Story XI - Kater

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Diese Geschichte gehört in die Reihe »seltsame Geschichten, die irgendwie in einem Hotel anfangen bei denen ich am Anfang keine Ahnung hatte was im Laufe der Handlung passiert«. Was sich nebenbei bemerkt wirklich super auf einem Buchdeckel machen würde! Noch mehr als bei den anderen Geschichten der Reihe lässt sich diese nicht wirklich einem bestimmten Genre zuordnen... Aber gut... Ich sollte nicht so viel reden, wenn ich nichts zu sagen habe! Denn viel sagen... kann man zu dieser Geschichte einfach nicht. Lest selbst!



Noch nie zuvor in ihrem Leben hatte Jana solche Kopfschmerzen gehabt. Ein starkes Pochen begleitete jede Bewegung ihrer Augen, während sie nachdenklich durch das kleine Fenster ihres Hotelzimmers nach draußen schaute.

Es regnete. Immer noch. Seit Tagen. Es war eine wirklich eine beschissene Idee gewesen, trotz der Trennung nach Schottland zu reisen. Hier hatte sie ihn damals kennengelernt. Zu viele Erinnerungen, die sie besser für immer ausgelöscht hätte! Und jetzt verschlechterte dieses verdammte Wetter ihre Stimmung noch mehr, obwohl die sowieso schon im Keller war!

Ihr Spiegelbild schaute sie verzweifelt aus der Fensterscheibe an. Erschrocken warf Jana sich wieder in ihr Kopfkissen. Sah sie wirklich so schlimm aus? Ihre dunkelbraunen Haare, die sonst immer perfekt saßen, sahen aus, als hätte sie damit den kompletten Hotelboden gewischt. Aber das war noch nicht das Merkwürdigste: Aus irgendeinem Grund hatte sie Männerklamotten an!

Verwirrt schaute sie sich im Zimmer um. Zuerst sah sie alles nur verschwommen und das Stechen war fast unerträglich, aber langsam wurde das Bild schärfer. Der ganze Raum war ein pures Chaos. Es sah fast so aus, als hätte jemand hier drin gekämpft! Was zur Hölle war nur passiert?

Von einer jähen Panikattacke erfasst, stürzte Jana aus dem Bett. Das Pulsieren in ihrem Kopf wurde immer stärker und alles um sie herum begann, sich zu drehen. Dann kippte sie um und alles wurde schwarz.

Als sie wieder zu sich kam, hatte es aufgehört zu regnen. Auch ihrem Kopf ging es nun wieder etwas besser. Dafür war die Frage, was letzte Nacht nur geschehen war, noch brennender in ihrem Kopf geworden.

Sie warf sich einen Morgenmantel über und ging aus ihrem Zimmer in den zum Glück stockfinsteren Flur. Ihre Augen brannten immer noch bei jedem Lichtstrahl, von dem sie gestreift wurden.

Der Typ hinter der Rezeption starrte sie mit großen Augen an. Sie musste auch wirklich furchtbar aussehen, so wie sie sich fühlte. Aber in seinem Grinsen lag noch etwas anderes... etwas... Wissendes.

Hatte der Rezeptionist vielleicht mitbekommen, was gestern Abend passiert war? Sein Grinsen wurde noch breiter, als sie ihn fragte, aber er antwortete nur: »Tut mir Leid, Miss, aber ich hab nichts Genaues mitbekommen. Ich hab' nur ein paar Gerüchte gehört, was angeblich gestern Nacht in der Hotelbar passiert sein soll, aber ich will Ihnen keine falschen Sachen erzählen!« — »Sagen Sie mir einfach, was Sie gehört haben!«

Der Mann verzog das Gesicht zu einer schwer einzuordnenden Grimasse und murmelte dann: »Angeblich haben Sie gestern Nacht, als Sie betrunken waren, nackt mit einem ebenfalls stark angetrunkenen, nackten Mann... ungewöhnliche Dinge in der Bar getrieben.«

Jana kniff die Augen zusammen. Dieses Bild im Kopf! Nein! Das konnte unmöglich passiert sein!

»Wie gesagt, es sind nur Gerüchte, ich war nicht dabei«, brummte der Rezeptionist. Irgendwie beruhigte sie das nicht wirklich. Es waren dumpfe Erinnerungen in ihrem Kopf wieder hochgekommen, die sagen zu schienen, dass wirklich etwas passiert war, das sie unter allen Umständen hatte verhindern wollen.

Was zur Hölle war nur passiert? Und... wollte sie es eigentlich wirklich wissen? Der Rezeptionist, der nun wieder ein seltsames Grinsen in sein Gesicht gepackt hatte, riss sie aus ihren Gedanken: »Wenn Sie wissen wollen, was wirklich passiert ist, müssen Sie einfach bis heute Abend warten, wenn der Barkeeper wieder da ist. Der hat alles mit eigenen Augen gesehen.«

Jana murmelte ein leises »Danke« und schleppte sich zurück in Richtung ihres Zimmers — und erstarrte. War das da etwa ihr Ex, der da den Gang entlang tappte? Sie schüttelte den Kopf und ging, seinem Blick ausweichend, so schnell es ging zu ihrer Zimmertür.

Als sie plötzlich seine Stimme hinter sich hörte, warf sie sich gegen die Tür, stürzte in den Raum, fiel hin, rappelte sich auf, knallte die Tür zu und warf sich dagegen, so als würde die Tür allein nicht schon ausreichen, um ihn aufzuhalten.

Ehe sie noch darüber nachdenken konnte, was er wohl hier trieb, überkam sie plötzliche eine große Müdigkeit und sie sackte an der Tür zusammen und fiel in einen tiefen Schlaf.

Als sie ihre Augen wieder öffnete, war der Kater weg und draußen ging gerade die Sonne unter und tauchte das Zimmer in ein rotes Licht.

Für eine Sekunde tauchte ein Bild vor Janas Augen auf. Ein Bild von ihrem Ex, wie er in einer Blutlache im Flur hinter ihr lag. Sie schüttelte den Kopf. Nein. Nein, sie musste sich jetzt konzentrieren. Sie... sie musste zur Hotelbar gehen!

Jana zog die Männerklamotten aus, die sie die ganze Zeit über angehabt hatte, wunderte sich, dass ihr der Geruch davon aus irgendeinem Grund bekannt vorkam und tauschte sie gegen ihre eigenen Sachen, die sie in ihrem Koffer unter dem Bett gefunden hatte.

Als sie die Tür zur Bar aufriss, kam ihr sofort ein nerviger Technobeat entgegen, den man wohl wirklich nur ertragen konnte, wenn man betrunken war.

Die ganze Bar war in einen dichten Nebel getaucht und Jana fragte sich, ob der Barkeeper hier überhaupt irgendwas gesehen haben konnte. Sie selbst konnte zumindest im Augenblick von allen Anwesenden nur schemenhafte Silhouetten erkennen.

Der Barkeeper pfiff ihr plötzlich zu. Er hatte das breiteste Grinsen aufgesetzt, das Jana jemals gesehen hatte. Sie konnte sich überhaupt nicht an ihn erinnern.

Noch standen wenige Leute an der Bar und so stellte Jana sich einfach zu ihm an die Bar konnte trotzdem halbwegs privat mit ihm sprechen.

»Bist du wegen letzter Nacht hier?«, fragte er sie.

»Jep«, murmelte sie, aber es ging im Beat der Musik unter, die noch wenige Stunden vorher ein unerträgliches Kopfschmerzinferno bei ihr ausgelöst hätte.

Trotzdem hatte der Barkeeper verstanden und grinste weiter.

»Du hast gestern Abend ne kleine Striptease-Einlage gebracht. War sehr unterhaltsam«, lachte er.

»War das alles?«, fragte Jana mit einem leichten Anklang von Hoffnung. Der Barkeeper schüttelte den Kopf.

»Natürlich nich'!«, grinste er sie an, »Dann kam da noch so'n komischer Typ, der auch nackt war und ihr habt getanzt. Nackt. Das is alles! Jedenfalls alles, was hier in der Bar passiert ist!«

»Alles... In der Bar?«, hauchte Jana.

»Ja... Die Security hat mir nachher erzählt, dass du danach noch im Flur Sex mit dem Typen hattest und dass sie euch dann auseinandergerissen und auf eure Zimmer entfernt haben!«

Jana verzog das Gesicht.

»Oh!«, brummte der Barkeeper plötzlich, »Da is der Typ ja!«

Jana schaute in die Richtung, in die er zeigte... Und ihrem Ex direkt in die Augen.

Montagsstorys - Eine KurzgeschichtensammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt