Wir gingen ein paar Meter in den Wald. Auf einer kleinen Lichtung breiteten wir eine Decke aus, auf die wir uns schließlich setzten. Wir packten unser Essen aus. Sandwiches, kleine Tomaten, Salatgurkenscheiben, zwei Äpfel und eine Flasche Orangensaft. Ich griff nach einem Sandwich und begann die Frischhaltefolie, die darum gewickelt war, abzufummeln.
"Bist du dir sicher, dass du dich outen willst?", fragte mich Lucas aus heiterem Himmel. Gut, so überraschend kam die Frage nicht und ich hatte mich auch schon darauf eingestellt, aber auch wenn ich mir tausend Versionen von Antworten überlegt hatte in den letzten wenigen Stunden, kam jetzt kein Ton über meine Lippen und ich sah bloß auf mein Sandwich, tat so, als würde das Auspacken meine ganze Aufmerksamkeit benötigen.
"Jake, ich kann ja verstehen, dass du nicht darüber reden möchtest aber..."
"Aber was?", unterbrach ich ihn, mein Tonfall war dabei energischer als ich beabsichtigt hatte, "Wie lange ich darüber nachdenke und wann ich dazu etwas sage ist meine Sache. Das hat doch nichts mit uns beiden zu tun", ich konzentrierte mich erneut auf mein Sandwich. Lucas hatte ich zum Schweigen gebracht, auch wenn mir mein laut werden durchaus leid tat, ich war froh, dass er nicht mehr darüber sprach. Ich war mir mit dem Outing so sicher gewesen und jetzt? Wenn ich daran dachte begann mein Herz nervös zu schlagen und ich bekam schwitzige Hände.
Während ich in mein Sandwich biss, hatte ich eine Hand neben mir liegen, zur Faust geballt und angespannt. Sie zitterte leicht und ich versuchte diese ganze Nervosität und Angst in diese Faust zu stecken, versuchte mich ganz und gar darauf zu konzentrieren, die Faust so fest zu ballen wie es nur irgendwie ging. Es brachte tatsächlich nicht viel und doch hatte ich das Gefühl, als würde es irgendetwas bringen. Was ich im Moment wirklich gebraucht hatte wurde mir jedoch erst bewusst, als ich "es" bekam. Ruhig legte mir Lucas eine Hand auf meine Faust und meine Muskeln und somit auch meine Finger entspannten sich. Das zittern hörte auf und genrell die gesamte Nervosität legte sich. Lucas hatte einen unglaublichen Effekt auf mich, einen Effekt, von dem ich keine Ahnung hatte, dass er tatsächlich außerhalb von kitschigen Filmen und Romanen exestierte.
"Danke", murmelte ich ihm zu und atmete einmal tief durch.
"Kein Problem", antwortete dieser. Er lächelte mir zu, seine Hand verschwand von meiner und er schnappte sich ebenfalls ein Sandwich, welches er eindeutig schneller auspacken konnte als ich. Ich gebe es zu, ich habe ihn durchaus ein wenig beim Essen beobachtet und musste nun voll und ganz zugeben, ich liebte diesen Mann und zwar im Grunde tatsächlich alles an ihm, es war verrückt. Ich lächelte und aß weiter. Erneut ließ ich meine Gedanken schweifen
"Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist grün", riss Lucas mich schließlich aus meinen Gedanken.
"Hier ist alles grün du Witzbold", lachte ich. Lucas zuckte nur mit den Schultern und sah mich herausfordernd an, er meinte das tatsächlich ernst.
"Nagut, ehm, die Blätter an dem Baum da?", ich deutete auf einen, uns recht nahe gelegenen, Baum.
Lucas nickte. "Aber welches Blatt?"
"Ich werde jetzt bestimmt nicht die ganzen blöden Blätter durchgehen"
"ist ja gut, du bist dran"
"Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist braun"
Lucas begann alle Baumstämme in der Umgebung abzugehen, vergaß dabei aber, den Förster Hochsitz, der durch die Bäume hindurch lugte und gab irgendwann auf. Als ich ihm sagte, was er übersehen hatte, schlug er sich mit der flachen Hand an die Stirn, "Ich bin doch mega intelligent", lachte er und ich nickte zustimmend, wofür mir Lucas auf den Arm boxte."Ich stimme dir doch nur zu", verteidigte ich mich lachend, aber Lucas boxte mich weiter, bis ich seine Arme festhielt, mich vorbeugte und ihn küsste. Meine Güte, hätte mir vor drei Tagen jemand gesagt, dass so etwas passieren könnte, dass ich knutschend mit einem Jungen auf einer Decke im Wald landen würde, ich hätte die Person persönlich im Irrenhaus abgeliefert und jetzt das. Ich lag irgendwann auf dem Rücken und Lucas hatte sich an meine Brust gekuschelt, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass das besonders bequem war, weil mein Herz meinen Brustkorb zum vibrieren brachte. Nicht Nervosität oder Angst brachte mein Herz zum schlagen, es waren vielmehr, um es mal so kitschig wie möglich auszudrücken, die Schmetterlinge, die gegen mein Herz stießen, während sie in meinem Bauch ein eigenartiges Gefühl verbreiteten. Ich fuhr Lucas durch seine Haare. Sie waren ganz weich, fühlten sich toll an zwischen meinen Fingern, aber waren das wirklich die Haare selbst, oder einfach nur die Tatsache, dass sie zu Lucas gehörten?.
"Ich werde mich outen", sagte ich schließlich, "Alleine, weil ich dann ganz offen mit dir zusammen sein kann"
"Du wirst kitschig", brummte Lucas, "Du solltest dich nicht nur wegen mir outen, das geht nicht gut aus"
"Wieso, hast du vor mich zu verlassen?"
"Natürlich nicht du Idiot, aber du siehst alles durch die rosarote Brille, da können die Fakten einem durchaus verborgen bleiben. Du musst dir dein Outing ganz genau überlegen, dir dabei Zeit lassen"
"Du solltest dich mal entscheiden, zuerst willst du unbedingt so schnell wie möglich eine Antwort von mir, was mein Outing betrifft, dann willst du, dass ich mir Zeit lasse, entscheide dich doch bitte mal"
"Ja, du hast recht, tut mir leid. Es ist nur...naja, ich würde mir schon wünschen, dass du dich outest, ich will mit dir diese ganzen Pärchensachen machen. Ins Kino gehen und dann den halben Film verpassen weil wir zu viel miteinander beschäftigt sind, ich will mit dir ein Eis essen gehen, mit dir knutschend auf einer Parkbank sitzen und dabei alle Passanten damit belästigen, mit dir Händchen haltend sonst wohin gehen, diese ganzen Sachen an der Öffentlichkeit eben, die wir nur machen können, wenn du dich outest, aber ich will eben auch nicht, dass ich dich zu voreiligen Entscheidungen treibe. Es ist immer noch deine Sache und vor allem dein Leben, verstehst du?"
Ich nickte, aber er lag falsch. Er drängte mich zu nichts, ich wollte das, denn die ganzen Sachen die er da aufgezählt hatte, die wollte ich auch.
Sou, neues Kapitel, whoop, whoop. Viel Spaß damit
Also denne, haltet die Ohren steif
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Rainbow Secret
Teen FictionJakes Vater ist homophob, seine Freunde sind homophob und er selbst auch. Nun, er tut so, denn obwohl im Leben des 17 Jährigen alles ganz gut zu laufen scheint, hat er ein Problem, er selbst ist schwul. Hartnäckig versteckt er sein Geheimnis und ve...