Kapitel 18

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Wer könnte das denn sein, dass Laura so ernst ist?
Ist wer gestorben?
Gab es einen Unfall?
Schreckliche Horrorszenarien spielen sich in meinem Kopf ab.

Ich schaue auf das Display.
Finn.
Pure Erleichterung macht sich in mir breit.
Ich habe jetzt zwar nicht gerade die größte Lust mit ihm zu reden, aber besser wie meine Eltern.
Die haben mir nämlich versprochen nur im äußersten Notfall anzurufen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Telefonieren mit Finn so schlimm ist.
Oder?

"Hi, was gibt's?", frage ich also und ahne noch nicht, was jetzt kommt.
"Du fragst was es gibt?!", schreit er mir durch das Handy wutentbrannt entgegen.
Ich bin völlig überrascht, was geht denn jetzt ab?!
"Ein Freund von mir ist auch bei euch in diesem Resort und hat mich gerade angerufen, dass er dich gestern Abend knutschend am Strand stehen hat sehen. Ist das wahr?!"
Oh scheiße.
Gar nicht gut.

Finn interpretiert mein Schweigen genau richtig.
"Das hätte ich echt nicht von dir gedacht. Dass du so tief sinkst... Ich mache Schluss, hier und jetzt. Mir egal, ob es übers Telefon ist, du bist ja in Italien, um dir einen neuen Freund zu suchen, ich reiche dir anscheinend nicht. Gut zu wissen."
Aufgelegt.

Wie in Trance hüpfe ich auf einem Bein in die Küche, wo auch Laura wieder ist und mich ansieht.
Meine Krücken sind noch im Schlafzimmer, deswegen ist mein Auftritt nicht ganz so wie beabsichtigt.
Ich gebe ihr das Handy zurück, starre jedoch irgendwo in die Ferne.
Als sie mich so verwirrt und aufgelöst sieht, legt sie das Handy auf den Tisch und nimmt mich in den Arm.
"Was hat er gesagt?", flüstert sie sanft in mein Ohr, ohne mich loszulassen.
"Sieht so aus, wie wenn ich wieder offiziell single wäre...", antworte ich eintönig und sofort spannt sich Laura an.
"Er hat Schluss gemacht?!"
Ich nicke nur.
"Ein Freund von ihm hat mich gestern Abend am Strand gesehen und sofort Finn angerufen, um zu petzen."
Ist nun der Zeitpunkt gekommen, an dem ich weinen sollte?
Tränen kommen auf jeden Fall keine, nur pure Wut.
Obwohl er Recht hat.
Aber was wäre, wenn es nicht stimmen würde?
Er vertraut seinem Freund mehr als mir.
Dann ist es wohl nur gut, dass wir jetzt getrennte Wege gehen.

"A********, der kann mich mal", zische ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
"Oha, woher der plötzliche Sinneswandel?", fragt Laura überrascht und löst sich von mir, um mich anzusehen.
Ich bin so sauer, ist das der Junge, in den ich unsterblich verliebt war?!

"Ich glaube wir gehen jetzt besser", entschuldigt uns Laura, holt meine Krücken und schiebt mich aus der Wohnung.
Die Krücken umklammert gehe ich so schnell wie möglich los, um meine Wut rauszulassen.
Ist das normal, dass man nach einer Trennung nichts als Wut verspürt, keine Trauer oder Verzweiflung?
Ich glaube nicht.

"Elena, bitte, mach mal langsamer. Ich will nicht, dass du hinfällst. Das ist es Finn nicht wert."
Da sie Recht hat, fahre ich das Tempo etwas runter, beginne jedoch heftig über Finn herzuziehen.

"Was fällt ihm eigentlich ein?! Ich dachte er vertraut mir! Aber anscheinend ja nicht! Echt, der kann was erleben, wenn ich ihn das nächste Mal sehe, dass ich mich auf so etwas eingelassen habe, wie dumm war ich eigentlich?! Nicht zu fassen, dass ich das nicht schon früher gemerkt habe..."

"Ganz ruhig, Elena! Du bist jetzt nur sauer auf ihn, weil er dahintergekommen ist. Du musst ihn verstehen, er sieht seine Freundin mit einem anderen, das ist auch erst mal ein Schock für ihn, er hat bestimmt genauso überreagiert wie du. Bitte stürze dich nicht in irgendwas, auf das du noch nicht bereit bist, Leon soll kein Trostfreund sein, das hat er nicht verdient. Also beruhige dich erstmal und morgen sehen wir weiter. Ok?"

Ich willige ein, sie hat ja Recht.
Ich will mit Leon nichts überstürzen, nur weil ich sauer auf Finn bin.
Doch ich bettele sie an, dass wir uns am Abend mit den Jungs treffen können, weil schon Mittwoch ist und wir nicht mehr so lange Zeit haben, uns zu sehen.
Außerdem muss ich mit ihm reden.

Wir können uns überhaupt nicht auf uns konzentrieren, ständig müssen wir über etwas anderes reden und immer bin ich der Grund.
Dass es ihm nicht langsam zu viel wird?
Er ist so ein herzensguter Mensch, so geduldig...

In der Wohnung angekommen lasse ich mich auf das Sofa fallen.
Es ist erst Mittag und schon bin ich völlig erschöpft und könnte sofort einschlafen...

Stopp!

Elena, reiß dich zusammen!
Du bist offiziell single, im Urlaub und bist wahrscheinlich verliebt!
Was willst du mehr?!
Also genieße die restlichen Tage hier, das schöne Wetter und unternehme was!

Ich höre auf meine innere Stimme, setze mich auf und sehe Laura abenteuerlustig an.

"Laura, was machen wir jetzt?"

Ein Sommer ohne ErwartungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt