Kaum hatte sie die Zimmertür hinter sich geschlossen, ertönte ein lautes grauenhaftes Geräusch im Raum. Erschrocken fuhr sie herum und sah sich selbst mindestens fünfundzwanzig mal. In diesem Raum standen überall Spiegel und alle waren entweder auf die Tür oder das Bett gerichtet. Sie riss ihren Blick von den ganzen Spiegeln los und konzentrierte sich auf das Bett in dem ihr dämlicher Bruder schlief und schnarchte bis die Wände bebten.
Leise schlich sie dort hin, zog ihren Dolch, setzte sich auf das Bett, neben ihren Bruder und hielt ihm die kalte Klinge an die Kehle. Er hörte augenblicklich auf zu schnachen und öffnete die Augen, die ihren eigenen so ähnlich waren, sich aber doch in einer Sache unterschieden. Seine leuchteten nicht. Er starrte sie ängstlich an.
"W... Was willst du hier?", fragte er leise.
"Ich will, dass du deine Entscheidung noch einmal überdenkst. Daron wird eines Tages hier sitzen, an meiner Stelle. Er wird dir die Klinge an den Hals drücken, so wie ich es gerade mache. Mit nur einem Unterschied. Er wird dir den Dolch in den Hals rammen und zusehen wie du stirbst. Er wird lachend hier sitzen, während du die letzten Sekunden deines Lebens erlebst.", erklärte sie ruhig.
Er fing an zu zittern.
"Wenn du meine Freunde und mich nicht unterstützt, wird er erst uns vernichten und dann sein Herrschaftsgebiet ausbreiten wollen, also überlege dir deine nächsten Schritte genau." Sie zog sich zurück und verschwand aus dem Zimmer. Dann folgte sie dem Geruch von Amber um ihr ein Zeichen zu geben, damit sie verschwinden konnte.
Sie blieb vor der Küche stehen und öffnete die Tür.
"Amber?"
"Hier bin ich."
"Kommst du? Es ist mitten in der Nacht, du musst schlafen."
"Ich komme schon." Sie beobachtete, wie das Mädchen sich von den Wachen verabschiedete und zu ihr herüber kam.
"Lass uns gehen."
Sie gingen zurück in den Gang auf dem ihre Zimmer waren.
"Hast du alles erledigt?"
"Ja er wird seine Entscheidung noch einmal überdenken."
"Gut. Gute Nacht. Bis morgen."
"Bis morgen."
Amber verschwand in Selinas Zimmer während sie selbst in Williams Zimmer schlich. Sie legte ihren Dolch und den Gürtel ab.
Vorsichtig legte sie sich zu ihm unter die Decke.
"Selina?", brummte er verschlafen.
"Ja, ich bins. Schlaf weiter.", antwortete sie sanft und leise.
Er zog sie an sich und schlief sofort wieder ein. Es dauerte nicht lange, bis auch ihre Augen zufielen und sie in einen traumlosen Schlaf glitt.Nathaniel erwachte, als jemand an seinem Zimmer vorbei ging. Er hatte nicht tief geschlafen. Wie auch, bei all den Sorgen?
Die Schritte waren viel zu leichtfüßig für eine Nachtwache. Da schlich eindeutig jemand herum und er würde der Sache auf den Grund gehen. Leise stand er auf, öffnete die Tür einen Spalt und sah auf den Flur.
Selina, wer auch sonst? Sie schlich zu Wills Zimmer und verschwand darin. Eigentlich nichts besonderes, wäre sie nicht aus der falschen Richtung gekommen. Ihr Zimmer lag links von Wills und seins rechts, sie hätte also nicht an seinem vorbei gemusst.
Was hatte sie jetzt wieder angestellt?
Sicher nichts gutes, so viel stand wohl fest, aber damit würde er sich morgen beschäftigen und nicht mitten in der Nacht.
Das Problem war, schlafen konnte er nun auch nicht mehr. Er setzte sich ans Fenster und starrte ins Zimmer. Wieder ein prunkvoller Palast. Noch viel Prunkvoller als in Larwenia und er fühlte sich hier überhaupt nicht wohl. Sowieso fühlte er sich extrem aufgewühlt.
Er richtete seinen Blick aufs Fenster, doch auch das half nichts. Nathaniel schloss die Augen und plötzlich hörte er eine Stimme.
"Weißt du, was dir helfen würde?"
Nathaniel öffnete die Augen und schrak zurück. Er starte auf sein eigenes Spiegelbild im Fensterglas. Das Problem war, es stand ihm in einer ganz anderen Pose gegenüber und grinste.
"Du weißt ganz genau, was dir helfen würde."
"Nein wovon redest du?"
Verdammt nun redete er schon mit seinen eigenen Spiegelbild, er verlor wohl den Verstand.
Sein anderes Ich grinste ihn verstohlen an.
"Oh doch du weißt es."
Es deutete auf einen Krug der auf dem Tisch nicht weit vom Fenster stand und eigentlich leer sein müsste.
Nathaniel blickte skeptisch hinein und sah eine dunkle Flüssigkeit. Er wusste sofort, was es war.
"Blut ... Dämonenblut ..."
War er etwa auf Entzug?
Aber nein der Zauber sollte das doch verhindern.
Verdammt irgendwas stimmte hier nicht. Selbst wenn es Entzug war, wieso dann gleich Halluzinationen und nicht erst Zittern?
"Aber ich bin keine Halluzination.", versicherte sein Spiegelbild und trat plötzlich heraus aus dem Glas. Es stand vor ihm, so real wie er selbst, doch er schüttelte den Kopf.
"Oh doch das bist du."
"Nein ich bin so echt wie du, ich bin du", es grinste und sprach weiter, "Deshalb kenn ich dich auch so gut. Du wusstest ja nie, wann du es bekommst, aber hättest du es gewusst wüsstest du auch, wie es wirkt. Daron sagte, es läßt uns leichter ausrasten, aber das stimmt nicht ganz. Es beruhigt uns, macht uns ganz kalt und alle Aufregung und Angst ist verschwunden."
Es nahm den Kelch und leckte sich über die Lippen.
"Das willst du doch. Keine Sorgen, kein Gewissen, keine Zwiegespaltenheit. Du wirst ruhig und vernichtest alles was dir auf die Nerven geht. Dieser Gestaltwandlerin könntest du mal so richtig das Fell über die Ohren ziehen."
Es hielt ihn den Kelch entgegen und Nathaniel starrte die Flüssigkeit einen Moment an, eh er seinem anderen Ich den Kelch aus der Hand schlug und
"Nein!", brüllte.
Die Flüssigkeit verteilte sich auf den Boden und plötzlich hörte er ein Quitschen hinter sich. Er drehte sich um und Avina sah zur Tür herein. "Nathaniel? Alles in Ordnung? Was ist hier für ein Krach?"
Sie trat ins Zimmer und er drehte sich zurück. Alles war verschwunden. Sein anderes Ich, das Blut, alles! Und der Kelch stand wieder auf seinen Platz.
"Ja es ... ich ... Alles klar", stammelte er und Avina ging zu ihm.
"Nathaniel, mach mir nichts vor!"
Er fing sich wieder und seufzte,
"Ich dachte nur ich hätte etwas gesehen. Ich hab wohl geträumt."
Avina glaubte ihm das. Ein Albtraum kam ihr im Moment nur all zu bekannt vor und sie setzte sich aufs Bett.
"Du hättest doch zu mir gekonnt."
"Ich wollte dich nicht wecken", log Nathaniel und setzte zu ihr.
"Aber nun wo du schon mal hier bist, können wir uns ja anders beschäftigen."
Sie knuffte ihn.
"Du weißt wie zweideutig das gerade klang?"
Nathaniel lachte.
"Vielleicht hab ich es ja so gemeint. Naja zumindest ein bisschen."
Er küsste sie und Avina erwiderte sofort.
"Du hast mich viel zu lange nicht mehr geküsst."
"Tut mir leid, es war einfach zu viel in letzter Zeit", entschuldigte sich Nathaniel und legte sich hin. Avina legte den Kopf auf seine Brust.
"Schon klar."
Er streichelte sanft durch ihr langes schwarzes Haar. Sie wusste ja gar nicht, wie gut sie ihm tat und gemeinsam schliefen sie ein.
DU LIEST GERADE
Larwenia 4 - Son Of Fear And Elements
FantasyAvina, Selina, Nathaniel und William machen sich auf den Weg, um mit dem König von Sondra zu verhandeln. Dabei werden sie jedoch von Darons persönlicher Attentätertruppe verfolgt, die eine Vergangenheit mit Nathaniel zu haben scheinen. Aber sie hab...