Story IX - Regime

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Diese Geschichte ist eine besondere Montagsstory. Nicht unbedingt in ihrer Machart — sie erinnert mich ein wenig an Cyberwar — aber in der Tatsache, dass sie auf einem tatsächlichen Traum von mir basierte, den ich zu einer halbwegs zusammenhängenden Geschichte ausarbeiten wollte. Das Ergebnis ist wirklich ganz nett und originell geworden.



Ein Besuch kann ein ganzes Leben verändern. Für immer.

So war es auch bei mir als eine alte Freundin von mir, Johanna Bierman, eines späten Abends bei mir in der Wohnung stand und einen einzigen, kleinen, kurzen Satz sagte: »Sie töten ihre alten Unterstützer!«

Noch bevor ich so richtig begriffen hatte, was sie da eigentlich zu mir gesagt hatte, war sie auch schon wieder verschwunden.

Ich wusste, was das bedeutete, was sie gesagt hatte. Ich wollte es nur nicht wahrhaben. Vor vier Jahren hatte ich einer kleinen Rebellengruppe geholfen, die deutsche Regierung zu stürzen und an die Macht zu kommen.

Sie hatten gesiegt und mir im Gegenzug bis heute jeden Wunsch erfüllt, den ich mir nur ausmalen konnte. Meine Freunde und ich hatten die besten Häuser der Hauptstadt bekommen. Ich hatte nur einen kleinen Brief schreiben müssen.

Sie waren mir dafür zutiefst dankbar und ich dankte ihnen im Stillen auch dafür, dass sie keine Fragen stellten. Fragen, was ich eigentlich vor der Machtergreifung getan hatte, um mir diese Gunst zu verdienen. Wer will schon seinen besten Freunden sagen, dass man teilweise ihre Eltern auf dem Gewissen hatte?

Aber sie waren selbst schuld, dass sie einen Beruf in der Regierung gehabt hatten und sich weigerten, ihr Haupt vor den neuen Herrschern zu beugen!

Die neu entstandene Diktatur hatte mir bislang nur Gutes getan! Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass diese Leute, meine Wohltäter, mich jetzt umbringen wollten. Warum? Ich war doch keine Gefahr für sie!

Klar, ich benutzte sie als meine Marionetten, aber das bemerkten sie doch höchstwahrscheinlich nicht einmal! Ich schüttelte den Kopf, zog die Vorhänge zu und ging ins Bett, ohne noch einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden.

Am nächsten Morgen wachte ich nachdenklich auf. Irgendwie machten mir Johannas Worte jetzt doch zu schaffen.

Ich beschloss, sie zu besuchen und mit ihr darüber zu sprechen, wie sie das gemeint hatte, denn ich konnte mir noch immer nicht vorstellen, dass die Regierung irgendetwas... planen sollte.

Praktischerweise war ihr Wohnung nicht weit weg, da wir, dank meiner Beziehungen, alle im gleichen Villenviertel lebten.

Als ich bei ihr Zuhause ankam und klingelte, machte niemand auf. Verwirrt klingelte ich noch einmal.

Immer noch: Stille. Niemand regte sich. Das Haus lag wie verlassen da.

Hatte Johanna etwa so viel Angst gehabt, dass sie einfach geflohen war? Nein! Sie hätte mir bestimmt vorher Bescheid gesagt, wenn sie das Land verlassen hätte!

Vorsichtig ging ich um das Haus herum und versuchte, durch die Fenster hinein zu schauen. Niemand war da.

Noch immer wirkte alles still und verlassen. Schließlich entdeckte ich ein offen stehendes Fenster.

Ab diesem Punkt hätte ich eigentlich Verdacht schöpfen müssen, aber ich tat es nicht. Dabei war dieser Hinweis für jemanden wie mich, der ich vor der Machtergreifung Leiter eines der berüchtigtsten Sturmtrupps gewesen war, so eindeutig wie nur irgendmöglich.

Ehrlich gesagt hatte ich genau diese Taktik sogar erfunden, aber nun wirkte sie selbst bei mir!

Ich kletterte neugierig durch das Fenster in die Villa und sah mich um. Offenbar befand ich mich in Johannas Küche. Alle Schranktüren waren weit aufgerissen und ihre Sachen lagen am Boden verstreut.

Montagsstorys - Eine KurzgeschichtensammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt