Kapitel 57

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"Soll ich das anziehen oder das?"

Freitag, am späten Nachmittag, halte ich Laura zwei Outfits vor die Nase.

Einmal eine schwarze, enge Hose mit einer schlichten, dunkelroten Bluse oder ein dunkelgrünes, langes Kleid.

"Das Kleid finde ich eleganter und besser, wenn du wen beeindrucken willst. Aber da du das nicht willst, solltest du vielleicht das andere anziehen, um ihm nicht zu viele Hoffnungen zu machen. Obwohl du es ja eh schon gemacht hast, indem du zugesagt hast."

Den letzten Satz begleitet ein vorwurfsvolles Kopfschütteln.

Laura hat mir in den letzten Tagen oft genug vorgehalten, wie leichtsinnig und überaus dämlich es war, dieses Date auszumachen.

Ich werde ihn nur noch mehr verletzen, wenn ich ihn nach seiner Überwindung abweise.

Und sie hat Recht.

Leider.

Aber irgendwie hat mich irgendwas daran gehindert ihm abzusagen.

Neugier?

Der Drang nach Aufmerksamkeit?

Der Kick, etwas zu tun, das ich sonst nicht mache?

Ich weiß es nicht.

Ich weiß nur, dass es jetzt so ist, wie es ist.

Vielleicht hatte ich auch ein Gefühl, dass es das Beste ist.

Mit der Hose und der Bluse gehe ich ins Bad und ziehe mich um.

Dann stecke ich mir die vorderen Strähnen meiner leichten Naturlocken am Hinterkopf fest, schminke meine Augen ein bisschen dunkler als sonst und warte gespannt auf Lauras Urteil, als ich wieder in mein Zimmer komme.

"Perfekt. Nicht zu aufdringlich, aber trotzdem schön. Ich bin stolz auf dich."

Sie nimmt mich ermutigend in den Arm und sucht dann aus dem Schuhschrank in meinem Zimmer die schwarzen Stiefeletten raus.

Im Hauseingang ist nur Platz für die Schuhe, die ich regelmäßig trage, der Rest ist in meinem Zimmer.

Währenddessen betrachte ich mich im Spiegel.

Ich habe es immer noch nicht übers Herz gebracht, die Kette abzulegen.

Der silberne Anhänger mit den verschlungenen Buchstaben sticht aus dem sonst so dunklen, schlichten Outfit heraus.

Hat Leon die vor dem Schwimmbad gesehen?

Nein, kann ja garnicht sein, ich hatte meine Jacke bis unters Kinn zu.

Verwirrt über meine Gedanken schüttele ich den Kopf und ziehe mir die Schuhe an, die Laura nun endlich gefunden hat.

Ich ziehe mir noch meine Lederjacke drüber und verabschiede mich von Laura, die nach Hause geht.

Eine Viertelstunde später klingelt es pünktlich an der Tür und ich öffne sie mit einem leichten Lächeln.

Benedikts dunkle Jeans und das dunkelblaue Shirt mit der schwarzen Lederjacke darüber sitzen perfekt, doch sein strahlendes Grinsen bewirkt nichts in mir, außer freundschaftlicher Vorfreude auf den Abend.

Wenn Leon mich so angesehen hat, haben die Schmetterlinge in meinem Bauch eine Party gefeiert...

"Du siehst toll aus", beginnt Benedikt und mein Lächeln vertieft sich.

"Danke, du auch. Heute wohl im Partnerlook", scherze ich und spiele auf unsere Lederjacken an.

Humor.

Ein Sommer ohne ErwartungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt