Kapitel 27

6.3K 412 47
                                    

Und dann lagen wir da in der Sonne, während ich angespannt in den Himmel starrte, überfielen mich ohne Vorwarnung so viele Zweifel, die ich die meiste Zeit erfolgreich unterdrücken konnte. Eins hatte ich gelernt, sie waren da, ich konnte sie ignorieren, aber nicht für immer und wenn sie kamen, kamen sie heftig.
Wenn ich über mein Leben nach dachte und über mich selbst, ging das nie gut aus. Ich war, seit ich selbst erkannt hatte, dass ich auf Jungs stand, in eine Rolle gepresst, die ich hasste. Stellen wir uns die Welt in Gruppen vor, auch wenn das nicht so einfach ist, denn die Welt besteht nicht aus Gruppen und Menschen die aus ihrer "Gruppe" herausfallen gibt es zu Hauf. Alleine diese aufgedonnerten Mädchen. Einige von ihnen kompensieren etwas, andere sind nett und machen sich einfach gerne schön, so ist das eben. Doch leider hatte ich in meinem Leben zu viele kennengelernt, die durch Make-up etwas kompensieren und dementsprechend auch versuchen mit ihrem Charakter etwas zu kompensieren, erfolglos, dass ich irgendwann begann Schubladen denken zu betreiben. Alle wollten sich immer anpassen und ich begann diese Leute zu verabscheuen, was auch der Grund war, wieso ich Katy so mochte, ohne zu merken, dass ich mich selbst anpasse und ich nicht ich selbst bin. Nicht nur das, mal ganz ehrlich, wenn ich mal so über mich nachdachte wurde mir auch nach und nach bewusst, dass ich das Aussehen anderer bemängelte und selbst das nicht wollte. Ich war oberflächlich geworden, was auch nicht immer der Fall gewesen war. Wann hatte dieser grausame Umbruch stattgefunden? Wann war ich zu einem anderen Menschen geworden? Wann hatte ich begonnen mich selbst im geheimen zu hassen und das auf andere zu übertragen? Seit dem ich nicht mehr ins System gepasst habe schätze ich. Es war einfach gewesen darüber nachzudenken wieso sich Leute dauernd anpassen, bevor ich das selbst tun musste. Jeden Schritt den man tut, um gleich wie andere zu sein ist eine Qual, doch die Schmerzen kommen nicht wenn man es tut, sie häufen sich und kommen dann auf einen zu, wenn man über sich selbst nachdachte. Was machte ich eigentlich? Ich diskriminierte mich selbst Tag ein, Tag aus, ohne es zu bemerken und sonst? Wo fand mein Leben eigentlich noch statt? In meinem Bett, sonst nirgendwo. Ich seufzte und rieb mir durchs Gesicht, versuchte die Gedanken zu verdrängen, die auf meinem Verstand herumhackten, versuchte es wie immer zu machen. Es hatte immer geklappt, wieso jetzt nicht?
Lucas neben mir setzte sich auf. "Was ist los?", fragte er und die Antwort auf meine Frage war gegeben, weil neben mir die zweite Person in meinem Leben saß, die mich akzeptieren könnte wie ich wirklich war, ohne Oberflächlichkeit, ohne anpassen. Eigentlich waren es sogar 3. Meine Mutter würde mich sicher immer noch lieben und akzeptieren.
"Alles ok", sagte ich und stand auf, "ich gehe rein was trinken" ich wollte gerade losgehen, als ich Lucas' Hand auf meiner Schulter spürte. Er drehte mich sanft zu sich herum.
"Ist wirklich alles ok?", er sah mir direkt in den Augen, ich konnte meine Reflektion in seinen sehen. Er sah besorgt aus. Zuerst war ich unfähig zu sprechen, hatte einen Klos im Hals, war schwach.
"Ist schon ok", sagte Lucas plötzlich und ehe ich mich versah, umarmte er mich und hielt mich fest. Wann war ich das letzte mal von einem Jungen umarmt worden? Ich glaube in der 5. Klasse, als meine Katze gestorben war. Michael, David und Max hatten an dem Tag alles mögliche versucht um mich aufzumuntern. Wir waren mit dem Fahrrad zur nächsten Eisdiele gefahren, sie hatten mir ein Eis gekauft und dann waren wir ins Kino, in einen Film, den die drei eigentlich nicht schauen wollten und dann sind sie doch mit mir rein gegangen. Wir hatten auf einem Spielplatz gesessen, ich und Max auf der Schaukel, Michael und David auf dem Klettergerüst und hatten das über geblieben Popcorn gegessen, wir hatten uns alle vier viel zu viel gekauft und an die Bauchschmerzen am Abend konnte ich mich immer noch erinnern. Als die Tüten leer waren, hatten wir einfach nur vor uns hingestarrt und ich hatte begonnen zu weinen. Max hat mich zuerst umarmt um mich zu trösten, David und Michael kamen hinterher und die Welt war für einen Moment in Ordnung gewesen weil ich wusste, dass die drei hinter mir standen und jetzt? Meine drei besten Freunde würden mich verabscheuen wenn sie mein wahres ich kennen würden und aus dem Grund begann ich sie zu hassen und nur noch darauf zu beschränken. Dabei waren sie nicht mal üble Menschen. Sie machten etwas gewaltig falsch, aber das war die eine Sache, doch jeder von ihnen hatte auch so viele gute Seiten an sich, die ich alle mit der Zeit vergessen hatte. David war nicht nur furchtbar schlau, er hatte auch ein ziemlich großes Herz für Tiere, Max war verdammt gut darin Menschen aufzuheitern, Michael sah meistens eher das innere der Menschen, auch wenn er das nicht immer zeigte, auch er hatte sich angepasst und begonnen auch Äußerlichkeiten zu bemängeln, obwohl er nicht der Typ dafür war. Und über all den gutem Eigenschaften hing der Schleier der Homophobie. Langsam bahnten sich die Tränen ihren Weg. Ich war falsch und oberflächlich, aber wenn ich das nicht war, verlor ich drei meiner Freunde, die mir, auch wenn ich es mir nur noch schlecht selbst gestehen konnte, verdammt wichtig waren. Die Welt hatte es echt nicht gut mit mir gemeint und ich genauso wenig mit ihr. Mich selbst und mein Blick für die Welt ändern, nichts, was einfach wäre, aber ich beschloss fest es anzugehen, während ich immer noch in Lucas Armen heulte. Doch das erste mal, dachte ich nicht darüber nach, ob das jetzt falsch wäre, oder peinlich. Das erste Mal begann ich langsam, Schritt für Schritt mich selbst zu akzeptieren.
Drei Leute würden mich akzeptieren wie ich war und das konnten doch sicher auch mehr werden. Ich wollte aufhören mich selbst zu verstecken. Ich wusste auch genau, wo ich damit anfangen musste. Ich löste mich leicht von Lucas, hob den Kopf und drückte ihm meine Lippen auf seine.
Ich weiß, der Umbruch dürfte gerade ziemlich heftig gekommen sein, aber ich habe von der ReziMafia eine Rezitation bekommen, die mir so etwas die Augen geöffnet hat. Wirklich, wenn ihr jemanden sucht, der euch aufzeigt, wo ihr dran arbeiten müsst, die sind die besten dafür. Ihr solltet dafür aber auch wirklich Kritikfähig sein :D.
Ich bin auf jeden Fall dankbar dafür. Zwar hab ich die Befürchtung, dass ich die Kritik ziemlich heftig umgesetzt habe, aber ich hatte da einfach das Bedürfnis nach und ich hoffe, das ist für euch ok :D.
Also denne, haltet die Ohren steif

Rainbow SecretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt