31. Kapitel. Rettung

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Amber lief durch den Wald Richting Süden, das Schloss war schon zu sehen, war allerdings noch weit entfernt.
Nach einer Weile erreichte sie den Waldrand und der Nebel baute sich wie eine Mauer vor ihr auf. Amber musste schucken. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Sie befahl den Wölfen hier auf sie zu warten und trat in den Nebel.
Den Kopf gesenkt und den Blick stur auf den Boden gerichtet, trabte sie los. Von überall her kamen seltsame Laute und manchmal sah sie etwas in ihr Blickfeld treten, aber sie sah stur auf den Boden. Sie wusste, dass die Dämonen nur darauf warteten, dass sie einen Fehler machte und sich umsah. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als schwarze, lange Klauen in ihrem Blickfeld auftauchten. Ihre Angst wuchs mit jedem Schritt den sie tat. Sie trabte weiter und weiter, den Blick immer auf den Boden gerichtet. Es fühlte sich an als seien Stunden vergangen, seitdem sie in den Nebel gegangen war. Irgendwann musste sie doch durch sein, oder hatte sie sich verirrt?

Plötzlich fuhr ein kräftiger Wind durch ihr Fell und der Nebel lichtete sich schlagartig. Sie hatte es geschafft. Sie war durchgekommen. Euphorie durchströmte sie. Jetzt musste sie sich überlegen, wie sie weitermachen würde.

Jack ging in seine Folterkammer oder wie er es nannte, sein Spielzimmer. Die Tür schloss er hinter sich und trat näher an den am Boden gefesselten Nathaniel heran. Er schaute ihn so böse an, als würde er sein Blut gleich in einen Haufen scharfkantiger Glasscherben verwandeln. Das würde er wahrscheinlich auch tun, wenn er nicht mit magieblockenden Ketten gefesselt wäre, was Jacks Glück war.
"Nun, willst du jetzt reden?"
Sein ehemaliger Freund antwortete nicht, sondern starrte ihn einfach weiter böse an.
"Du weisst, dass ich die Süße jederzeit her holen kann."
"Und warum hast du ihr nicht schon weh getan, du dreckiges Schwein?"
"Redet man so mit alten Freunden? Mich empört deine Ausdrucksweise. Und um auf deine Frage zu antworten, sagen wir, Daron will nicht unbedingt, dass ihr etwas zustößt. Das heisst, nur wenn du dich absolut querstellst, solle ich zu den psychisch belastenden Maßnahmen greifen. Also kann ich sie vor deinen Augen foltern, wie es mir Spaß macht, bis sie schließlich zerbricht." Er setzte sein irrstes Lächeln auf und strich sich seine Haare aus den Gesicht. Seine Augen brachten viele Menschen zum schreien. Diese Methode fand er besonders witzig. Seine Iris war kohlrabenschwarz. Man konnte den Unterschied zwischen Pupille und Iris nicht erkennen, weshalb, besonders die ältere Generation, meist sofort einen Herzkasper bekam. Sie hielten ihn für den Teufel in Person, wenn sie seine Augen sahen.
Aber leider hatten seine Augen nicht die gleiche Wirkung auf Nathaniel. Er war mit ihm aufgewachsen und hatte diese Augen daher sein ganzes Leben lang gesehen. Er ging zu seinem 'Werkzeugkasten' und schaute sich darin um. Plötzlich hörte er wie die Tür sich quitschend öffnete doch bevor er reagieren konnte spürte er einen stechenden Schwerz am Hinterkopf und sackte zu Boden. Das letzte was er sah, war ein nacktes Mädchen mit strahlend gelben Augen. Dann wurde alles schwarz.

"Amber?", fragte Nathaniel ungläubig. Sie lies die Keule fallen, die sie gegen Jacks Kopf gedonnert hatte. Das Teil war verdammt schwer.
"Ja, ich bins. Dieser Typ widerte mich an." Sie starrte auf Jack hinunter und bückte sich widerwillig, um ihn zu durchsuchen. Vielleicht hatte er die Schlüssel zu Nathaniels Fesseln irgendwo in einer Tasche oder am Gürtel hängen.
"Wie bist du hier reingekommen?"
"Spielt das jetzt eine Rolle? Wir müssen dich und dann Avina befreien. Soweit ich das gehört habe, hockt sie im obersten Turm fest."
"Wie bist du durch den Nebel gekommen? Ist das Blut an deinen Händen? Was hast du getan?" Sie hatte nicht nur Blut an den Händen. Sie hatte es genauer gesagt überall. Ihre Füße sahen aus, als wäre sie durch Blut gewatet.
"Oah Nathaniel, willst du mal ruhig sein? Haben wir jetzt Zeit für eine 'Gestaltwandler-sind-gewalttätig-Diskussion'? Ich glaube eher nicht. Außerdem bist du auch nicht gerade zimperlich. Also halt endlich die Klappe, sonst finde ich die Schlüssel nie, bevor er wieder aufwacht!"
"Ich glaube, er hat sie in der Brusttasche unter seiner Weste.", antwortete er. Sie hatte ja recht, allerdings hatte Nathaniel auch keine höhere Meinung von sich selbst als von Gestaltwandlern. Er fand ihre Art zu töten nur ziemlich brutal. Amber suchte dort, wo er gesagt hatte und fand schließlich, was sie suchte.
Triumphierend hielt sie die Schlüssel hoch.
"Nun mach endlich, bevor er aufwacht oder jemand herrein kommt."
"Wer sollte hier herrein kommen? Es ist keine der Wachen mehr übrig."
"Und noch einmal frage ich mich, was hast du getan?"
"Hör endlich auf zu fragen, das siehst du dann, wenn wir hier raus gehen."
Sie testete die einzelnen Schlüssel bis schließlich einer passte.
Sie schloss die Fesseln auf und ließ Nathaniel aufstehen.
"Du solltest dir etwas anziehen.", sagte er schließlich.
"Wieso? Ich sehe keinen Sinn dahinter. So kann ich mich schneller verwandeln und außerdem hab ich gerade keine Kleidung dabei."
"Na schön. Bleibe dicht bei mir und keine Alleingänge!", forderte er sie missgelaunt auf. Er ging zu einem der Tische auf dem sein Schwert lag und schnallte es sich um.
"Kann das Gemetzel losgehen?", fragte sie und hatte ihre Hand schon an der Tür. Er nickte und folgte ihr in den Flur. Entsetzt blieb er in der Tür stehen.
Was hatte dieses Mädchen getan?
Der Boden war mit Blut bedeckt und überall lagen Arme, Beine und sogar Köpfe herum. Das waren die Überreste von vier Wachen.
"Ging das nicht etwas unauffälliger?", fragte er fassungslos. "Wenn jemand dieses Blutbad findet, weiß er doch sofort, dass etwas nicht stimmt."
"Fängst du schon wieder damit an? Hinterfrage meine Kampfkünste nicht! Lass mich einfach machen!", zischte sie und verwandelte sich wieder in einen Wolf. Sas waren keine Kampfkünste, das waren Schlachtkünste. Er wollte gar nicht wissen, was das Mädchen erst mit einem Messer oder gar einem Schwert anstellen würde.
Er schüttelte den Kopf und ging weiter. Er war auch nicht gerade unschuldig aber er zerfetzte seine Opfer zumindest nicht.

"Komm schon!", forderte Nathaniel Amber auf. Immer weiter stiegen sie die Treppe zu Avinas Turm hinauf. Sie waren fast oben, als eine Stimme brüllte:
"Halt! Was wollt ihr hier? Wer seid ihr?"
"Willst du oder soll ich?", fragte Nathaniel sie.
"Mach du. Bei dir gibts es weniger Sauerrei. Au!", sie starrte auf ihre Schulter, in der jetzt ein Bolzen steckte.
Dann sah sie zu der Wache mit der Armbrust.
"Das war nicht nett.", sagte sie und hörte sich dabei wie ein kleines Kind an. Die Wache starrte sie verwirrt an, bevor er nach hinten umkippte und aus dem niedrigen Fenster fiel. Sie zog schnell den Bolzen mit dem Maul aus ihrer Schulter und wandte sich dann wieder ihm zu.
"Und das war auch nicht sonderlich nett, Nathaniel."
"Da hängen die Schlüssel!", rief er. Amber drehte sich um. Tatsächlich, dort unübersehbar hingen sie an einem Harken. Er fischte die Schlüssel vom Harken und schloss die Tür zum Turm auf. Vorsichtig öffnete er die Tür und lugte hinein.
"Avina?"
"Oh um Himmels Willen, du bist es.", erklang ihre Stimme hinter der Tür.
Er schaute neugierig hinein und sah wie Avina ihre Hand senkte. In dieser hielt sie einen Stein den sie offensichtlich aus der Wand gearbeitet hatte.
"Wolltest du den nächsten der hier rein kommt etwa erschlagen?", fragte er amüsiert.
"Um ehrlich zu sein, ja.", keuchte sie und fiel ihm um den Hals. Amber trat auch herein, jetzt wieder in Menschengestalt, und sah aus dem großen Fenster.
"Amber, würdest du dir bitte etwas anziehen?"
Avina spürte, wie Nathaniel ein Lachen unterdrücken musste.
"Och na schön, da ihr alle ja so ein Problem damit habt."
Sie ging hinaus und ein paar Stufen die Treppe hinunter wo eine weitere tote Wache lag. Sie zog diese aus und zog sich an. Die Klamotten waren etwas zu groß doch sie ging zurück zu Avina und wieder zu dem Fenster.
Sie starrte hinaus.
"Der Kampf hat begonnen."
"Wieso ist Selina eigentlich nicht hier?", fragte Avina und Nathaniel warf ihr einen leidenden Blick zu.
"Selina wurde von Rose mit einem vergifteten Dolch erwischt und ist bei Sidian die Klippe hinuntergestürzt."
Jegliche Farbe wich aus Avinas Gesicht, aber sie behielt sich unter Kontrolle.
"Lasst uns Daron finden und ihn dafür büßen lassen, was er uns allen angetan hat.", rief sie und stürmte die Treppr hinunter. Dafür würde er büßen.
"Moment mal, wo willst du hin?"
"Ich gehe Daron suchen. Hab ich doch gesagt."

Larwenia 4 - Son Of Fear And ElementsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt