Meine Mutter hatte, wie ich erwartet hatte, nichts dagegen, dass Max für ein paar Tage bei uns wohnte. Im Gegenteil, sie bot sogar an, dass er gar nicht zu seiner Tante ziehen musste, sondern bei uns bleiben könnte, bis er sich eine eigene Bleibe finanzieren konnte.
"Wir richten dir dein Zimmer einfach im Arbeitszimmer ein", schlug sie vor, "das hat sowieso nur Jakes Vater benutzt, das brauchen wir also nicht mehr"
Max aber lehnte dankend ab "ich brauche einen Neuanfang", sagte er und lächelte bei eben dieser Aussicht, "machen sie aus dem Zimmer lieber etwas schönes für sich" ich hatte ihn noch nie so aufrichtig gütig erlebt. Ich konnte mir gut vorstellen, wie sehr sein Charakter unterdrücken worden war. David und Michael hatten auf uns beide eine große, manipulative Wirkung gehabt, dass diese Last, die das ganze mitbrachte, nun von und abfiel war ein Traum und wüsste ich es nicht besser, ich hätte behauptet wir könnten nun ohne diese Last fliegen.
Später am Abend ging dann auch Lucas. Sein Vater holte ihn wieder ab und redete noch ein wenig mit meiner Mutter, während Max, Lucas und ich oben in meinem Zimmer nach einem geeigneten Platz für die Luftmatratze suchten.
"Und wenn wir das Regal da ein wenig zur Seite schieben?", fragte Max und beäugte neugierig den Inhalt des Regales. Bücher, ein Fotoalbum, Videospiele, kleine Figuren. Manche Dinge die dort standen hatte ich schon tausend mal in der Hand gehabt, andere vielleicht drei mal. Viele der Bücher waren ungelesene, Geschenke, aber vielleicht gab ich der geschriebenen Fantasie ja mal eine Chance. Ich nahm mir generell vor, viel mehr auszuprobieren, mich nicht immer nur auf den einen Typus zu beschränken und diesem nachzueifern. Ich war keine Plastikfigur mehr, eine unter vielen, ich verwandelte mich in weichen, formbaren Ton und war dabei mich selbst, neu zu erschaffen.
"Das müsste klappen", gemeinsam schoben wir das Regal zur Seite(tatsächlich schafften wir das, ohne etwas zu zerstören) und legten die Matratze auf den Boden. Wäre die Matratze etwas größer gewesen, hätte sie nicht gepasst, aber so schmiegte sie sich in die entstandene Lücke wie ein Puzzelteil. Zufrieden betrachtete ich das ganze.
"Lucas? Kommst du?", hörten wir schließlich Lucas' Vater rufen. Schnell verabschiedete sich der Angesprochene von mir und Max (mich mit einem Kuss, bei dem Max automatisch weg sah und ich konnte es ihm nicht verübeln, er war sein Leben lang darauf getrimmt worden.) Lucas lief die Treppe hinunter, ich folgte ihm noch bis zur Haustür, Max blieb oben.
"Wir sehen uns dann ja Samstag", hörte ich meine Mutter noch zu Lucas Vater sagen, als Lucas und ich gerade nach unten gekommen waren.
"Ja, halb sieben. Ich freue mich schon darauf", er lächelte. Er hatte das gleiche Lächeln wie Lucas, seine Haare waren ein wenig dunkler, die Augen etwas schmaler, aber er sah gut aus, für einen Mann seines Alters versteht sich.
Lucas und sein Vater gingen schließlich und meine Mutter schloss die Tür.
Fragend sah ich sie an "Samstag? Was ist Samstag?" ,fragte ich sie
"Mark hat vorgeschlagen wir vier könnten zusammen essen gehen", erklärte meine Mutter, "zu fünft", verbesserte sie schließlich, "wir können Max ja nicht alleine hier lassen"
"Ah, schön. Wohin gehen wir?"
"In diese Pizzeria...In der Nähe des Einkaufszentrums... Wie hieß die noch gleich?", meine Mutter machte ein nachdenklichen Gesicht.
"Ich weiß welche du meinst", sagte ich schnell und der nachdenkliche Ausdruck verflog. Sie lächelte und nickte.
"Auf jeden Fall gehen wir da hin. Schließlich ist er ja quasi dein Schwiegervater und damit sind wir eine Familie", sie zwinkerte mir zu, ich verdrehte, leicht belustigt, die Augen. "Ach komm schon, tu nicht so", beschwerte meine Mutter sich, obwohl sie wahrscheinlich selbst nicht wusste, wie ich denn tat. Ich lächelte bloß und ging wieder nach oben.
Max saß auf der Matratze und hatte sein Handy in der Hand. Unentwegt starrte er drauf, seine Finger wurden immer schneller auf der Tastatur und seine Augen schienen sich mit Tränen zu füllen. Mich bemerkte er erst eine Augenblicke später und sofort wischte er sich hektisch über seine Augen.
"Was ist los?", besorgt sah ich ihn an.
Er presste seine Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. Schließlich senkte er ihn und sein Körper begann leicht zu zucken. Schließlich war auch ein Schluchzen zu hören.
Ich wusste nicht was ich tun sollte und fühlte mich absolut machtlos. Sollte ich ihn umarmen, oder würde er das auf Grund meiner Sexualität doch etwas komisch finden. Sollte ich ihn alleine lassen, ihn nochmal fragen was los war? Ich stand da und wusste weder wohin mit mir, noch mit ihm.
"Tut mir leid", wimmerte er schließlich und er hatte noch nie kläglicher geklungen als jetzt. Ein Häufchen Elend, getroffen von noch mehr Elend. "Ich wollte nicht vor dir heulen, ich bin so eine Schwuchtel", er hielt inne, bemerkte selbst was er da gesagt hatte. "Pussy...Ein Weichei...Mensch zu weißt was ich meine"
"Ich bin hier die Schwuchtel", ich lächelte ihn leicht an. Er sah auf, seine Augen waren unglaublich rot und er brauchte dringend ein Taschentuch. Schnell reichte ich ihm eins und er schneuzte sich geräuschvoll die Nase.
Ich hielt ihm noch schnell den Mülleimer hin, in dem er das Taschentuch entsorgte und dann starrte er stumm auf seine Hände. Ich hockte mich vor ihn.
"Willst du darüber reden?", fragte ich ihn. Erst schüttelte er den Kopf, dann nickte er und schließlich zuckte er mit den Schultern und raufte sich die Haare.
"Das ist doch alles kacke", schniefte er und hob erneut den Kopf.
"Meine Mutter und meine Schwester waren nicht Zuhause gewesen, als ich den Streit mit meinem Vater hatten, sie sind wohl eben nach Hause gekommen...Meine Schwester hat mir geschrieben", er hielt mir sein Handy und was ich da lesen musste, verschlug mir die Sprache.
Hätte ich nicht von dir gedacht. Du bist doch so ein elender Waschlappen und eine verdammte Schande für diese Familie. Mama und ich zerreißen uns gerade unser Maul über dich. Hast du halt verdient du Wurst. Scheinst du ja drauf zu stehen, auf Würste, oder wieso solltest du den Scheiß sonst plötzlich suporten. Abartig sowas. Wehe du lässt dich bei uns nochmal blicken und wehe du nennst mich noch einmal Schwester. Und für unsere "Tante" gilt das gleiche.
Das Drama ist einfach so aus meinen Fingern in das Kapitel geflossen XD aber ich bin ganz zufrieden damit. Die beste Zeit zum schreiben ist kurz nach dem Lesen eines Buches. Ist halt so.
Also denne, haltet die Ohren steif.
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Rainbow Secret
Teen FictionJakes Vater ist homophob, seine Freunde sind homophob und er selbst auch. Nun, er tut so, denn obwohl im Leben des 17 Jährigen alles ganz gut zu laufen scheint, hat er ein Problem, er selbst ist schwul. Hartnäckig versteckt er sein Geheimnis und ve...