19 - Geburtstagsgeschenk

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Donnerstag, 19.05.2016. Sophies Geburtstag.
Die Augen gerade erst geöffnet und ich weiß jetzt schon, dass dieser Tag nicht der schönste wird. Ich will liegen bleiben, doch aufgrund meines aufkommen Brechreizes, habe ich keine andere Wahl als hektisch aufzuspringen und ins Bad zu rennen. Ich hänge über der Toilette, kotze mir die Seele aus dem Leib und wünsche mir, dass blad alles nur ein Ende hat. Zu dramatisch? Mir egal. Ich höre Schritte hinter mir, bis mir meine Haare aus dem Gesicht gehalten werden. Mir fließen heiße Tränen über meine Wange. Ich bin eine miese Freundin. Da ich noch nichts gegessen habe, ist das was ich gerade von mir gebe eine ekelhafte Säure. Irgendwann habe ich das Gefühl, dass nichts mehr kommen wird, weshalb ich erschöpft von der Toilettenschüssel ablasse und mich dann gegen die kühlen Fliesen lehne. Mit dem Handrücken wische ich mir über den Mund und Sophie betätigt die Spülung. „Es tut mir so wahnsinnig leid!" schluchze ich. Sie setzt sich mir gegenüber in den Schneidesitz, während ich meine Beine so weit anziehe, dass ich meinen Kopf darauf ablegen kann. Meine beste Freundin schaut mich besorgt an um dann einmal laut zu seufzen. „Gewöhn dir das bloß nicht an!" sage ich leise und sehe ein kleines Lächeln, das auf ihre Lippen schleicht. „Was hat Dr. Kole gesagt, Mila?"fragt sie nun wieder ernst. Ich schüttle automatisch den Kopf. „Sag es mir. Wir sind beste Freundinnen seit, keine Ahnung wie vielen Jahre, da kannst du mir das nicht vorenthalten!" „Ich kann nicht, nicht heute!" flüster ich so leise, dass ich die Befürchtung habe, dass sie es nicht gehört hat. „Mila ..." Ich schüttel immer noch den Kopf, dass kann sie nicht von mir verlangen. Nicht an ihrem Geburtstag. Ich versuche auf zustehen, verliere aber das Gleichgewicht, weshalb sie sofort aufspringt um mich zu stützen. Als ich mich wieder gefangen habe, lässt sie mich los, schüttelt ebenfalls kaum merklich den Kopf, um dann zu sagen, dass sie für uns Frühstück macht. Ich wollte ihr das machen. Ich wollte ihr dass Frühstück ans Bett bringen, ihr ein Lied singen und dann etwas zu meinem Geschenk sagen. Und jetzt? Ich habe alles versaut! Ich kann nicht mal mehr in den Spiegel sehen. Ihren letzten Geburtstag, den ich wahrscheinlich noch mit erleben werde, versaue ich. Ich bin die mieseste Freundin aller Zeiten. Schnell putze ich mir die Zähne, denn der Geschmack von Erbrochenem ist echt widerlich. In meinem Zimmer ziehe ich mich kurz um, von Schlafsachen in Joggingsachen und gehe dann mit einer kleiner Schachtel in die Küche, aus der man schon verschiedene Geräusche hört. Die Kaffeemaschine, beispielsweise. Sie steht mit dem Rücken zu mir und ist wahrscheinlich gerade dabei das Rührei zu wenden. Ihrer Körperhaltung nach zu urteilen, hat sie sich ihren Geburtstag auch anders vorgestellt, denn ihre Schultern hat sie hängen lassen. Das tut sie nie! Mieseste Freundin des Universums! Ich stellte das Geschenk auf ihren Teller, der schon von Sophie gedeckt wurde.

„Du solltest mir doch nichts schenken!" sagt sie grinsend, nachdem sie sich hingesetzt hatte. Langsam öffnet sie die rosefarbende Schleife, klappt den Deckel auf und bringt ebenso langsam die verborgene Kette zum Vorschein. Sie sieht mich an und ich kann die Tränen schon in ihren Augen glitzern sehen. „Sie ist wunderschön" flüstert sie. Ich lege ihr die Silberkette, nachdem sie mich darum gebeten hatte, an. „Hinten auf dem Herzanhänger stehen unsere Namen, zusammen mit unserem Datum, an dem wir uns kennen gelernt haben und vorne schimmert manchmal ein Bild von uns. Je nach dem Lichtverhältnis." lächel ich. „Ich möchte, dass du sie bei dir trägst, egal was passiert. Ich will, dass du sie als Andenken unserer Freundschaft siehst, dass du dich an mich erinnerst und mich nicht vergisst. Ich habe dich von ganzem Herzen lieb, egal was ich dir manchmal gesagt habe. Egal wie viel Kummer ich dir bereitet habe und ich dir noch bereiten werde. " Zum Ende werde ich leiser und mir läuft eine Träne über die Wange. Ich hatte die Kette schon vor längerer Zeit gekauft, doch nicht mit dieser Begründung. „Was redest du für einen Stuss? Warum sollte ich dich vergessen, du wohnst mit mir unter einem Dach" lacht sie. Ich will auch lachen, ihr den Geburtstag nicht verderben, doch kann ich das nicht. Noch eine Träne und noch eine. Ich beiße mir auf die Innenseite meiner Wange. Verdammt, ich muss aufhören. Grob wische ich mir übers Gesicht. „Mila?" fragt sie nun geschockt. „Was hat Dr. Kole dir gestern gesagt, was verdammt noch einmal kam bei deiner Untersuchung heraus?" Sie ahnt es. Sie weiß es bereits! Ihr kommen neue Tränen, aber dieses Mal nicht vor Freude. Verdammt. „Sag mir..." Sie bricht ab. Aus ihrer Kehle dringt ein Schluchzer und ich bekomme eine Gänsehaut. Ich will es ihr nicht sagen. Ich kann nicht einmal aufhören zu weinen. Sophie schlägt sich ihre Hand vor den Mund und schreit Oh mein Gott und das bricht mir mein Herz. Ich will aufstehen, in mein Zimmer flüchten, jedoch werde ich von meiner besten Freundin in eine starke Umarmung gezogen. Ihr Körper bebt genauso wie meiner und wir beide liegen uns heulend in den Armen. Ich habe ihr den Geburtstag versaut. Tolle beste Freundin. „Es tut mir so leid!" schluchze ich immer und immer wieder. Nachdem wir uns ein wenig beruhigt haben, fragt sie mich noch einmal, was sie gestern gesagt hätten. Und das war der Punkt, an dem ich ihren Geburtstag vielleicht doch noch retten könnte. „Es war eigentlich alles super, nur ein paar Werte waren daneben, aber Dr. Max meinte es sei nicht weiter schlimm." Sophie sieht mich mit einem verwirrten Gesichtsausdruck an. „Aber, du ..." „Naja, ich habe es im Gefühl, ich habe das Gefühl, dass der liebe Gott mir nicht mehr lange gibt. Und davor habe ich ein scheiß Angst. Ich habe Angst zu sterben." Ich habe nur einen Teil ausgelassen, der Sophie das Herz gebrochen hätte und zwar den Teil, dass Dr. Max mir mein Gefühl bestätigt hatte. Er sagte mir, wenn wir nicht schnell ein Spenderherz finden, dass ich nicht mehr lange hätte. Was sagte er? Mindestens 3 Monate? Ja, ich habe ein scheiß kurzes Leben, denn sie werden kein Spenderherz finden. Wieder nimmt mich Sophie in den Arm. „Auf dein Gefühl darfst du dich nicht verlassen. Erinnerst du dich an die Klassenfahrt in der 7ten? Du hast gesagt, wir müssten rechts gehen um zu den anderen zu gelangen. Pusteblume. Wir mussten links, aber da du deinem Gefühl getraut hast, sind wir rechts und kamen mitten im Nirgendwo an. Und..." „ich habe schon verstanden" kapituliere ich und bin froh, dass sie wieder lachen kann und dass ich ihr nicht die Wahrheit gesagt habe. Das ich noch einmal die Kurve bekommen habe. Was bin ich nur für eine Freundin?

Guten Morgen zusammen,
so hier ist schonmal der Anfang des heutigen Lesetages. Hoffe euch gefällts!
Lost_hope17
Oh und bevor ich es vergesse, danke für die 1,5 k 😄

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