Kapitel 26

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Sicht: Legolas

Ich wachte in einem mir unbekannten Zimmer auf. Mein Kopf brummte, doch ich stand trotzdem auf und ging zum Fenster. Ich war weit von meinem ehemaligen Zimmer entfernt. Scheinbar wollten sie mich von Anor und Beren fern halten. Ich konnte es ihnen nicht übel nehmen und war froh nicht in einer Zelle zu sein. 
Der Schatten war verschwunden und ließ mich verwirrt zurück. Ich wusste was geschehen war, doch nicht, warum ich so gehandelt hatte. Verwirrt und erschöpft legte ich mich wieder hin. Mein Blick war starr an die Decke gerichtet. Ich versuchte verzweifelt zu verstehen. Doch ich bekam nur Kopfschmerzen. Der Schatten verhinderte, dass ich ihn entdeckte. Frustration und Schuldgefühle überschwemmten mich, als ich keinen guten Grund fand, weshalb ich so gehandelt hatte. Ich brüllte meine Wut über mich selbst hinaus und schlug gegen die Wand. Den Schmerz in meiner Hand spürte ich nicht und so wollte ich wieder zuschlagen, doch bevor ich soweit kam, riss jemand meine Tür auf. Ich sah hin und erkannte Glorfindel in der Tür stehen mit der Hand am Schwert. «Was hast du gemacht Legolas?», fragte er verwirrt. Ich setzte mich langsam auf und musterte seine Schwerthand. «Ich habe gegen die Wand geschlagen. Kein Grund zur Sorge.», antwortete ich nüchtern. Glorfindel seufzte erleichtert und lockerte seinen Griff, doch behielt die Hand am Schwertknauf. «Es wäre mir und wahrscheinlich auch dem Lord lieb, wenn du die Wand ganz lassen würdest.», versuchte der blonde Elb zu scherzen, um die Atmosphäre ein wenig zu lockern, doch mir war überhaupt nicht danach. «Kommt nicht wieder vor.», meinte ich nur und wollte mich wieder hinlegen. Glorfindel musterte mich ein wenig und schien dann einen Entschluss zufassen. «Du hast heute ja noch nichts gegessen. Ich hole dir dein Abendessen und leiste dir etwas Gesellschaft.», sagte er und verließ mein neues Zimmer, bevor ich auch nur zum Sprechen ansetzen konnte. Als er die Tür schloss hörte ich das Schloss knacken und seufzte. Ich war vielleicht nicht in einer Zelle, aber trotzdem ihr Gefangener. Einem mir damals unbekannten Impuls folgend stand ich auf und ging zu meinen Sachen, die sie mir ins Zimmer gebracht hatten. Meine Waffen hatten sie mitgenommen, doch als ich in meiner Tasche kramte sah ich, dass sie den versteckten Dolch nicht gefunden hatte. Ich nahm ihn und versteckte ihn in meiner Kleidung. Ich wusste nicht wofür ich ihn brauchen würde, doch breitete sich ein angenehmes Gefühl in mir aus, als ich ihn in der Hand hielt. Dann räumte ich meine Tasche vom Tisch und räumte auch den Rest auf. Während ich meine Sachen sortierte nahm ich noch mein dünnes Seil an mich und meinen Kräuterbeutel. Ich bereitete mich unbewusst darauf vor zu fliehen, doch sorgte ich dafür, dass alles gut versteckt war. Bald darauf kam Glorfindel wieder.Ich stand am Fenster und sah hinaus, bis ich das Türschloss hörte und wie Glorfindel eintrat. Er trug ein Tablett bei sich mit dem Abendessen. Es war frisch zubereitet und durchaus eines Prinzen würdig. Dies interessierte mich zwar nicht, doch ich empfand tiefen Respekt dafür, dass ich nicht, wie ein Gefangener behandelt wurde. Er stellte das Tablett ab und bereitete den Tisch vor. Ich setzte mich zu ihm und nahm den Wein. Es war der teure Wein des Lords. Sie wollten also dafür sorgen, dass es mir gut ging. Ich sollte gar nicht erst auf den Gedanken kommen zu fliehen. Leider interessierte sich der Schatten sehr wenig für Wein und gutes Essen. Trotzdem aß ich und trank ausgiebig von dem Wein, was sehr unüblich für mich war. Glorfindel beäugte dies auch skeptisch, doch sagte nichts dazu. Er sprach auch das Thema Schatten nicht an, sondern erzählte vom Abendessen und Estels Idee mit den Spitznamen. Ich lächelte fröhlich und lachte leicht an den richtigen Stellen. Meine ganze Mimik und Gestik war nur eine Farce, doch Glorfindel schien es nicht zu bemerken, wie auch, ich war Meister darin Leuten etwas vorzuspielen. In meinem inneren war ich leer. Der Schatten lenkte mich, nutzte meine Talente. Ich merkte, dass da etwas war, doch eine Gleichgültigkeit hatte mein Inneres ergriffen und so dachte ich nicht weiter darüber nach. Glorfindel blieb lange und trank mit mir Wein, redete über Belanglose Dinge. Es war leicht mitzuspielen. Irgendwann streckte ich mich. «Ich denke ich werde mich nun zur Ruh begeben.», sagte ich und stand auf. «Natürlich.», sprach Glorfindel rasch und räumte das Geschirr zusammen. «Na ner arad (*Bis morgen).», sagte Glorfindel und ging. Er schloss natürlich ab. Ich legte mich wirklich hin, doch schlief nicht, sondern wartete.

Vielleicht eine bis zwei Stunden später klopfte es zaghaft an der Tür. Ich setzte mich etwas irritiert auf, fragte mich, ob ich mich verhört hatte. Es klopfte wieder, diesmal etwas fester. «Legolas?», fragte eine Kinderstimme. Estel. Ich ging zur Tür und kniete mich davor. «Hallo Estel.», grüßte ich ihn, «Ist es nicht etwas spät für einen Besuch?» Der Junge zögerte. «Ich muss mit dir reden, kann ich rein kommen?», fragte er, anstatt auf meine Frage zu antworten. «Das wird schwer. Die Tür ist von außen abgeschlossen, aber wenn es wichtig ist, gehe in den Garten, zum Baum. Lass uns in unserem Versteck sprechen. Ich komme schon irgendwie hin.», erklärte ich ihm. «Warum bist du eingesperrt?», fragte Estel sofort ungläubig. Er konnte sich scheinbar gar nicht vorstellen, dass ich irgendetwas falsch gemacht hätte. Ich lächelte gerührt über sein Vertrauen. «Ich erkläre dir alles, wenn wir im Versteck sind. Sei vorsichtig.», erwiderte ich und bekam ein "Werde ich" als Antwort, dann hörte ich Kinderschritte, die sich entfernten. Ich stand auf und nahm mir meinen Umhang. Dann ging ich zum Fenster und öffnete es. Es ging tief nach unten. Das Fenster war direkt unter dem Dach und ziemlich klein, doch dies hielt mich nicht auf. Ich zwängte mich hinaus und griff nach dem Dachvorsprung. Ich zog mich geübt hoch und lief dann gebückt über die Dächer Imladris zum Garten. Dorrt sah ich Estel auf dem Baum zum Dach klettern. Schnell ging ich zu ihm und half ihm hoch. Wir entfernten uns etwas vom Garten und setzten uns dann hin. Sofort schlüpfte Estel mit unter meinen Umhang und kuschelte sich an mich. Ich sah ihn irritiert an, doch er sah aus, als wäre es das normalste der Welt, also beschloss ich nichts dazu zu sagen. «Also warum warst du eingesperrt?», wiederholte er seine Frage und sah mich neugierig an. «Mir ging es nicht gut. Ich verlor sogar das Bewusstsein. Ich denke man wollte mich schütze und verhindern, dass ein kleiner Junge meine Ruhe stört.», log ich, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Estel rümpfte beleidigt die Nase und sah dann Schuldbewusst zu Boden. «Mach dir keine Sorgen, ich bin nicht wütend und dein Vater wird auch nicht wütend sein, wenn es sich um etwas wichtiges handelt.», beruhigte ich ihn. «Natürlich ist es was wichtiges!», sagte der Junge sofort. Ich nickte. «Das glaube ich dir, sonst hättest du mich nicht mitten in der Nacht aufgesucht.» Estel nickte bestätigend und zögerte dann etwas. Ich ließ ihm die Zeit. 
«Beren und Anor sprachen davon dass Gûl, mein Entführer, noch lebt... Ich habe Angst, dass er mich holen kommt.», fing er an und umklammerte seine Beine. Ich sah ihm an, dass es noch was gab, was ihn beschäftigte. Ich wartete geduldig. «Sie sagten außerdem, dass etwas von dir Besitz ergriffen hätte... Ein Schatten...», fuhr er zögerlich fort und vermied es mich anzusehen. Ich lächelte leicht. «Sieh mich an, Ará.», forderte ich ihn ruhig auf. Langsam tat er wie geheißen. «Siehst du einen Schatten? Sie mich ruhig genau an, lass dir Zeit und bilde dir selbst deine Meinung.», sprach ihn und drehte meinen Kopf leicht, damit er mich von allen Seiten begutachten konnte. Ich verhielt mich wie immer, doch es war alles nur eine Farce. Innerlich war ich leer, eine Puppe, doch auch das Menschenkind neben mir vermochte es nicht, durch meine Maske zu blicken. Ich sah, wie er mich genau begutachtete und dann stürmisch umarmte. «Ich wusste doch, dass sie sich geirrt haben.», sagte er erleichtert und sah mich glücklich an. Ich erwiderte sein lächeln. «Da hast du bestimmt recht. Ganz unrecht hatten sie ja nicht. Ich habe Anor ja nicht getraut und dann habe ich erkannt, dass meine kleine Schwester sich in ihn verliebt hat. Für einen großen Bruder ist das nicht leicht.», erklärte ich ihm, «Aber sag, warum kommst du damit zu mir und gehst nicht zu deinem Vater?» Estel sah weg und druckste ein wenig rum bevor er antwortete: «Ich will dass er stolz auf mich ist. Imerhin bin ich schon ein großer Junge.» Ich schmunzelte und wuschelte ihm durchs Haar. «Das verstehe ich gut.», sprach ich. «Woher hast du eigentlich erfahren, was Beren und Anor sich erzählen, hast du sie belauscht?», fragte ich weiter nach. Wieder druckste Estel herum und ich sah meine Vermutung darin bestätigt. «Was haben sie noch erzählt. Je mehr ich weiß, desto besser kann ich dich vor Gûl schützen.», forderte ich sanft. Estel nickte verstehend und fing an zu erzählen.

Man Le? (Legolas Ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt