Story XIV - Fern

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Unter all den Montagsstorys gibt es nicht viele Liebesgeschichten und die wenigen handeln dafür wenigstens stets von kaltblütigen Mördern, damit mir auch ja keiner nachsagen konnte, ich sei zu romantisch. Auch diese Montagsstory fällt in dieses Muster, aber ich zähle sie dennoch — oder gerade deshalb — zu meinen absoluten Lieblingsgeschichten. Denn wenn man so viele Geschichten über tragische oder unglückliche Paare schreibt, sehnt man sich umso mehr nach den wenigen glücklichen.



Es gab nicht viele Momente in meinem Leben, in denen ich wirklich verzweifelt war. Wirklich nicht.

Ich hatte immer ein glückliches, erfülltes Leben, in dem mir mehr oder weniger jeder Wunsch erfüllt wurde, den ich je hatte. Ein ganz normales Leben, wie jeder andere durchschnittliche Deutsche.

Als ich aber an diesem ganz besonderen Tag aufstand war ich aufgeregt. An diesem besonderen Tag, mit dem sich mein normales Leben, wie ich es bis dahin gelebt hatte, für immer ändern sollte. Aufgeregt war ich, weil ich mein zweites Date mit einem Mädchen haben sollte, die ich zufällig in der U-Bahn kennengelernt hatte.

Ich kann mich jetzt kaum noch an ihr Gesicht erinnern. Jetzt, da ich diese Zeilen schreibe. Es ist so wahnsinnig viel passiert seit dem, und ich habe nicht viel Zeit alles aufzuschreiben. Dabei kann ich nicht mal genau sagen kann, wo das Ganze eigentlich angefangen hat!

Vielleicht fing es nämlich schon viel früher an, als es für mich zunächst den Anschein hatte. Seit meiner frühesten Kindheit hatte mich mein Vater immer auf seinen Reisen nach Asien, Arabien und Afrika mitgenommen.

Ich hatte keine Ahnung, was er dort genau machte... alles, was ich wusste, war, dass er sich in den unterschiedlichsten Hotels mit zahlreichen verschiedenen Leuten traf.

Er sagte mir nie genau, worum es bei seinen Gesprächen mit ihnen ging und ich traute mich auch nie, ihn zu fragen.

Meine Mutter kam nie mit auf diese Reisen und er weigerte sich stets, ihr auch nur das geringste Detail zu erzählen, weshalb sie immer zu mir kam. Aber ich wusste ja auch nicht, was mein Vater wirklich gemacht hatte!

Eigentlich hätte ich damals schon Verdacht schöpfen sollen, dass irgendetwas mit dem offenbar sehr einträglichen Beruf meines Vaters nicht in Ordnung sein konnte — aber welches Kind denkt schon über so etwas nach?

Ich kannte es ja nicht einmal anders! Es war für mich schon immer so gewesen und es blieb auch so, bis mein Vater eines Tages allein auf eine Reise aufbrach, als ich sechzehn war, und nie wieder zurückkehrte.

Meine Mutter schärfte mir ein, dass ich niemandem davon erzählen sollte und ich hielt mich auch weitestgehend daran. Die Einzige, der ich in Andeutungen verriet, dass mein Vater verschwunden war, war das besagte Mädchen aus der U-Bahn.

Als ich also am besagten Morgen aufbrach, um mich mit ihr zu treffen, fuhr auf einmal ein schwarzer Mercedes vor unserem Haus vor.

Ich beachtete ihn zunächst nicht und wollte an ihm vorbeilaufen, als plötzlich die Seitentür aufging und eine Pistole herausgestreckt und mir unter die Nase gepresst wurde.

»Einsteigen!«, brummte eine tiefe Stimme, deren Besitzer ich nicht erkennen konnte. Ich zauderte kurz, aber ich hatte keine andere Wahl.

Ich wurde auf den Rücksitz verfrachtet und während der ganzen Fahrt sprach keiner auch nur ein Wort mit mir. Ich selbst wagte es nicht, den Mund auf zu machen.

Ein muskulöser Mann, der neben mir saß, ließ mich keine Sekunde aus den Augen und ich fragte mich wieder und wieder, wer diese Leute waren.

Schließlich, als wir an einem kleinen privaten Flugplatz angekommen waren, wurde ich aus dem Auto und in einen Hubschrauber mit Sitzen für vier Personen gebracht. Der Flug war lang und ebenso schweigsam, wie die Autofahrt.

Montagsstorys - Eine KurzgeschichtensammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt