Kapitel 38

24.4K 818 54
                                    

Obwohl es wirklich schön gewesen war wieder einmal mit Greg zu plaudern, war ich froh, als wir endlich im Club waren. Die laute Musik, die so gar nicht nach meinem Geschmack war, hinderte ihn daran mir weitere Fragen zu stellen.

Irgendwann würde in einem Gespräch mit ihm eine Frage kommen, auf die ich ihm nur eine Lüge als Antwort geben konnte. Ich wollte auf keinen Fall, dass es so weit kam.

Nachdem wir unsere Jacken abgegeben hatten, quetschten wir uns erst einmal durch die tanzende Menschenmenge zur dahinterliegenden Bar durch. Ich hatte dem Alkohol eigentlich schon seit einiger Zeit den Rücken zugekehrt, zumindest größeren Mengen. Natürlich machte ich ab und an eine Ausnahme, doch ich sorgte immer dafür, dass es zu keinen Ausschreitungen kam. Alkohol und ich waren nämlich nicht die besten Freunde. Ich bekam schneller einen Kater, als ich meine Getränke am Abend zuvor hatte ordern können. Und was für Kater das waren! Von Schwindelanfällen bis hin zu unangenehmen aufeinandertreffen mit der Toilettenschüssel war alles dabei. Recht schnell hatte ich mich entschieden, dass kein Alkohol der Welt solches Leid wert war.
Doch heute war einer dieser seltenen Abende, an denen ich überhaupt nicht schnell genug an etwas Alkoholischen nippen konnte. Was wohl nur daran lag, dass ich irgendwie versuchen musste die nächsten Stunden zu überleben.
Aiden erklärte mit einem breiten Grinsen an Liv, dass die erste Runde auf ihn ginge. Natürlich waren alle anderen Feuer und Flamme.
"Tequilashots, so wie früher immer!", verkündete Harper, während sie schon ihren Arm in die Luft riss, um den Barkeeper herzuwinken.
Oh Gott nein! Alles nur kein Tequila!
An das so wie früher immer konnte ich mich noch ganz genau erinnern, mein Magen übrigens auch. Ich war mir sicher, dass meine Speiseröhre es ebenfalls weniger lustig gefunden hatte das brennende Zeug zweimal zu Gesicht zu bekommen.
Seit dem Abend damals, als wir in Greg und Aidens Männer-WG eine viel zu große Flasche geköpft hatten, wurde mir allein vom Geruch des Tequilas schlecht.
Liv wusste das natürlich ganz genau, schließlich hatte sie mir am nächsten Morgen die Haare gehalten, nachdem ich sie vor lauter Eile die Toilettenschüssel zu erreichen, von Greg und Aidens Sofa geschmissen hatte, auf dem wir gemeinsam geschlafen hatten.
Lachend nahm sie meine Hand und zog mich zwischen Emma und Sophia durch zu sich nach vorne an den Tresen.
"Für uns keinen Tequila, Kash und ich nehmen Wodka-Ahoi!", rief sie Harper zu.
Jap, Liv war definitiv meine beste Freundin!
Es war tatsächlich mehr als paradox, dass mir von jedem Shot, egal ob Schnaps oder Likör, sofort schlecht wurde, während Wodka-Ahoi noch nie Anstalten gemacht hatte, mir am nächsten Morgen Probleme zu bereiten. Schließlich sorgte die prickelnde Brause im Magen ordentlich dafür, dass dieser durchgeschüttelt wurde.
Aidens scharfer Seitenblick entging mir bei Livs Worten nicht. Anscheinend hatte er mich nicht in die Runde einbeziehen wollen, die er gerade laut versprochen hatte.
Sofort wurde mir mulmig zu Mute. Ich lehnte meinen Kopf etwas zu Livs Ohr, um mit ihr ohne Geschrei kommuniziert zu können und vor allem so, dass es keiner der anderen Anwesenden mitbekam.
"Liv, ich will lieber nichts trinken."
Der tadelnde Blick, den sie mir auf meine Worte hin zuwarf, war Antwort genug. Wenn ich nicht von ihr gevierteilt werden wollte, musste ich heute Abend die Zähne zusammenbeißen und jegliche Sticheleien und Seitenblicke der anderen ignorieren.
Harper schaffte es durch ihren unglaublich tiefen Ausschnitt, der sogar mein Dekolleté übertrumpfte recht schnell den Barkeeper auf uns aufmerksam zu machen. Während sie sich einen Hauch zu weit nach vorne lehnte, zählte sie ihm unsere Bestellung auf. Ich war mir allerdings nicht ganz sicher, ob der Kerl sich die hatte merken können, da sein Blick die ganze Zeit auf ihren Brüsten gelegen hatte und er gedanklich definitiv nicht mehr bei seinem Job war. Doch anscheinend hatte der Typ wirklich Übung, denn er platzierte wenige Minuten später die richtigen Getränke vor uns.
Während die anderen den kleinen Salzstreuer, der zugegebenermaßen wirklich niedlich aussah, herumgehen ließen, rissen Liv und ich unsere Brausetütchen auf.
"Auf Liv!", prostete Kimberley, woraufhin wir ihr es alle gleichtaten und unsere Gläser ein kleines Stück in die Höhe hoben, um es uns dann den Rachen hinunter zu kippen. Ich schüttete mir rasch die komplette Brause in den Mund, um sie mit dem bitteren Wodka in meinen Magen zu spülen.
Das angenehme Prickeln, welches sich daraufhin in meinem Bauch ausbreitete war einfach himmlisch und ließ mich sofort lockerer werden.
Kaum hatten wir alle unsere Gläser abgestellt, wurde Liv auch schon von Harper zur Tanzfläche gezerrt, an der anderen Hand zog sie Aiden hinter sich her.
Scheinbar hatten die beiden mal wieder eine ihrer guten Phasen. Bei Harper und Aiden war das nämlich so eine Sache. Sie kannten sich schon von klein auf und waren schon des Öfteren mehr als nur Freunde gewesen. Für eine ernsthafte Beziehung hatte das ganze allerdings nie gereicht, denn spätestens nach ein paar Wochen, gingen sie einander dermaßen an die Gurgel, dass wir schon mehrmals die Befürchtung gehabt hatten als Zeugen eines Mordes vor Gericht erscheinen zu müssen.
Als ich mich aus meinen Gedanken befreit hatte, waren die anderen bereits auf der Tanzfläche. Kimberley und Paul klebten engumschlungen aneinander, während sie sich schon beinahe aufzufressen schienen.
Ewh.. widerlich!
Emma und Sophie hatten es irgendwie geschafft zu zweit einen Kreis zu bilden, in den sich kein dritter integrieren konnte, ob sie das taten, um vor ekelhaften Typen geschützt zu sein, oder, um sich den Rest der Partytruppe vom Hals zu halten, konnte ich nicht genau sagen. Ich tippte auf beides. Zu guter Letzt tanzten Aiden, Harper, Greg und Liv ziemlich albern und heftig kichernd in einem kleinen Kreis.
Bei diesem Anblick wurde mir plötzlich schwer ums Herz. Früher waren wir oft zu fünft ausgegangen, früher war ich ein Teil dieser Gruppe gewesen.
Rasch wand ich meinen Blick ab und drehte der Tanzfläche meinen Rücken zu. Meine Ellenbogen stütze ich auf dem Tresen ab, während ich mein Handy in die Hand nahm, um nicht zu verzweifelt und alleine auszusehen.
Zuerst checkte ich meinen Mailordner, der allerdings, wie zu erwarten, leer war. Schließlich scrollte ich ein paar Mal durch alle Seiten meines Smartphonemenüs, um es so aussehen zu lassen, als ob ich tatsächlich etwas mit dem Ding in meiner Hand tat.
Du bist ziemlich erbärmlich! , meldete sich die nervige Stimme meines Unterbewusstseins mal wieder zu Wort.
Jap, da konnte ich ihr nur Recht geben!
Ich seufzte lautlos und tippte auf meine Kontaktliste, um für ein wenig Abwechslung bei der Scrollerei zu sorgen. Bei Jaydens Namen hielt mein Finger plötzlich an und verharrte einen Augenblick über dem Display.
Sollte ich ihm schreiben?
Ein kleiner Teil in mir hüpfte aufgeregt auf und ab und schrie mich beinahe schon an es endlich zu tun. Doch der größere Teil hielt mich davon ab.
Nein, auf keinen Fall!
Das zwischen uns war eine lockere Sache.
Mehr als Terminvereinbarungen würde über das Telefon nicht laufen!, formulierte ich in meinem Kopf die nächste Regel, die es aber keinesfalls auf unsere Regelliste schaffen würde. Schließlich würde das bedeuten, dass ich Jayden davon berichten musste, wie ich darüber nachgegrübelt hatte, ihm zu schreiben. Damit würde ich ihm nur zeigen, dass ich für einen Moment viel zu viel über ihn nachgedacht hatte.
"Willst du nicht auch tanzen?", riss mich plötzlich eine Stimme aus meinen Gedanken.
Rasch stopfte ich mein Handy zurück in die Tasche und drehte mich ein Stück zu Greg, der mir auffordernd die rechte Hand mit der Innenseite nach oben hinhielt. Für einen Augenblick war ich völlig verblüfft und starrte entgeistert auf seine ausgestreckte Hand.
Dass Greg vor dem Club mit mir gesprochen hatte war eine Sache, aber dass Greg mich nun auch noch zum Tanzen aufforderte, als hätte es das letzte Jahr nicht gegeben, überraschte mich sehr.
Das vorhin war zwar kein belangloser Small-Talk gewesen, doch ich hatte es als Zeichen seitens Greg gesehen, dass er auf das kindische Gezicke, das Harper und Kimberley an den Tag legten, verzichten konnte und wir wie zwei Erwachsene freundlich miteinander umgehen konnten, mehr allerdings nicht.
Niemals hätte ich erwartet, dass Greg mich heute Abend überhaupt noch einmal ansprach und nun das.
"Jetzt schau mal nicht so schockiert, Kash! Ich beiße nicht!", grinste er, während er einfach meine Hand packte und mich mit sich zog.
Ich wusste nicht, ob es die Tatsache war, dass Greg mich mit meinem Spitznamen angesprochen hatte, oder die Erleichterung darüber, nicht mehr wie bestellt und nicht abgeholt an der Bar zu stehen, doch ich fing an zu kichern, als Greg mich auf die Tanzfläche zog und seine Hände wie selbstverständlich auf meiner Hüfte platzierte.
Es war keine grabschende Berührung, sondern viel mehr eine unschuldige freundschaftliche, so wie früher.

Alles, was ich geben kannWo Geschichten leben. Entdecke jetzt