27. Kapitel. Aufgaben

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Amber ging zurück ins Lager.
"Hey, ich bin wieder ..."
Sie ließ die Stöcke und Äste fallen, die sie aufgesammelt hatte. Ihr Lager war ein einziges Chaos. Riesige Fußspuren waren in der Erde zu sehen. Der Geruch von Bär lag in der Luft.
"Selina? Nathaniel? Wo seid ihr?" Sie folgte den Spuren zur Schlucht, die an der Felskante endeten. Plötzlich vernahm sie eine Bewegung auf der anderen Seite der Schlucht. Sie sah genauer hin. Das war diese Rose. Die, gegen die sie so oft gekämpft hatten. Und ihr Dämon hatte etwas in den Klauen als er losflog. Sie erstarrte. Der Dämon hatte Nathaniel. Aber wo war Selina?
"Sie ist die Schlucht runter gefallen.", sagte eine Stimme hinter ihr. Blitzschnell fuhr sie die Krallen und Reißzähne aus, bereit sich zu verteidigen, falls es der Feind war und fuhr herum. Aber es war nicht der Feind, es war Kyle. Scheinbar war er über ihren Anblick leicht geschockt.
"Was meinst du damit, sie ist gefallen? Was ist überhaupt passiert? Und wieso hast du nicht geholfen, als du gesehen hast, dass sie Hilfe benötigten?", zischte sie.
"Bevor du mich anfauchst, lass mich erstmal einige Dinge klarstellen kleines Mädchen.
Erstens meinte ich damit, was ich sagte. Selina ist die Schlucht hinunter gefallen und vorher hatte Rose ihr ihren Dolch in die Schulter gerammt.
Zweitens hat Rose sie in einen Hinterhalt gelockt. Sie hat einen riesigen Dämonen, der die Gestalt eines Bären hatte, auf die beiden gehetzt, um sie in ihre Arme zu treiben. Dort hatte sie Selina eliminiert und Nathaniel bewusstlos geschlagen. Der Bär hatte übrigens auch die Wölfe vertrieben.
So und nun zu deiner dritten Frage. Ich konnte ihnen nicht helfen, da Rose ja denkt, dass ich tot bin und Nathaniel und Selina mich für den Feind halten. Sie hätten mich getötet, wenn ich auch nur in ihre Nähe gekommen wäre."
Eine einsame Träne rollte ihre Wange hinunter. Diesen Sturz konnte Selina nicht überlebt haben. Nicht diese knapp einhundert Meter tiefe Schlucht. Schon gar nicht mit einer Wunde an der Schulter, die stark blutete. Es flossen immer mehr Tränen und kurz darauf fing sie an zu schluchtzen. Ihre einzige und richtige Freundin war nun tot. Ihre Alpha. Verdammt, wie sollte sie Selinas Wölfe in die Schlacht führen. Sie hörten nicht auf sie, so wie ihr eigenes Rudel. In ihren Augen war sie noch ein Welpe. Plötzlich berührte etwas ihre Wange und wischte ihre Tränen weg. Amber sah leicht verwundert auf. Kyle stand dicht vor ihr und hatte seine Hand auf ihre Wange gelegt. Sanft streichelte er mit seinem Daumen über ihre Wange. Mit dem anderen Arm zog er sie an sich und umarmte sie fest. An seiner Brust weinte sie sich aus. Er streichelte ihr tröstend über den Rücken und flüsterte:
"Shhh, nicht weinen. Alles wird gut."
"Was sollen wir jetzt machen?", fragte sie nach einer Weile.
"Du wirst die Wölfe wieder einsammeln und weiter zum Schloss wandern. Nur musst du allein durch den Nebel laufen. Wenn du die Wölfe mit nimmst, sterbt ihr alle."
"Wie soll ich durch den Nebel kommen?"
"Das ist einfach. Du darfst nicht nach links oder rechts schauen, auch nicht nach oben. Schau auf den Boden vor deinen Füßen und laufe einfach stur weiter, egal was für Füße du im Augenwinkel siehst, was du für Stimmen oder Laute hörst, die weiter vorne oder neben dir erscheinen. Lauf einfach durch. Irgendwann wird sich der Nebel lichten und das Schloss erscheint dann vor dir. Lass dich nicht ablenken, dort sind Dämonen drin, sehr viele sogar, aber schau dich niemals um. Denn das wird sie anlocken, diese Angst, vor dem, was sich noch in diesem Nebel verbirgt. Diese speziellen Dämonen sind für den Nebel gezüchtet und werden von Angst angelockt. Bitte, schaue dich niemals in diesem Nebel um, denn sobald du drin bist, werden sie versuchen, dich dazu zu bringen, dich umzusehen. Wie genau sie sich verhalten werden, kann ich nicht genau sagen. Rose weiß alles über sie. Ich nur einen Bruchteil." Er lächelte traurig.
"Und was machst du in der Zeit?"
"Ich suche Selina."
"Sie wird nicht mehr leben. Ganz bestimmt nicht mehr."
"Laut dem, was ich gesehen und gelernt habe, hat sie schon ganz andere Dinge überlebt. Zum Beispiel ein ziemlich kräftiges Gift, das an der Dolchspitze von Jacks Vater Ludmar gehaftet hatte."
"Wann soll das gewesen sein?"
"Vor einigen Monaten."
Sie starrte ihn an.
"Ich dachte, ihr seid alle in einer großen Burg groß geworden, ohne eure Eltern." Sie hatte sich von Nathaniel auf den neuesten Stand bringen lassen, als sie unterwegs nach Nordel waren.
"Jack ist der Einzige, dessen Vater damit einverstanden war, dass er ginge, wenn er nur mitkommen dürfte, damit er seinem einzigen Sohn seine Handwerkskunst beibringen konnte. Das Foltern und damit das Beschaffen von Informationen. Daron war einverstanden und überwachte die Erziehung und die Ausbildung. Er war sichtlich zufrieden, als Jack die Ausbildung abgeschlossen hatte. Sein Vater war allerdings für ihn nun nutzlos. Er schickte ihn aus, um Informationen aus Larwenia zu bekommen. Soweit ich weiß, hat Selina ihn umgebracht, weil er sie entführt und gefangen gehalten hatte. Genau weiß ich es allerdings nicht."
Sie schwieg. Eigentlich wollte sie noch mehr über Selina erfahren, aber sie wusste ja nicht ob er die Wahrheit sagte oder nur Gerüchte weitergab.

Plötzlich raschelte es im Gebüsch und einer der Wölfe kam mit eingezogenem Schwanz und angelegten Ohren auf sie zu. Er wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte und kam nun unterwürfig zurück. Sie knurrte ihn bösartig an und dieser warf sich sofort auf den Rücken und unterwarf sich ganz.
"Wir sollten los. Ich nehme Nathaniels Pferd.", sagte er und löste sich von ihr.
"Ich weiß nicht, ob er dich annimmt."
"Das wird er schon. Pferde lieben mich.", damit ging er zurück zum Lager. Seufzend folgte sie ihm.
Als sie dort ankam, stand er gerade neben Kassiopeia und versuchte auf den Rücken des Hengstes zu kommen, dieser sich jedoch weigerte ihn aufsitzen zu lassen. Er versuchte es erneut und saß schon fast im Sattel, als der Hengst sich aufbäumte und ihn abwarf.
"Lass es sein! Er wird dich nicht lassen."
Sie ging näher und nahm ihm die Zügel aus der Hand. Vorsichtig befestigte sie sie am Sattel, zog die Steigbügel weit hoch, damit die den Hengst nicht beim Laufen hinderten und ließ das Pferd los.
"Was tust du da?", fragte Kyle hinter ihr.
"Ich schicke ihn zurück ins Lager. William wird ihn brauchen können. Hier wird er nicht mehr von Nutzen sein."
Sie legte ihre Stirn an die des Pferdes und übertrug ihren Gedanken auf das Pferd. Geh zu William zurück.
Mehr brauchte das Tier gar nicht. Kassiopeia drehte sich um und galoppierte davon. Lächelnd sah sie hinterher.
"Wie hast du das gemacht?"
"Ich kann Gedanken übertragen."
"Wie Krankheitserreger?", fragte er schief lächelnd.
Sie lachte auf.
"Nein ganz so einfach ist es dann doch nicht. Ich muss es wirklich wollen, dann wird da auch was draus."
"Ich gehe dann mal los."
"Okay.", antwortete Amber. Er kam näher und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Wange und verschwand dann schließlich in der Dunkelheit. Sie fasste sich irritiert an die Wange und spürte wie diese angenehm brannte. In ihren Bauch kribbelte es und kurz überlegte sie, was zwischen ihr und Kyle sein könnte, wenn das alles hier vorbei war. Sie schüttelte sich, um diesen Gedanken zu verwerfen. Das zwischen ihnen würde nichts werden. Er fand bestimmt, dass sie zu jung für ihn sei. Seuftzend machte sie sich auf die Suche nach den restlichen Wölfen.

Larwenia 4 - Son Of Fear And ElementsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt