der Ausschreibung ist extra gestanden, sie wollen kein professionelles Model, sondern einen jungen Mann mit einem guten Körper. Das alles entstand spät abends und wir waren betrunken, deswegen wetteten wir, wenn ich nicht genommen werde, muss ich einem Freund ein Auto kaufen. Ja, so ist das alles gekommen... Ich bin eindeutig nicht stolz darauf."

Wie dumm muss ein Mensch bitte sein...

"Kann ich mich morgen wieder bei dir melden, ich würde gerne darüber nachdenken, wie bescheuert mein Freund doch ist."

"Ja, klar, kann ich verstehen, bis morgen Süße."

Dann lege ich auf und klatsche mir aus purer Verzweiflung ein Kissen vors Gesicht.

Ich würde im Leben keine solche Wette abschließen, mit so einem Wetteinsatz!

Als ich Laura per Telefon auf den neuesten Stand gebracht habe, ist sie auch erst mal sprachlos.

"Das hat er nicht wirklich gemacht!"

"Doch hat er. Ich kann es selbst nicht fassen, ich meine, hallo, er wettet, wenn er den Modeljob nicht bekommt, muss er ein Auto kaufen?! Geht's noch?"

"Jungs. In Kombination mit betrunken geht das nie gut."

"Was soll ich jetzt machen?"

"Naja, er hat ja zugegeben, dass er nicht stolz darauf ist, rückgängig machen kann er es auch nicht. Willst du wirklich, dass so etwas eure Beziehung kaputt macht?"

"Nein, natürlich nicht. Ich bin aber noch sauer, dass er es mir nicht gesagt hat. Wenn ich selbst mal Werbung schauen würde, wäre es mir bestimmt aufgefallen, aber ich schalte ja in jeder Werbung um! Ich glaub, ich muss einfach eine Nacht darüber schlafen. Bis morgen."

"Bis dann."

*

Das Aufwachen wird zuerst mit einem entspannten Gefühl begleitet, bis mir das gestrige Gespräch mit Leon einfällt.

Ich seufze und beginne meinen Weg ins Bad und so weiter, bis ich an der Schule ankomme.

Das Getuschel hört auch heute nicht auf, doch versetzt mir jedes Mädchen, das mich ansieht und dann ihrer besten Freundin etwas ins Ohr flüstert, einen Stich ins Herz, weil mir wieder einfällt, dass Leon mich angelogen hat.

Mit mitleidigen Blicken empfangen mich Nina, Marie und Laura, anscheinend können sie sich denken, wie meine aktuelle Gefühlslage ist.

Alle drei nehmen mich in den Arm und wir machen uns auf den Weg in den Unterricht.

Ich war den ganzen Schultag sehr schweigsam und habe mich in Gedanken auf das Telefonat mit Leon am Nachmittag vorbereitet.

Jetzt auf der Heimfahrt gehe ich alles nochmal durch, was ich ihm sagen will, dass ich ihm schweren Herzens verzeihe, er aber gut aufpassen soll, ob er sich so etwas in Zukunft nochmal leisten will.

Meine Reaktion kommt einem vielleicht übertrieben vor, aber ich hatte so einen 'Fall' schonmal, als in der 6. Klasse eine ehemalige Freundin jedem etwas erzählte, nur mir nicht und ich deswegen sehr blöd dastand und mich jeder auslachte, Details unwichtig.

Aus diesem Grund bin ich sehr empfindlich, wenn Menschen, mit denen ich sehr vertraut bin, mir etwas veschweigen.

Ich biege gerade in unsere Straße ein, als ich neben dem Auto von meinem Bruder und dem von meinen Eltern in der Garage ein weiteres Auto sehe, ein weißes Cabrio und wieder ein an der Tür lehnender Leon.

Das Herz bleibt mir fast stehen, während es im nächsten Moment mit der Geschwindigkeit eines Rennpferdes weiterschlägt.

Dieses Mal leider nicht wie sonst aus unbändiger Freude, sondern aus sehr unangenehmer Nervosität.

Trotzdem parke ich das Auto sicher ein, nehme meine Tasche und steige aus.

Leon hat sich inzwischen von dem Auto gelöst und kommt mit einem unsicheren Blick und einem leichten Lächeln auf mich zu.

Weil er meinen Blick und die verschränkten Arme sieht, bleibt er mit einem Sicherheitsabstand vor mir stehen, anstatt mich wie sonst zu umarmen.

Gut so, sonst würde ich allzu schnell schwach werden.

Obwohl man diesen Augen sowieso nicht böse sein kann...

Elena, reiß dich zusammen!

Ok, zurück zum Thema.

Wir stehen uns also gegenüber, bis wir klassisch beide gleichzeiteig anfangen zu reden.

"Leon, ich-"

"Elena-"

Darauf deute ich ihm mit einem Kopfnicken anzufangen.

"Ich hab echt Scheiße gebaut."

"Das kannst du laut sagen."

Meine Stimme ist emotionslos, monoton.

Trotzdem tobt in meinem Kopf und meinem Herzen ein Kampf der Gefühle.

"Es tut mir so unfassbar Leid, ich hätte es dir sagen müssen, das weiß ich jetzt. Ich war nur immer geblendet davon, dass du mich nur magst, weil ich ich bin. Ich mache so etwas nie wieder, das schwöre ich dir."

"Bist du deswegen extra hergekommmen? Um mir das zu sagen? Ich meine, das wäre auch am Telefon gegangen..."

Ich weiß nicht, woher mein plötzlicher Sinneswandel kommt, aber plötzlich scheint es mir ganz und gar unmöglich, ihm nicht zu verzeihen.

Meine Vorsätze, wie dieses Gespräch verlaufen soll, vergesse ich auf einmal komplett.

"Ja, bin ich. Ich wollte dich eigentlich von der Schule abholen, aber wusste nicht, ob du damit einverstanden bist. Ich wollte es einfach persönlich besprechen."

Ich muss grinsen und sehe einen Funken Hoffnung in Leons Augen aufblitzen.

"Verzeihst du mir?", fragt er mit einem unsicheren Ton.

"Ja!"

Er zieht mich an sich, ich sauge seinen Duft in mich auf und vergrabe meine Hand in seinen noch perfekt gestylten braunen Haaren.

Ein Sommer ohne ErwartungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt