Kapitel 12

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Sicht: Legolas

Wir schreckten hoch. Vor uns stand ein lachendes Zwillingspaar, die einem zappelden kleinen Jungen die Augen zu hielten.
Beren und ich sahen uns an. Sie grinste.
«Jetzt lasst Estel wieder was sehen. Wir haben ja aufgehört.», sagte sie zu den Zwillingen. Sie taten wie geheißen und Estel ging einen Schritt von ihnen weg, drehte sich zu ihnen und verschränkte die Arme. «Ihr seid blöd.», murrte er und sah dann demonstrativ von ihnen weg.
«Wie süß.», meinte Beren. Estel drehte sich zu ihr uns stampfte wütend auf den Boden. «Ich bin nicht süß!», sagte er motzig. «Putzig.», kommentierte Beren.
Estel wollte gerade was sagen, da wurde er von seinen Brüdern durchgekitzelt. Estel warf sich lachend zu Boden und strampelte.
Elladan hob ihn dann hoch und warf ihn in die Luft. Esel quietschte vergnügt und wurde wieder aufgefangen und zu Boden gelassen.
«Nochmal! Nochmal!», rief er und sprang umher.
Beren kicherte darüber und ich musste grinsen, wie die Zwillinge.
Noch bevor Elladan oder Elrohir antworten konnten, kam Tendir. «Elrohir, Elladan, euer Vater möchte mit euch reden.», sagte dieser außer Atem. «Um was geht es?», fragte Elladan. «Ich weiß es nicht. Euer Vater hat nur gesagt, dass ihr nicht trödeln sollt.», antwortete Tendir. «Als ob wir je trödeln würden.», sagte Elrohir entrüstet. «Nein, ihr doch nicht.», sagte ich stark betont und grinsend. «Schau, mein Lieber Tendir, das Prinzlein stimmt mir zu.», sagte Elrohir.
Beren kicherte.
«Also dann.», sagten die Zwillinge zu uns, «Wir sind dann mal weg.»
Dann schritten sie mit Tendir davon.
Estel blieb bei uns.
«Was habt ihr gemacht? Warum lagst du auf ihm? Warum haben So und Dan mir die Augen zugehalten? Das war nicht nett. Habt ihr euch geküsste? Seid ihr zusammen? Habt ihr Schmetterlinge im Bauch? Sind die schön? Darf ich sie sehen?», fing Estel an zu fragen.
Beren und ich sahen uns grinsend an. «Schmetterlinge.», murmelte sie, «Ja.»
«Echt? Tut das nicht weh? Oder kitzeln sie?», fragte Estel weiter. «Die Einzige, die kitzelt, sitzt neben mir.», sagte ich und deutete auf Beren, welche mir in die Seite stach. Ich zuckte zusammen. «Hey!», lachte ich.
«Kitzeln die Schmetterlinge auch?», wiederholte Estel seine Frage. «Nein. Es ist ein wundervolles Gefühl.», sagte Beren und lächelte sanft. «Darf ich die Schmetterlinge sehen? Ich will sie sehen!», verlangte der kleine Junge.
«Vielleicht wann anders, Estel, dein Vater sagt, dass du jetzt ins Bett musst.»
Wir sahen zu dem, der Gesprochen hatte.
Es war Tark.
Estel ging schnell zu mir und klammerte sich an meinen Arm. «Der fiese Mann.», murmelte er. «Hab keine Angst, Estel. Er ist ganz nett.», sagte Beren lächelnd, löste Estels Griff von mir, stand auf, nahm ihn an der Hand und ging mit ihm zu Tark.
Tark kniete sich vor Estel hin und lächelte freundlich.
War es ein echtes Lächeln?
Ich musste ehrlich sein. Es war echt.
Ich verstand diesen Tark nicht und misstraute ihm.
«Bist du noch sauer, wegen letztens?», fragte der junge Mann. Estel nickte leicht. «Hab keine Angst. Es tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe. Ich mag es nicht, wenn jemand mit meinem Namen... Naja... Spielt, sag ich mal. Wenn du willst, kannst du mich Sama nennen.», sagte Tark und struppelte Estel die Haare.
Estel sah auf. Seine Augen leuchteten.
Es war seine reine Kinderseele, die durch seine Augen leuchteten. Voll von Lebensfreude.
«Sama!», rief er glücklich. Tark lächelte breit. «Hannon le, Sama. Danke, dass du mich gerettet hast.», sagte Estel dann ruhiger und verneigte sich vor Tark. «Nichts zu danken. Du hast mich ja auch gerettet, Aráto pin nin (* mein kleiner Held).», sagte Tark.
Das Leuchten im Estels Augen wurde heller. Es strahlte förmlich. Der kleine Junge lächelte stolz.
«Du musst trotzdem ins Bett.», sagte Tark. Estel sah ihn enttäuscht an. «Ich will nicht.», murrte er. «Soll ich mitkommen?», fragte Tark.
«Ich glaube, wir sollten alle mitkommen, oder zumindest rein gehen.», sagte Beren, die zum Himmel sah.
Gewitterwolken bedeckten langsam den Himmel.
«Da stimme ich zu.», sagte ich und stand auf.
Wir gingen rein.
«Soll ich dich jetzt zu Bett bringen?», fragte Tark, doch Estel schüttelte den Kopf und deutete auf mich. «Leggy. Elben können besser singen.», sagte er und schnappte sich meine Hand.
«Gute Entscheidung. Ich kann nämlich nicht singen.», sagte Tark und lächelte verlegen. «Losto vaer, Estel.», sagte Beren dann. «Ja, losto vae.», sagte auch Tark, dann zog mich Estel schon mit.

Wir betraten Estels Zimmer.
Er tapste zu einem Schrank und öffnete ihn, dann stellte er sich auf die Zehenspitzen und versuchte an etwas heran zu kommen.
Er war zu klein.
Ich ging zu ihm, nahm sein Schlafgewand aus dem Schrank und reichte es ihm. Schnell zog er sich um oder versuchte es zumindest, doch er war zu hektisch und verhäterte sich. Ich musste schmunzeln über den kleinen Jungen, der hüpfend versuchte sich aus seinem Schlafgewand zu befreien. «Soll ich helfen?», fragte ich amüsiert. «Nein! Das schaffe ich.», meinte Estel trotzig und hüpfte weiter herum. Bald stieß Estel gegen sein Bett, da er nichts sehen konnte.
«Leggy.», kam es dann unter dem Gewand hervor. Ich schnaupte belustigt, ging zu Estel und befreite ihn aus dem Fängen des Angreifers.
Ein verstruppelter, aber grinsender Estel kam zum Vorschein. Seine Augen leuchteten wieder. Es war unglaublich, wie intensiv sie leuchteten. Es erstaunte mich immer wieder.
Estel kletterte in sein Bett. Setzte sich auf die Decke und sah mich erwartungsvoll an. Ich sah ihn fragend an, da ich nicht wusste, was er von mir wollte.
«Kannst du mir eine Geschichte erzählen?», fragte er dann. «Nur, wenn du dich hinlegst und zudeckst.», sagte ich und Estel tat sofort, was ich von ihm verlangt hatte.
Ich lächelte. «Gut. Was soll ich dir erzählen?», fragte ich. «Die Geschichte von Beren und Lúthien.», sagte der kleine Junge sofort. Ich nickte, setzte mich auf die Bettkante und fing an zu erzählen.

Als ich geendet hatte, stand ich leise auf. Estel war eingeschlafen.
Ich sah aus dem Fenster. Es hatte angefangen zu regnen.
Als ich gehen wollte, blitzte und donnerte es.
Estel schreckte hoch und griff nach meiner Hand.
Es fing stark an zu winden und der Regen prasselte hart gegen das Fenster. Es blitzte und donnerte immer öfter und lauter. Das Gewitter war nun direkt über uns und da das Nebelgebirge im Weg war, zog es auch nicht weiter.
Estel sah mich ängstlich an. «Bleib bei mir.», murmelte er und zog mich zu sich runter.
Ich kniete mich neben sein Bett. «Hab keine Angst. Dir passiert nichts.»
«Geh nicht. Du...», begann Estel und überlegte dann.
«Du kannst bei mir schlafen.», schlug er dann vor und versuchte seine Angst zu überspielen. «Ich... Ich pass dann auf dich auf und du musst keine Angst vor dem Gewitter haben.», sagte Estel.
Ich musste ein Grinsen unterdrücken.
Er hatte Angst, doch wollte es nicht zugeben.
«Das ist nett. Danke.», sagte ich. Estel machte mir Platz und sah mich erwartungsvoll an.
Ich musste es wirklich durchziehen. Innerlich seufzte ich.
Dann legte ich mich in das Bett, dass mir eigentlich zu klein war.
Estel legte die Decke über uns. Besser gesagt, über sich und halb über mich, da die Decke zu klein für ein Kind und ein Erwachsenen war.
Der kleine Junge kuschelte sich an mich und schloss die Augen.
Beim nächsten Donner zuckte er zusammen und klammerte sich an meine Tunika. Ich legte ein Arm um ihn und strich ihm über den Rücken, dann sang ich leise ein Lied, bis Estel eingeschlafen war.

Man Le? (Legolas Ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt