Story VIII - Regen

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Nach dem ambitionierten Großprojekt kehren wir mit »Regen« wieder in gewohntere Montagsstory-Gewässer zurück. Eine kurze, nette Horrorgeschichte deren Twist mir auch heute noch einen kleinen Schauer über den Rücken jagt. Sie sticht in der Sammlung nicht wahnsinnig heraus, aber das will sie auch gar nicht. Diese Geschichte sollte einfach das sein, was sie meiner Meinung nach auch ist: eine knappe, in ihrer Kürze handwerklich halbwegs sauber gearbeitete Horrorgeschichte.

Es regnete in Strömen, als sie schließlich in Wigston ankam. Einem kleinen, abgeschiedenen Kaff irgendwo im äußersten Norden Englands, direkt an der Grenze zu Schottland. Sara stöhnte, als das Taxi hinter ihr wegfuhr. Irgendwie fühlte sie sich wie ein ausgesetzter Hamster. Dabei hatte sie dieses Schicksal selbst ausgewählt!

Nachdem ihr Freund überraschend mit ihr Schluss gemacht hatte, wollte sie so weit von Hamburg weg, wie es nur irgendwie möglich war.

Sie strich sich eine Strähne ihrer hellbraunen Haare aus dem Gesicht. Sie war klatschnass. Wo war jetzt dieses verdammte Hotel? Laut Internet sollte es irgendwo in dieser Straße sein!

Aber stattdessen... Nichts! Nur eine lange, einsame Hauptstraße, die so aussah, als wäre sie tausende Jahre alt, und die von einer Armada aus Klonen von achwieschönen alten Häusern umrahmt wurde, die noch viel älter aussahen.

Wo war jetzt dieses verdammte Hotel? Sara konnte nur mit Mühe drei Meter weit sehen, so dicht fielen die Regentropfen nun schon vom Himmel herab.

Unendlich langsam ging sie auf die Häuser zu. Sie presste sich an eine Fassade, um von einem winzigen Vorsprung des Daches vor dem Regen geschützt zu werden. Ihr Plan ging auf. Nicht, dass es einen großen Unterschied gemacht hätte. Sie war bereits bis auf die Knochen durchnässt.

Nachdem sie eine Weile tief durchgeatmet hatte, drehte sie sich um und warf einen Blick auf das Schild, das an der Tür des Hauses hing und ihr schon die ganze Zeit unangenehm in den Rücken gestochen hatte.

Sofort fluchte sie, dass sie nicht schon vorher darauf geguckt hatte. Freddy's Hotel. Sara hatte die ganze Zeit davor gestanden und es nicht gemerkt! Wie peinlich! Hastig öffnete sie die Tür und stürzte ins Innere.

Sie stand nun in einem ziemlich heruntergekommenen Empfangsraum.

»Das ist ja noch schlimmer, als damals in diesem furchtbaren Bertha's, als ich mit Mike in Pitshutt war!«, dachte sie.

Eine uralte Eichentheke stand verlassen am anderen Ende des Raumes. Daneben befand sich eine Treppe aus ähnlichem Holz, die so unvorstellbar alt aussah, als würde sie bei der geringsten Berührung zu Staub zerfallen.

Misstrauisch näherte sich Sara der Theke und haute auf die kleine Messingglocke, die darauf stand.

Niemand antwortete. Sie schellte erneut und wartete ganze fünf Minuten, aber nichts passierte.

Da bemerkte Sara eine Tür hinter der Theke.

Wenn hier irgendwo der Besitzer des Hotels war, dann wahrscheinlich in einem Raum in der Nähe der Rezeption! Vielleicht war er ja schwerhörig oder so. Wäre bei diesem Kaff ja zu erwarten.

Sie schwang sich über die Theke, rutschte weg. Fiel hin. Fluchte. Rappelte sich wieder auf, klopfte an die Tür und rief: »Hallo?«, aber niemand antwortete.

Vorsichtig drückte sie die Tür auf. Dahinter befand sich eine kleine, staubige Kammer, in der ein Schreibtisch mit einem Schaukelstuhl stand. In letzterem saß ein alter Mann, der zu schlafen schien. Vermutlich der Besitzer.

Sara wollte zwar nicht unhöflich sein, aber sie war müde und genervt und wollte einfach nur auf ihr Zimmer.

Sie räusperte sich laut. Der Alte wachte nicht auf. Völlig entnervt ging sie auf ihn zu und schüttelte ihn kräftig durch.

Montagsstorys - Eine KurzgeschichtensammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt