Kapitel 44

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Nein, oder?

Hat man nicht einmal die Ruhe vor dem?!

Ich habe mich schon so auf ein stressfreies Mittagessen in einem feinen Restaurant mit meinen besten Freundinnen gefreut, doch da hab ich nicht mit dem Schicksal gerechnet, das mir in den letzten Tagen aus welchem Grund auch immer nicht so gut gestellt ist.

Aus Reflex rutsche ich mit meinem Stuhl einen halben Meter weiter zur Seite zu Laura und stoße deswegen mit meinem Stuhl an ihren und es wird alles etwas zu eng.

Sie sieht mich seufzend an und rutscht ein Stück zur Seite, widmet sich jedoch wieder ihrer Speisekarte.

Finn ist einfach nicht normal.

Nehmen wir mal an, Finn und seine Freunde würden von Anfang an an diesem Tisch sitzen, würde ich mir erst einmal ein anderes Restaurant suchen.

Wenn das meine Freundinnen nicht wollen, würde ich mich so weit weg wie möglich von ihm hinsetzen, also auf der anderen Seite am Tischende.

Wenn ich mich trotzdem neben ihn sitzen müsste, würde ich meine Krücken zwischen unsere Stühle stellen und von ihm wegrutschen.

Außerdem würde ich ihn ignorieren und jeglichen Körper- und Blickkontakt vermeiden.

Aber nein, weil es Finn ist, stellt er die Krücken zwischen seinen Freund rechts neben ihm und sich, sodass er in meine Richtung rutschen muss, um genug Platz zu haben.

"Hi, wir hatten wohl den gleichen Gedanken", versucht einer der Jungs ein Gespräch aufzubauen, doch wir antworten nur mit zustimmendem Gemurmel, da wir immernoch in die Karten vertieft sind.

"Du, Elena, kann ich mit in die Karte schauen?", will Finn dann ganz scheinheilig wissen.

"Bin schon fertig."

Mit diesen Worten halte ich ihm die Karte hin und wende mich wieder Laura zu.

"Hast du dich schon entschieden, was du nimmst?", fragt Finn jedoch weiter und tut so, als hätte er den Wink mit dem Zahnpfahl, mich in Ruhe zu lassen, nicht bemerkt.

"Die Spaghetti Carbonara."

"Ah, das hab ich auch schon überlegt. Die Pizzen sollen hier aber auch richtig gut sein, ich kann mich noch nicht wirklich entscheiden, vielleicht sollte ich auch einfach eine Suppe nehmen? Ach nein, Pizza oder Nudeln is besser, aber nur was?", quasselt Finn munter weiter, bis ich mich seufzend zu ihm drehe und ihn fragend ansehe.

"Was genau willst du? Heute hast du mich komplett ignoriert bis jetzt und auf einmal willst du über so belangloses Zeug reden?"

"Jez hab dich doch nicht so, lass uns das Beste aus der Situation machen. Nur, weil wir uns nicht so gut verstehen wie früher, muss das ja nicht heißen, dass wir keine Freunde sein können."

Hä?!

Jetzt blick ich garnicht mehr durch.

"Finn, jetzt hör mir mal ganz genau zu", beginne ich leise, aber mit Nachdruck, "Du musst dich endlich mal entscheiden, ob du eine Freundschaft willst oder mehr oder garnichts. Ob das Erste oder das Letzte ist mir egal, aber das Erste wird nicht funktionieren, wenn du das Zweite willst, also müssten wir in dem Fall auf das Dritte umsteigen."

Fast muss ich loslachen, als ich Finns verwirrten Blick sehe.

"Also jetzt versteh ich ja mal garnichts mehr", antwortet er genauso, wie es sein Blick aussagt.

Ein kleines Schmunzeln kann ich mir nicht verkneifen.

Ich weiß selbst nicht, ob eine Freundschaft funktionieren würde, es ist dafür zu viel passiert.

Ignorieren wird auch schwierig, weil wir zusammen in einem Zimmer sind und morgen den ganzen Tag miteinander verbringen müssen.

Aber mehr als Freundschaft wird es nie werden.

Ich hab Leon und den geb ich auch nicht mehr her!

"Also wie jez? Entweder Freundschaft oder mehr oder garnix?", fragt Finn nach einiger Bedenkzeit, in der er sich wahrscheinlich alles noch dreimal durch dem Kopf hat gehen lassen und ist dann zu dem Schluss gekommen, dass er es genug verstanden hat, um zu reden.

Er war gedanklich noch nie einer der Schnellsten, aber in Prüfungen ist er dann doch immer ganz gut.

"Genau."

Meine schlichte Antwort scheint ihn wieder zu verwirren, anscheinend hat er mit einem Monolog meinerseits oder wenigstens mit einer Diskussion gerechnet.

"Meinst du Freundschaft funktioniert?", fragt er dann wieder vorsichtig.

Er hat sich von Anfang an zu mir gebeugt und wir sprechen gedämpft, sodass wir immer misstrauische Blicke von unseren Freundinnen und Freunden ernten.

"Wir können es ja probieren...", seufze ich und bekomme ein breites Lächeln von ihm.

"Gut, dann brauche ich jetzt aber deine Hilfe. Soll ich Pizza oder Nudeln nehmen?"

-

Finn hat letztendlich doch eine Pizza genommen und obwohl sich unsere Freunde anfangs sehr über die Fröhlichkeit unsererseits gewundert haben, sind die Gespräche um Laufe des Mittagessens immer lockerer geworden.

Ich habe schon komplett vergessen, wieviel Spaß man mit Finn doch haben kann.

Nach dem Zahlen sind wir mit dem Bus erst einmal in die falsche Richtung gefahren, doch dann haben wir es bemerkt und sind umgestiegen, sodass wir nur fünf Minuten zu spät vor dem Wachsfigurenkabinett angekommen sind, wo wir jetzt gerade an der Kasse stehen.

Ein Sommer ohne ErwartungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt