13.Kapitel. alles geklärt

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William kam am Nachmittag herein und trank erstmal einen Schluck.
"Ich glaube, ich habe mir den Mund fusselig geredet."
"Und ist jetzt alles klar?", fragte Avina.
William nickte.
"Er braucht aber Zeit, um die Truppen bereit zu machen. Allerdings gibt er uns gleich fünfzehn Männer mit, die uns im Lager unterstützen sollen und auch Proviant und sowas."
"Und was erwartet er als Gegenleistung?", fragte Nathaniel.
"Falls wir siegen und ich König werde, einen ganzen Haufen Magischer Edelsteine, aber nicht so viele, dass wir dann keine mehr haben."
Nathaniel nickte.
"Das klingt in Ordnung."
Selina musste ihm wirklich einen ganz schönen Schrecken eingejagt haben.

Kurze Zeit später saßen sie alle im Gartem auf einer Bank und Selina lächelte vor sich hin.
Amber stupste sie an.
"Darf ich dich fragen, wie viele Wölfe du in deinem Rudel hast?", fragte sie, als sie sich ihr zugewandt hatte.
"Also ich habe zwei Rudel zusammengeschlossen und insgesamt sind es jetzt ungefähr vierzig Wölfe.
Wie viele sind es bei dir?"
"Ungefähr fünfzehn. Also ein relativ kleines Rudel. Wo ist dein Rudel eigentlich?"
"Ich habe sie im Lager gelassen, damit sie es vor Eindringlingen schützen."

Selina stand auf und sofort richtete sich Nathaniel Blick auf sie, als wäre sie etwas höchst explosives.
"Wo gehst du hin?", fragte er alarmiert.
"Ich gehe mich bedanken.", antwortete sie gelassen.
"Und du wirst mich nicht davon abbringen."
Er knurrte leicht.
"Ich hoffe du richtest keinen Schaden an."
"Werde ich nicht. Versprochen."
Die anderen sahen sie verwirrt an, bis Avina fragte:
"Was ist passiert?"
"Lasst es euch von Nathaniel erklären. Ich bin kurz weg."
Damit verschwand sie durch die Tür.

Sie betrat leise den Thronsaal und schloss die Tür hinter sich. Der König stand am Fenster und stierte hinaus.
"Hallöchen Bruderherz.", rief sie fröhlich. Plötzlich verspannte er sich und sie konnte den Angstschweiß riechen, der sofort aus ihm ausbrach.
"Was willst du?", fragte er, konnte aber seine Angst in der Stimme nicht unterdrücken.
"Ich wollte mich bedanken, dafür dass du es dir nochmal überlegt hast.", sagte sie sanft und trat näher.
Er wich rasch zurück und starrte in ihre Augen. Plötzlich blieb er stehen und starrte sie neugierig an.
"Was bist du?"
"Deine Schwester. Hast du das schon vergessen?"
"Nein, das meinte ich nicht. Deine Augen sind nicht normal. Wir haben zwar die gleichen Augen, aber deine haben etwas animalisches und leuchten in der Nacht, wenn etwas Licht auf sie fällt. Also, was bist du?"
Sie lächelte.
"Ich bin das, was in Larwenia am meisten in den Dörfern gefürchtet und hier geliebt wird."
Er starrte sie noch etwas länger an, bis seine Augen einen wissenden Ausdruck annahmen.
"Du ... du ... bist ein Gestaltwandler."
"Das hat aber länger gedauert, als ich dachte."
"Aber wie?"
"Unsere Mutter trug ein Gen in sich, das sie an uns weitervererbt hat. Ob du es ausleben kannst, weiß ich nicht. Aber ich kann mich in eine Wölfin verwandeln."
"Sie hat mir nie ... Moment mal. Sagtest du, dass sie das Gen 'trug'? Trägt sie es jetzt nicht mehr in sich?"
"Sie ist tot und unser Vater auch."
"Wieso?"
"Dämonen haben sie umgebracht."
"Aus Xadrien...", hauchte er.
"Ja und das ist einer der Gründe, warum ich mit William in den Krieg ziehen werde."
Er sagte nichts weiter, sondern starrte wieder aus dem Fenster. Sie ging langsam zur Tür zurück, um ihn seinen Gedanken zu überlassen.
"Wie hast du überlebt?"
"Mum hat mich auf die Akademie geschickt, kurz bevor sie starb. Es war ihr letzter Wunsch."
"Du hast sie sterben lassen?!", fragte er erst fassungslos, dann wurde sein Gesicht rot vor Wut. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Selina erstarrte und glaubte nicht, was sie da hörte, bis ihr Bruder lauter wurde.
"Du hast unsere Mutter sterben lassen?! Wie konntest du nur?!?"
"Sie lag im Sterben. Ich hätte sie nicht retten können. Außerdem hat sie mich gezwungen zu gehen."
"Raus! Verschwinde aus meinen Augen!"
Scheinbar hatte er seinen Mut wiedergefunden. Fassungslos starrte sie ihn an, bevor sie wütend aus dem Raum stürzte. Sie ging auf ihr Zimmer und legte sich aufs Bett. Gerade wollte sie in Gedanken versinken, als sich die Zimmertür öffnete.
"Darf ich reinkommen?", fragte Will sanft. Sollte er nicht noch bei den anderen im Garten sein? Warum war er hier?
Sie grummelte zustimmend und er setzte sich auf das Bett.
"Was ist passiert? Du wirkst durcheinander und aufgelöst."
"Er denkt, ich hätte unsere Mutter sterben lassen.", sagte sie und hoffte, dass sich ihre Stimme nicht wirklich so belegt anhörte. Sie hatte sich aufgesetzt und neben Will gesetzt.
Scheinbar hörte sich ihre Stimme wirklich belegt an, denn er legte einen Arm um sie und zog sie an seine muskulöse Brust. Ohne dass sie sie zurückhalten konnte, lief ihr eine einsame Träne über die Wange.
Nicht, weil ihr Bruder so von ihr enttäuscht war, sondern weil sie immernoch um ihre Eltern trauerte und weil sie selbst manchmal daran dachte, was geschehen wäre, wenn sie ihre Mutter hätte retten können.
Sie vergrub ihr Gesicht an Wills Brust und ließ den Tränen freien Lauf. Er sagte nichts, sondern hielt sie einfach im Arm, was sehr tröstlich war.

Wills T-shirt wurde nass, aber das störte ihn nicht. Sie brauchte jetzt jemanden, der ihr Trost spendete und er verstand das nur zu gut. Irgendwann erstarb ihr Schluchzen und das Beben ihrer Schultern. Sie löste sich von ihm und wischte sich über die Wangen.
"Danke", sagte sie heiser.
"Nichts zu danken. Ich wusste, dass du das mal brauchtest. Du kannst nicht ewig auf taff machen."
"Schwäche zeigen, sollte man als Alpha eigentlich nicht, sonst wissen sie, wo sie dich angreifen können."
"Dein Rudel ist nicht hier. Niemand sonst ist hier und kann deine Schwäche sehen. Nur ich und ich werde einen Teufel tun und anderen verraten, wie sie dich angreifen können oder dich selbst angreifen."
Selina lächelte zaghaft.
"Mein Bruder ist ein riesiger Mistkerl. Am liebsten hätte ich ohne die Gewissheit, einen Bruder zu haben, weiter gelebt."
"Man kann sich seine Geschwister nicht aussuchen und deine Eltern haben dir nie gesagt, dass es ihn gibt?"
Sie schüttelte den Kopf.
"Wahrscheinlich dachten sie, dass er tot ist. Das Schlimme ist, dass ich sie jetzt nicht einmal fragen kann, warum sie das gemacht haben."
Es klopfte an der Tür.
"Herein."
Amber streckte ihren Kopf hinein und sagte:
"Der König will euch jetzt seine fünfzehn Männer vorstellen, die uns begleiten werden."
"Wir kommen gleich."
"Ist gut."
Sie verschwand wieder und William stand auf und hielt ihr seine Hand hin.
Sie nahm sie und wollte seine Hand loslassen, als sie gerade stand, aber er hielt sie fest, zog sie nocheinmal eng an sich und küsste sie kurz. Geneinsam gingen sie aus dem Zimmer. Die Hände immernoch ineinander verschlungen.

Larwenia 4 - Son Of Fear And ElementsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt