Kapitel 21

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Als sich die Türen des Fahrstuhls schlossen, hatte ich endlich meine Sprache wiedergefunden. Carstairs schien die absurde Situation gerade überhaupt nicht zu interessieren. Ihn schien es auch überhaupt nicht zu stören, dass wir in wenigen Stunden ein Essen mit seiner Mutter haben würden, bei dem wir das glückliche Paar spielen mussten.

„Sind sie eigentlich völlig übergeschnappt?!", fragte ich bissig.

Wie oft, hatte ich mich mittlerweile eigentlich schon meinem Chef gegenüber im Ton vergriffen?

Carstairs nahm den Blick von seinem Handy und schaute mich schon wieder mit diesen nervig hochgezogenen Augenbrauen an, die ich ihm gerade am liebsten aus dem Gesicht kratzen würde.

„Finden sie das nicht geschmacklos ihre Mutter derartig anzulügen?! Das ist wirklich erbärmlich!"
Ich würde heute Abend auf keinen Fall mitkommen! Das hatte ich soeben beschlossen. Noch einmal würde ich nicht so tief sinken und einer freundlichen Frau eine Lüge nach der anderen auftischen, weil ihr Sohn ein arroganter Arsch war, der mit Geld versuchte seinen Willen zu bekommen.

Carstairs öffnete gerade seinen Mund, um mir etwas entgegenzuschleudern, doch ich war noch nicht fertig mit ihm.

„Und ihr dann auch noch zu erzählen, dass sie ein Kind verloren hätten, das es überhaupt nicht gibt! Welcher Mensch tut so etwas?! Sie hätten ihr einfach die Wahrheit sagen müssen und mich nicht in diese ganze Lügengeschichte mit reinziehen sollen!", schrie ich schon beinahe.

Mein Boss schien mittlerweile ebenso wütend zu sein, wie ich es war. Er drehte sich zu mir um, trat zwei Schritte näher zu mir und baute sich vor mir auf.

„Sie haben doch keine Ahnung! Vielleicht hat es dieses Kind nicht gegeben, aber ich habe mir trotzdem Tagelang darüber den Kopf zerbrochen, wie es weitergehen soll. Wie ausgerechnet ich ein Kind aufziehen soll und dann auch noch mit einer Frau, die mir nicht nur nichts bedeutet, sondern, die ich auch noch zu allem Übel nicht besonders gut leiden kann! In meinem Kopf ist dieses Kind bereits auf der Welt gewesen und ich habe mir mehr als einmal vorgestellt, wie es wohl sein würde. Wie ich als Vater sein würde! Und was meine Mutter betrifft, das geht sie einen feuchten Dreck an!"

Sein Gesichtsausdruck war steinhart. Ich schrumpfte immer mehr in mich zusammen. Seinem Blick konnte ich keine zwei Sekunden standhalten, da schaute ich bereits betreten zu Boden. Was hatte ich mir nur dabei gedacht ihn so anzufahren?
Natürlich war es nicht das netteste seine Mutter derart anzulügen, aber ich hätte ihm die Sache mit seinem Kind nicht vorwerfen sollen. Er hatte Recht, für ihn war dieses Kind, das es eigentlich nie gegeben hatte, real gewesen. Er hatte sich damit auseinandersetzen müssen Vater zu werden, hatte sich sein Kind bereits vorgestellt, seine Rolle wahrscheinlich langsam akzeptiert. Und dann hatte er erfahren müssen, dass die Schwangerschaft eine Lüge gewesen war. In gewisser Hinsicht hatte er sein Kind wirklich verloren.

„Entschuldigen sie, Sir. Das hätte ich nicht sagen sollen.", murmelte ich kleinlaut.

Mein Chef atmete einmal hörbar tief durch, schien sich aber wieder ein bisschen beruhigt zu haben.

„Sonntagmittag wird das Fünffache des eigentlichen Betrages, den sie für die Geschäftsreise bekommen sollten, auf ihrem Konto sein, wenn sie heute Abend mitkommen und weiterhin mitspielen. Bei ihrer Wohnsituation scheinen sie das Geld ja dringend nötig zu haben."
Bei seinen letzten Worten verengten sich meine Augen zu wütenden Schlitzen. Es konnte ihm doch egal sein, ob ich Geld brauchte oder nicht. Am liebsten hätte ich abgelehnt, um ihm eins reinzuwürgen, doch da wurde mir bewusst, um welche Summe Geld es gerade ging.

Es würde reichen, um den geforderten Betrag des Krankenhauses zu bezahlen. Es würde Ben für eine weitere Zeit am Leben erhalten, bis wir endlich eine richtige Lösung gefunden hatten.

Alles, was ich geben kannWo Geschichten leben. Entdecke jetzt