7. Kapitel. Amber

131 23 2
                                    

Will beobachtete, wie Selina mit einem braunen Wolf durch die Gegend rannte. Sie schienen zu spielen, aber irgendwie traute er der ganzen Sache nicht. Selina sprang auf den Rücken des fremden Wolfes und hielt ihn am Boden fest.
"Selina?", fragte er vorsichtig.
Sie hob den Blick und sah ihn mit ihren Blaugoldenen Augen an.
"Wer ist das?", fragte Avina. Auch sie hatte scheinbar bemerkt, dass der Wolf nicht normal war.
"Das ist Amber. Sie ist auch eine Gestaltwandlerin aber erst fünfzehn Jahre alt.", bei dieser Bemerkung knurrte sie Amber kurz an, diese fiepte leise und legte die Ohren an.
"Und was macht sie hier?", fragte Will nun.
"Sie wird uns zum König bringen. Scheinbar mag der Gestaltwandler."
Sie ging von Amber runter und setzte sich dicht neben ihn. Amber stand auf und schüttelte sich, dann starrte sie von Will zu Selina und wieder zurück.
Irgendetwas verriet William, dass er gar nicht wissen wollte, was zwischen den beiden vorging. Er griff in Selinas Fell und fing an ihren Rücken zu kraulen. Er hatte das Gefühl sie irgendwie trösten zu müssen, da er gesehen hatte, dass Nathaniels Worte nicht spurlos über sie hinweg gespühlt waren. Er hatte schon damals am See bemerkt, dass es ihr gefiel. Und das tat es auch jetzt. Sie entspannte sich fast völlig und widmete ihm ihre ganze Aufmerksamkeit.
Amber gab irgendeinen Laut von sich und Selina bellte sie wütend an.
Avina verstand das irgendwie und stand auf.
"Komm Amber! Wir gehen ein bisschen laufen. Ich will mich mit dir unterhalten."
Kaum waren sie weg, fragte Will Selina.
"Was war das eben?"
"Was war was?", fragte sie blinzelnd. Er kraulte ihr nun den Bauch, da sie sich auf den Rücken gelegt hatte. Dabei hatte sie die Augen geschlossen gehalten.
"Das mit Amber?"
"Oh das, das ist nicht weiter wichtig."
"Glaubst du, wir können ihr trauen?"
"Auf jeden Fall. Sie ist noch jung und hat keinerlei Erfahrungen, was zwischenmenschliche Beziehungen angeht. Aber sie hat uns vorhin geholfen die komische Weißhaarige abzulenken. Ich finde wir können ihr vertrauen."
"Gut", sagte er und kraulte sie weiter.

Avina sah nochmal seufzend zurück. Sie könnte die beiden gerade ohrfeigen.
Nagut, dass er Nathaniel k.o. schlug war eine typische dumme Jungsreaktion, aber dann tollte sie mit der Wölfin herum und kuschelte jetzt mit Will. Sie mussten verflucht nochmal weiter. Diese Kerle würden sicher zurück kommen.
"Wo gehen wir hin?", fragte Amber. "Zu Nathaniel", sagte sie, als sie ihn auch schon erreichten. Sie hatten sich schließlich nicht weit von ihm entfernt.
Avina beugte sich zu ihm hinunter und streichelte vorsichtig über seine Wange.
"Nathaniel, du musst aufwachen.", sagte sie, doch er regte sich nicht.
"Lass mich mal", rief Amber und leckte ihm einmal quer übers Gesicht, eh Avina protestieren konnte.
Es war absolut ekelhaft, doch erzeugte die erwünschte Reaktion.
Nathaniel öffnete die Augen und hielt sich den Kopf.
"Was zum?"
Er brauchte einen Moment, um sich zu erinnern und wurde wieder sauer, als er es tat.
"Habt ihr mich niedergeschlagen!?"
"Tut mir leid. Will war wohl irgendwie überfordert."
"Überfordert", schnaubte Nathaniel und Avina nuschelte:
"Du warst auch ganz schön sauer."
"Ja und ich werde mich auch nicht dafür entschuldigen."
Nathaniel verschränkte die Arme. "Wir hatten das geklärt. Es hieß, ihr bleibt im Lager und was macht ihr? Avina, du setzt hier grundlos dein Leben aufs Spiel."
"Grundlos würde ich das nicht nennen. Ihr saßt ganz schön in der Scheiße", konterte Avina, doch Nathaniel ließ sich davon nicht beeindrucken.
"Diese Druckwelle hätte ich auch ohne eure Ablenkung zustande gebracht!"
"Warum hast du es dann nicht eher getan?"
"Weil ich es nicht wollte."
Avina sah ihn verblüfft an und Nathaniel seufzte. In dem Moment schien er so wie ein kleines Kind. "Versteh doch, das waren meine Freunde, die einzigen die ich je hatte, ich wollte mit ihnen reden. Sie davon abbringen, dass wir uns gegenseitig vernichten", dann wurde sein Ausdruck wieder hart, "aber wegen euch hatte ich ja nicht mal die Chance dazu."
Er rappelte sich auf.
"Los wir verschwinden, eh Rose aufwacht und sie zurück kommen. Ich will dich hinter dicken Mauern und nicht als wandelnde Zielscheibe, wenn sie uns das nächste Mal begegnen."
Avina nickte, auch wenn sie nicht damit zufrieden war, das er sie nur als Angriffsziel sah, sie konnte sich verteidigen, aber sie wusste ja, er wollte sie nur beschützen.
Zusammen liefen sie zu Will und Selina als er sich plötzlich nochmal umdrehte.
"Sag mal, das ist doch keiner von Selinas Wölfen", er musterte Amber skeptisch und Avina erklärte:
"Sie ist gar keine Wölfin. Sie ist ein Gestaltwandler wie Selina."
Nathaniel nahm das schweigend hin. Toll, nun hatte er noch so eine instinktgesteuerte Tussi am Hals, die nie hörte, wenn er etwas sagte und immer aufs Kämpfen aus war. "Eigentlich hätte ich damit rechnen müssen, Sondra ist voll mit Gestaltwandlern."
"Wirklich?", mit sowas hatte Avina sich nie beschäftigt.
"Natürlich. Jedes der Königreiche ist für etwas berühmt. Xadrien für Dämonen und schwarze Magie. Larwenia für Drachen und weiße Magie. Logisch da sowohl Dämon und Drachen viel mit der jeweiligen Magie zu tun haben. Sondra hat die natürlichste Form von Magie. Elementarmagie und ist voll von Dryaden, Gestaltwandlern, Nymphen und was es sonst noch an naturverbundenen Wesen gibt. Nur hier werden sie wirklich akzeptiert. In Larwenia eher gefürchtet und deshalb oft gejagt und in Xadrien", er seufzte, "Dort kann man mit allem, was etwas besonderes ist, Geld machen. Viele Fürsten haben magische Wesen als Wachen oder Sklaven. Deshalb hatten Ludmar und Tom damals Selina entführt. Sie wäre eine Menge wert gewesen."
"Er hat recht", bestätigte Amber und auch Avina hatte es verstanden. Sie war allerdings neugierig geworden. "Und was ist mit Kalistrien?"
Amber knurrte.
"Die sind am schlimmsten."
"Sie glauben zwar an Götter aber Magie ist verboten und sie jagen und töten alle magischen Kreaturen. Nicht wie in Larwenia aus Angst und Unverständnis, sondern einfach aus Hass. Wer dort als Gestaltwandler oder Magier lebt, muss sich verstecken und darf seine Kräfte niemals offenbaren."
Avina schüttelte den Kopf.
"Wie furchtbar."
Amber nickte.
"Deshalb fliehen fast alle Magiebegabten von dort in die anderen Ländern."
"Jetzt wo du es sagst, auf dem Schloss hatten wir eine Wache aus Kalistrien. Ihre Haut war viel dunkler und er hat immer von einem Land voll Sand erzählt."
Nathaniel nickte.
"Es ist zu einem Großteil Wüste. Die Flüsse aus den Bergen reichen nicht mehr hinein und der Regen dringt nicht weit genug ins Landesinnere."
"Ich habe noch nie Wüste gesehen.", meinte Avina und Nathaniel lächelte. "Wenn das alles vorbei ist und wir es wie durch ein Wunder unbeschadet überstehen, zeige ich dir Xadrien. Wir haben auch etwas Wüste. Das Schloß in dem ich den Großteil meiner Kindheit verbracht habe, steht mitten drin."
"Das würde ich wirklich gerne sehen.", lächelte Avina und lief dann weiter zu Will.
"He ihr zwei, wir müssen los."

Larwenia 4 - Son Of Fear And ElementsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt