15. Kapitel

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Ich öffnete zuerst Sebastians Nachricht – das Beste kommt ja bekanntlich zum Schluss.

Von: Sebastian
Hey, wie geht es dir? Hast du Lust heute Abend vorbeizukommen? Ich schicke dir gleich noch meine Adresse.

Von: Alex
Wir sollten heute Abend mal reden, oder?

Als wenn die beiden sich abgesprochen hätten. Müsste ich mich jetzt entscheiden, mit wem ich den heutigen Abend verbringen würde?  Sebastian ist hier, Alex nicht. Alexander bedeutete mir etwas, Sebastian nicht unbedingt. Jedenfalls nicht in dieser Hinsicht. Unsere Verabredung war zwar interessant, aber eben nicht sehr aufschlussreich. Er hätte eine zweite Chance verdient. Alex allerdings auch, er kannte die Umstände ja nicht.
Ich wusste nicht was ich tun sollte und legte mein Handy erst einmal zur Seite. Wenn ich mich mit Sebastian bei ihm zuhause treffen würde, wäre es ein Date. Ich möchte ihm nicht den Eindruck geben, dass sein Interesse auf Gegenseitigkeit beruht. Wenn ich mit Alex sprechen würde, wäre ich zwar alleine, aber immerhin könnte ich alles aufklären. Dabei kam mir jedoch in den Sinn, dass er auch nicht ehrlich mit mir war. Aber konnte ich es ihm verübeln, wenn er mir einen Bruder verschwieg? Ich denke nicht.
Es war eine Zwickmühle und ich war wirklich verzweifelt. Ich wischte mir noch nie letzten Tränen von der Wange und seufzte laut auf. Wieso musste alles nur so kompliziert sein? Konnte Alexander nicht einfach in Hamburg stationiert sein? Wieso Brighton? Wieso ausgerechnet er? So viele Fragen und es gab für alles nur eine Antwort: Das Leben ist keine Herausforderung, wenn du weißt wie du es spielst. Alex hatte alle meine Figuren vom Spielbrett gerissen und neu angeordnet. Vielleicht ist das auch der Grund, wieso es mir so wichtig war, dass ich mir mein Spiel mit ihm nicht ruinierte.

An: Alex
Das wäre schön.

Pünktlich um acht Uhr am Abend klingelte mein Telefon. Ich nahm ab und sagte nichts um ihn zu begrüßen..
„Fine, bist du dran?"
„Ja."
„Ich habe mal wieder überreagiert.", gestand er sich ein.
„Allerdings."
„Ich wollte dir wirklich von meinem Halbbruder erzählen. Ich dachte nur, es würde keine so große Rolle für dich spielen.", raunte er.
„Es wäre auch keine große Sache gewesen, wenn nicht ausgerechnet er von heute an mein Professor ist. Weißt du wie komisch es ist zu wissen, dass ein ‚halber Krevitz' da vorne am Pult steht und dir etwas über die Gesetzgebung erzählt?"
„Du musst mir glauben, ich hätte nie daran gedacht, dass er an deiner Uni unterrichtet! Ich wusste zwar, dass er Professor ist, aber soweit habe ich überhaupt nicht gedacht!", verteidigte er sich und man konnte die Verzweiflung aus seiner Stimme heraushören.
„Was ist so schlimm daran, dass er zur Familie gehört? Ich meine – angenommen er hätte dir nie erzählt, dass ich sein Bruder bin. Dann wäre er doch einfach nur ein ganz normaler Professor oder?"
Er hatte Recht.
„Schon. Andererseits mit dem Unterschied, dass er unglaublich gutaussehend ist und zusätzlich romantisches Interesse an mir zeigt.", konterte ich.
Stille. Hatte ich jetzt was Falsches gesagt?
„Das mit dem Treffen war seine Idee?!"
„Ja natürlich!", johlte ich in mein Telefon.
„Oh."
„Was ist?"
„Ich habe nur eben daran gedacht, dass ich ihm jetzt wohl klar machen muss, dass du mir gehörst und er sich gefälligst eine andere tolle Frau suchen soll."
Dass du mir gehörst. Ich errötete. Er hatte es endlich ausgesprochen. Ich gehörte ihm, er gehörte mir. Und es war von diesem Moment ab an mehr als nur Freundschaft. Obwohl es von Anfang an mehr als ‚nur Freundschaft' war.
„Hast du mir gerade indirekt gesagt, dass du mich gern hast?", stachelte ich ihn an und kicherte.
„Ich denke schon!", gab er zu.
Ich glaubte, er lächelte in diesem Moment. Denn ich tat es. Ja, ich gebe es zu. Ich begann mich wirklich in Alexander Krevitz zu verlieben und ich konnte nichts dagegen tun. Und wenn ich mich nicht täuschte, er offenbar auch nicht.
„Bist du eifersüchtig?"
„Mehr als das!", lachte er. „Wie gern würde ich gerade in Sebastians Haut stecken und dich ganz spontan zum Essen ausführen. Dann könntest du mir das schöne rote Kleid zeigen."
„Da muss ich dich glaube ich enttäuschen. Nachdem ich dir das Bild geschickt habe, habe ich mal auf das Preisschild geachtet. Halleluja! Da ist mein Traumkleid, wie eine Seifenblase in meinem Kopf zerplatzt. So etwas könnte ich mir nicht einmal nach drei Monaten sparen leisten!", beklagte ich mich.
„Ich bin mir sicher, du würdest in jedem Kleid wunderschön aussehen. Egal ob nun von einem Designer oder Secondhandshop."
Es war klar – er mochte mich wirklich. Endlich jemand, für den es sich allem Anschein nach doch zu kämpfen lohnte.
„Hör zu, keine Missverständnisse mehr, okay?", bat ich.
„Okay."
„Ich will dich nicht verlieren."
Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe.
„Um Himmels Willen, denkst du ich?! Ich weiß, ich benehme mich manchmal komisch und wie du siehst bereue ich es auch. Aber bitte nimm es mir nicht übel."
„Wie gesagt, ich könnte dich niemals hassen, Alex."
„Ich weiß."
Es war also alles wieder gut.

Wir redeten den ganzen Abend. Ich erzählte ihm ausführlich von meiner Verabredung mit Sebastian und was er mir über ihn erzählt hatte. Das ein oder andere Mal schien er ein wenig entsetzt darüber gewesen zu sein, aber er überspielte es, indem er einen typisch, schlagfertigen Alexanderspruch brachte. Außerdem berichtete ich über meine Gefühle, was die Kiste im Flur anging. Er versprach mir sie mit mir gemeinsam zu öffnen, wenn er mich besuchen käme. Ich solle das nicht alleine durchmachen müssen, sagte er zu mir. Ich wusste, dass es die richtige Entscheidung war, Alex noch eine Chance zu geben. Die Art und Weise, wie ich mich fühlte wenn er bei mir war, war unbeschreiblich. Unmöglich daran zu denken, wie mein Leben war, bevor ich ihn vor zwei Wochen kennengelernt hatte. Alles ging so schnell und trotzdem wollte ich noch mehr. Er war wie eine Droge für mich. Was würde daher passieren, wenn ich eines Tages keine tägliche Dosis mehr davon bekommen würde?

Notiz an mich selbstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt