30.Kapitel. verletzt

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Selina drehte sich auf den Rücken und trat die Decke weg. Es war zu heiß, sie schwitzte am ganzen Körper. Die Wunde an ihrer Schulter pulsierte und war angeschwollen. Es tat einfach nur weh. Vorsichtig setzte sie sich auf.
"Bleib liegen! Du hast Fieber." Nahel trat näher an sie heran. Er war seitdem sie angekommen war, ihr Wächter. Er wich ihr nicht von der Seite, was sie wirklich beunruhigte.
"Ich kann nicht den ganzen Tag liegen bleiben und mir ist durchaus bewusst, dass ich Fieber habe. Kannst du mir aufhelfen? Ich will wissen, wie die Wunde aussieht." Sie wollte zu dem großen Standspiegel.
"Vielleicht solltest du noch warten, bis es dir besser geht.", antwortete er.
Sie sah ihn skeptisch an.
"Wir wissen beide, dass es nur noch schlimmer werden wird, also will ich jetzt wissen was los ist, bevor ich gar nicht mehr aufstehen kann."
"Na gut.", knurrte er und streckte ihr die Hand entgegen. Sie nahm sie und ließ sich aufhelfen. Ihre Beine waren schwach und wackelig. Sie wollte vorsichtig einen Schritt machen, doch ihr Bein brach unter ihr weg. Sie machte sich bereit für den Aufprall, doch der kam nicht. Zwei muskulöse Arme schlangen sich um ihren Bauch und hielten sie fest. Verblüfft wandte sie ihr Gesicht Nahel zu. Dieser hielt sie nur fest und sagte nichts.
"Danke.", murmelte sie. Er stellte sie wieder hin und stützte sie. Als sie vor dem Spiegel ankam, drehte sie diesem den Rücken zu und zog das weite luftige Top so weit runter, dass sie die Wunde sehen konnte.
Sie war länger und tiefer als sie erwartet hatte. Die Ränder waren wulstig und eine helle undurchsichtige Flüssigkeit lief heraus. Eiter.
Normalerweise wäre sie nach zwei Tagen bereits weg, doch sie verheilte einfach nicht. Irgendetwas war an dem Dolch gewesen, das eine Heilung verhinderte. Noch dazu kam ihr der Verdacht, dass noch irgendwelches Gift an dem Dolch war, da der Rand der Wunde dick angeschwollen war und eine grünliche Farbe angenommen hatte. Warum war sie nicht gleich im Fluss geblieben? Nun würde sie hier an Land viel qualvoller sterben, als wenn sie ertrunken wäre. Sie seufzte.
"Warum gerätst du nicht in Panik?"
"Willst du wissen, wie oft ich in meinem Leben dem Tod ins Auge geblickt habe? Oft genug, Nahel, oft genug. Aber dieses Mal wird mein Leben wirklich ein Ende nehmen, wenn Angeni keine Medizin findet."
Er schwieg. Wahrscheinlich hatte sie ihn mit ihren Worten erschreckt. Doch plötzlich zog er sie an seine Brust und sah ihr tief in die Augen.
"Ich muss zugeben, dass deine Augen durchaus sehr schön sind.", hauchte er. Sein Gesicht kam immer näher und seine Hand glitt über ihre Wange.
"Lass das!", fauchte sie.
Sein Gesicht nahm einen verwirrten Ausdruck an, wich aber kein Stück zurück.
"Wieso sollte ich?", fragte er schließlich.
"Weil ich immernoch um mich beißen kann.", knurrte sie warnend. Angeni kam herrein. Scheinbar erkannte sie die Situation, denn ihr Gesichtsausdruck wurde wütend. Sie kam zu ihnen und riss Nahel von ihr weg, blieb aber bei ihr, um ihr eine Stütze zu sein.
"Nahel geh! Sofort! Und wenn du sie noch einmal ohne ihr Einverständnis berührst, ist der Teufel los!", fauchte sie ihn an. Er knurrte und ging zum Zelteingang.
"Knurr mich nicht an!", schrie Angeni ihm nach, als er nach draußen verschwand.
Sie wandte ihr wieder den Blick zu und ihre Gesichtszüge wurden weich.
"Komm setz dich auf den Stuhl. Ich wusste, dass du irgendwann aufstehen würdest, weil du nicht mehr liegen kannst.", sagte sie freundlich.
"Hast du etwas gefunden?", fragte Selina, als sie sich niedergelassen hatten.
Sie schüttelte den Kopf.
"Nein tut mir leid. Ich suche noch, die alten Schriften sagen nichts über dieses Gift. Scheinbar wurde es neu gemixt."
"Können wir es mit Mädiankraut versuchen? Ich wurde schon einmal vergiftet und dieses Kraut hat mir geholfen."
"Das Problem ist, dass ich einen Suchtrupp und den Sumpf aussenden müsste. Durch Darons Belagerung sind wir immer weniger geworden, da wir ihm ein Dorn im Auge sind. Ich würde das Dorf ihm damit schutzlos ausliefern."
"Okay, dann müssen wir eine andere Lösung finden."
Nachdem sie etwas gegessen hatte, begleitete Angeni sie wieder auf die Decke. Dort schlief sie wieder ein.

Irgendwann in der Nacht wachte sie auf. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Sie war nicht allein. Neben ihr kniete eine vermummte Gestalt. Sie hielt ihr die Hand auf die Stirn.
"Verdammt.", murmelte die Gestalt und die Stimme kam ihr bekannt vor, nur wusste sie nicht woher. Sie schlug die Augen auf und sah den Mann an. Er stolperte zurück und die Kapuze fiel aus seinem Gesicht. Sie schrie auf und wich zurück. Sie ignorierte alle Schmerzen.
Es war ...
"Kyle!"
Er zischte sie an.
"Verdammt, kannst du nicht ein bisschen leiser sein? Ich will dir doch nur helfen."
"Helfen in den Tod zu gehen."
"Nein. Helfen, um wieder gesund zu werden. Wöllte ich dich töten, hätte ich es längst gemacht. Also, zeig mir mal die Wunde!"
Sie blieb misstrauisch.
"Was hat dich dazu gebracht, die Seite zu wechseln?"
"Eure Argumente. Daron behandelt uns wirklich alle wie Marionetten und da er glaubt, dass ich tot sei, trifft sich die Gelegenheit gut, um die Seite zu wechseln.", sagte er und sah ihr dabei in die Augen, dabei konnte sie keine Anzeichen sehen, die auf eine Lüge deuten könnten. Also drehte sie ihm ihren Rücken zu, damit er ihre lädierte Schulter anschauen konnte. Sachte schob er das Top nach unten.
Sie hörte wie er scharf die Luft einsog und das Top vorsichtig wieder zurückgleiten ließ.

"Wissen sie, wie sie es heilen können?"
"Nein, aber ich habe einen Verdacht, was helfen könnte, aber sie wollen es nicht holen. Das Risiko durch Daron ausgelöscht zu werden, wäre zu hoch. Es sind nicht mehr viele hier."
"Sags mir, ich hole es.", sagte er eifrig.
"Mädiankraut. Es wächst im Sumpf."
"Gut ich besorge es. Du versuchst in der Zeit nicht zu sterben, okay?", sagte er grinsend. Selina musste lächeln.
"Ich gebe mein Bestes."
"Genau das wollte ich hören.", sagte er, setzte sich die Kapuze wieder auf und löste sich vor ihren Augen in nichts auf.
Selina wusste, dass es tollkühn von ihr war, ihm zu trauen, doch er war ihre einzige Hoffnung. Sie legte sich zurück auf das Kissen und schlief ein.

Larwenia 4 - Son Of Fear And ElementsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt