23. Kapitel

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An: Alex
Das kannst du nicht machen! Nicht jetzt! Nicht heute! Eigentlich garnicht mehr!

Von: Alex
Wieso nicht? Ich bin ein ehrlicher Mensch und finde es nur richtig, dich die Wahrheit erfahren zu lassen!

An: Alex
Was ist die Wahrheit?

Von: Alex
Das mit uns wird nicht klappen. Weder das Treffen, noch unsere Bekanntschaft.

Der Kloß in meinem Hals schnürte mir die Kehle zu und ich rang nach Luft. Die flache Hand auf den Brustkorb gepresst, starrte ich auf meinen Bildschirm und las erneut. Das mit uns wird nicht klappen. Und noch einmal. Das mit uns wird nicht klappen. Weder das Treffen, noch unsere Bekanntschaft.
Alexander hatte ein Gespür dafür, mir alle Freude und Glücksgefühle zu rauben. Er passte immer wieder den richtigen Moment ab, an dem ich dachte, alles würde perfekt sein. Jedes verdammte Mal, wenn wir einen Schritt weiter nach vorne machten, machte er daraufhin wiederum zwei Schritte zurück. Ja, es würde niemals klappen - jedenfalls nicht, wenn er weiterhin so pessimistisch dachte. (In seinen Augen wohl einfach nur "realistisch")

An: Alex
Ist das dein Ernst, Alexander?! Das fällt dir ausgerechnet jetzt ein?!

Von: Alex
Es war mir von Anfang an bewusst, nur ich dachte vielleicht kann man es ja mal versuchen.

An: Alex
Wow, das hat mir jetzt den Rest gegeben, wirklich!

Von: Alex
Ich bin kein schlechter Mensch, ich bin einfach nur unsicher.

Doch, er war ein schlechter Mensch. Jemand, der mit den Gefühlen anderer spielte und dem es gefiel, ein junges Frauenherz zu brechen. Jemand ohne Mitgefühl und Nachsicht, der alles so anrichtetete wie es ihm gerade passt. Ich war nicht nur traurig, sondern wütend. Trotzdem hasste ich ihn nicht oder wir in irgendeiner Weise abgeneigt von ihm, was absolut paradox war.  Pling.

Von: Sebastian
Ich vermisse dich.

Okay, jetzt war ich komplett raus. Ich dachte,  Sebastian würde sich nicht mehr melden? In diesem Moment verstand ich die Welt nicht mehr. Ausgerechnet die Person, die ich über alles wollte und bis vor ein paar Minuten noch als den Richtigen empfand, hatte mir soeben eine Abfuhr erteilt. Und Sebastian, den ich so schlecht behandelt hatte, konnte mich nicht in Frieden lassen. Führten wir vielleicht mittlerweile eine geheime Dreiecksbeziehung? Irgendwie kam ich von beiden nicht so richtig los. Pling. Pling.

Von: Sebastian
Scheiß auf Alex.

Von: Sebastian
Ich bin besser für dich, wirklich! Mir tut alles so leid!

Ich hätte mir gewünscht, dass diese Nachrichten von Alex stammen würden. Trotzdem hatte Sebastian recht – er war hier, er hatte mich nie mit Absicht verletzt. Für seine Krankheit konnte er schließlich nichts. Alexander andererseits erfreute es anscheinend mich hin und her zu schubsen und meine Zeit zu verschwenden. Und dann machte es klick.

An: Alex
Bevor du dich nicht klar entschieden hast, was du willst, melde dich nicht mehr bei mir, okay?! Lass mich einfach nur noch in Ruhe!

Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich begann zu schluchzen. Wir waren unserem Ziel so nah und nun doch wieder so fern. War meine Nachricht zu voreilig? War meine Entscheidung klug? Liebe machte ja bekanntlich blind. War ich zu blind um zu sehen, dass er mir nicht gut tat? Oder war ich einfach nur zu naiv zu verstehen, dass ich ihn nicht länger festhalten konnte?
Ich drohte wieder einmal die Fassung zu verlieren und ich schaute zu Boden. Die Tasse war auf dem gesamten Fußboden verteilt, ebenso wie mein Getränk. Ich wischte mir über mein Gesicht, atmete tief durch und ging zurück in den Flur. Knarrend öffnete ich die letzte Schublade der Kommode, woraus ich Kehrblech und einen Handfeger fischte, damit ich das Chaos beseitigen konnte. Wie toll wäre es, wenn ich meinen Kopf einfach so aufräumen konnte, wie ich es mit den Scherben gerade tat. Pling.

Von: Alex
Hey, hey, hey stop! Woah Fine, warte mal! Das war doch nur Spaß, man!

Ich ließ das Blech mit dem Scherbenhaufen in den Mülleimer sinken und las Alexanders Nachricht. Ein Witz. Es war einfach nur ein Witz?! Ich ballte eine Faust. Komischer Humor.

An: Alex
Nicht lustig.

Von: Alex
Haha, sorry! Ich wollte dich nur ein wenig veralbern. Stimmung lockern!

An: Alex
Mach das nie wieder, ich hatte gerade echt Panik, man! Stimmungslockernd war das keineswegs!

Von: Alex
Musst du nicht! Ich habe nichts davon ehrlich gemeint. Also entspann dich wieder und freu dich auf mich!

Kleines Arschloch. Ich lächelte, runzelte daraufhin die Stirn und schüttelte dann den Kopf. Wieder mal eine richtig unnötige Aktion, aber Alex war ja bekanntlich immer etwas merkwürdig. Ich glaubte, dass das genau der Grund war, wieso ich ihn so mochte. Ich wurde nicht immer aus ihm schlau, er war nachwievor ein Rätsel und das machte ihn so interessant. Er war eine Herausforderung für mich, die ich unbedingt meistern wollte.
Ich begab mich wenig später ins Badezimmer um eine Dusche zu nehmen. Als das warme Wasser auf mich prasselte und das Thema Alex jetzt erst einmal abgehakt war, dachte ich über Sebastian nach. Er hätte eine zweite Chance verdient. Sobald ich fertig wäre, sollte ich mich bei ihm melden und persönlich mit ihm reden. Was vorgefallen ist, war einfach nur ein riesen Missverständnis. Ich seufzte. Komischerweise gefiel es mir, dass er sich seinem Halbbruder wiedersetzte, nur um weiter um mich zu kämpfen. Echt süß und trotzdem machte es die Situation nicht einfacher. Ich wollte Alex. Das stand fest. Sebastian wollte mich. Das stand auch fest. Und was wollte Alex? Anscheinend mich - jedenfalls nachdem was er in letzter Zeit zu mir gesagt hatte. Eigentlich wäre es also total einfach abzuwiegen, für wen ich mich daher entscheiden würde. Die Entfernung zwischen Alex und mir erschwerte es mir jedoch trotzdem, mich vollkommen auf ihn einzulassen.
Ich drehte das Wasser ab, wickelte mir ein Handtuch um und griff zu meinem Handy. Als erstes schrieb ich Sebastian, damit ich es mir überhaupt nicht erst anders überlegen konnte.

An: Sebastian
Wir sollten reden. Morgen kann ich leider nicht, aber am Mittwoch vielleicht?

Von: Sebastian
Perfekt, du kannst jederzeit vorbei kommen!

Leider. Ich musste schmunzeln. ‚Leider' hörte sich so an, als hätte ich keine Lust auf Alex. Lüge! Ich konnte doch an nichts anderes denken. Daher antwortete ich ihm auch noch.

An: Alex
Dann freu du dich aber gefälligst auch auf mich, haha!

Von: Alex
Das tue ich schon seit dem ersten Tag.

Schöne Worte. Es tat gut diese endlich wieder aus seinem Mund zu hören. Mit feuchten Haaren und samtig weicher Haut, schlüpfte ich in meinen Pyjama, flocht meine Haare und legte mich in mein Bett. Angenehm warm. Ich ließ mich vertraut in meine Bettdecke sinken. Fühlte es sich so auf Wolke sieben an?
Kurz bevor die Müdigkeit mich außer Gefecht setzte, scrollte ich durch den Chat von Alexander und mir und schaute noch einmal nach, was er mir vorhin als „Spaß" geschrieben hatte. Ich biss mir auf die Lippe. Eigentlich sollte ich mich durch nichts und niemanden mehr beirren lassen, aber meine Mutter hatte früher mal zu mir gesagt, man solle keinen Lügnern jemals wieder über den Weg trauen - schließlich hatte jede Lüge ein kleines Stück Wahrheit an sich. Was, wenn dies auch bei ihm der Fall war?

Notiz an mich selbstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt