Kapitel 32/Epilog

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Sicht: Legolas

Ich wachte auf und war verwirrt. Es war offensichtlich noch Nacht. Ich blinzelte und öffnete die Augen. Ja, es war noch Nacht. Ein Rascheln lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich. Meine Decke bewegte sich. Ich runzelte die Stirn und hob sie hoch. Ein kleiner Junge sah mit großen Augen auf. «Was machst du hier, Estel.», fragte ich müde. Estel setzte sich auf senkte den Blick. «Tut mir leid... Ich konnte nicht schlafen. Ich... Ich habe Angst.», erklärte er. Ich nickte leicht und machte ihm langsam Platz. «Pass nur auf,  dass du meine Wunden nicht berührt.», murmelte ich und schloss wieder die Augen. Ich merkte, wie er sich an mich kuschelte. Ich legte einen Arm um ihn. Langsam entspannte er. «Warum schließt du deine Augen?», fragte er und ich spürte seinen interessierten Blick. «Um zu Heilen, muss ich tief schlafen. Dann brauche ich genauso viel Ruhe, wie ein Mensch und deswegen, schließe ich die Augen, damit keine Sinneseindrücke der Augen mich aus dem Schlaf holen. Mit geschlossenen Augen erholen wir uns besser.», murmelte ich im Halbschlaf, «Und jetzt schlafe.»Mir war es nicht mehr möglich wach zu bleiben. «Fuin vaer (*Gute Nacht).», hörte ich ihn noch murmeln, doch schlief ein bevor ich antworten konnte.

Diesmal weckten mich  Stimmen. «Kann ich nicht bei Leggy essen?», fragte eine kindliche Stimme. Ich hörte auch den schmollenden Unterton. «Das geht nicht, Estel. Legolas braucht seine Ruhe.», antwortete ein Elb. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war es der Lord. Ich seufzte: «Mit der Ruhe ist es schon vorbei.», murrte ich und öffnete die Augen. Das Sonnenlicht blendete, weshalb sich sie wieder schloss und kurz wartete, bis ich es nochmal versuchen konnte. Diesmal war es besser. Ich sah neben mich. Estel saß am Bettrand mit verschränkten Armen. Vor ihm stand Elrond, welcher nun zu mir sah. «Au vaer (*Guten Morgen).», grüßte ich die Beiden. «Au vaer. Wie fühlst du dich?», fragte der Lord. «Noch ziemlich kraftlos, aber besser als gestern. Etwas zu essen wäre gut und Estels Gesellschaft wäre mir auch sehr angenehm.», antwortete ich und schaffte ein erschöpftes Lächeln. «Gut, dann lasse ich euch beiden mal etwas zu essen bringen.», antwortete der Lord und musterte Estel und mich. «Ihr beide seid schon ein interessantes Paar. Aber gut, wenn du mit Estels Anwesenheit einverstanden bist, soll er bleiben. Sollte ich aber bemerken, dass du Legolas Heilung verhinderst, weil du ihn nicht Ruhen lässt, Estel, dann wirst du leider gehen müssen, verstanden?», fragte der Lord. Estel nickte sofort. «Ich werde ganz brav sein und ihm helfen wo ich kann.», antwortete er und sah seinen Ziehvater aufrichtig an. Der Lord nickte und verließ dann den Raum. Estel sah sofort zu mir. «Hannon le (*Danke dir).», sagte er lächelnd und neigte den Kopf. «Nichts zu danken. Ich habe wenig Lust hier alleine herum zu liegen und solange du mir nicht wieder auf die Brust hüpfst ist alles in Ordnung.», Lachte ich, den Schmerz in der Brust ignorierend. Estel kicherte ein wenig und umarmte mich vorsichtig. Ich wusste, dass er jetzt eine Bezugsperson brauchte, um das ganze zu verarbeiten. Was ich nicht wusste war, warum er mich als Bezugsperson gewählt hatte, doch dies zu ändern lag nicht in meiner Hand und so blieb mir nichts anderes, als für ihn da zu sein. 

Elrond hatte das wahrscheinlich auch erkannt , denn er sagte nichts mehr dazu, dass Estel Tag und Nacht an meiner Seite war. Er half mir beim Aufsetzen, wenn es Essen gab und reichte mir Dinge, wenn ich sie brauchte. Ich las ihm Geschichten vor und übte mit ihm auch lesen und schreiben. Auf Bitte von Erestor übernahm ich für die Zeit auch seinen Unterricht, auch wenn es nur wenige Stunden waren, die wir mit Mathematik und Geschichte zubrachten. Abends sang ich für ihn und gerne sang er mit, bis er einschlief. Da er zumindest meine Hand halten wollte, beim schlafen, schlief er einfach mit in meinem Bett. So konnte ich schnell erkennen, wenn ein Alptraum ihn heimsuchte und war sofort zur Stelle.
Die Alpträume wurden aber schnell weniger. Und waren schon ganz verschwunden, als ich endlich mein Bett verlassen konnte. Ab da schlief er wieder in seinem Zimmer, doch war er immer der erste, der mich in am Morgen begrüßte und der letzte, der mir eine gute Nacht wünschte. Den Tag verbrachten wir dann im Garten und den Hallen des Feuers. Sehr aktiv konnte ich noch nicht werden, aber es genügte, wenn ich dabei saß und zu sah, wie Estel mit seinem Holzschwert übte. Glorfindel, Erestor und Lord Elrond leisteten uns gerne Gesellschaft. Sie ließen mir kaum Zeit über das Vergangene nachzudenken und schon gar nicht an Beren. Abends gab mir der Lord auch einen Schlaftrunk, damit ich ja gut schlief. Darüber war ich sehr zwiegespalten. Einerseits, war ich dankbar, nicht alleine zu sein und nicht an den seelischen Schmerz denken zu müssen. Andererseits fühlte es sich auch an, als würde ich davon laufen. Wer weiß, vielleicht war das auch gar nicht so schlimm. Ich konnte Beren sowieso nicht hinterher laufen. Denn wenige Tage, nach dem ich so gut, wie kuriert war, kam ein Bote aus meiner Heimat. Er hatte eine Nachricht meines Vaters für mich. Es war eine kurze Nachricht. «Wir brauchen dich hier, Legolas Ion-nîn (*Mein Sohn).», hieß es. Sie war eilig geschrieben worden und kein Grund war genannt worden. Besorgt packte ich sofort meine Sachen und machte mich abreise bereit. 

«Ich will nicht dass du gehst.», wiederholte Estel nun schon zum gefühlt hundertsten Mal. Ich stand gerade neben Hamish und musste mich nur noch verabschieden. «Ich muss. Mein Adar (*Vater) braucht mich. Es ist dringend. Ich kann ihn nicht im Stich lassen, das verstehst du doch, oder Ará?», erklärte ich ihm. Er nickte leicht traurig. «Ich will trotzdem nicht, dass du gehst.», schmollte er und drückte sich fest an mich. Ich ging vor ihm in die Knie und strich ihm über den Rücken, dann sah ich ihn ernst an. «Mir fällt es auch nicht leicht zu gehen. Aber ich werde dir schreiben und sobald ich kann wieder kommen, versprochen. Dann werden wir zusammen ausreiten und Abenteuer erleben. Einverstanden?.», versprach ich ihm. Er nickte mit Tränen in den Augen. Ich lächelte aufmunternd und verabschiedete mich von den anderen. «Atenio (*Auf Wiedersehen).», wünschte ich ihnen. «Lend vaer (*Gute Reise/Wege).», antworteten sie, dann stieg ich auf und ritt los. Estel winkte mir hinterher. Ich winkte zurück, bevor ich aus seinem Sichtfeld verschwand.

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass Jahre vergehen würden, bis ich Estel und die anderen wiedersehen würde und noch weniger ahnte ich, dass ich Imladris in diesem Leben nie wieder betreten würde.


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Das war es nun mit dem zweiten Teil meiner Legolas Fanfiction Reihe. Den Prolog und vielleicht das erste Kapitel der Fortsetzung wird direkt im Anschluss veröffentlicht. Ich habe schon einiges geschrieben und würde mich über Rückmeldung dazu freuen. 

Danke fürs Lesen und Kommentieren. Ich hoffe wir lesen uns beim nächsten Teil wieder.

Atenio!

Man Le? (Legolas Ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt