FOURTEEN

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-Sarah-

"Frau Schiffer, Sie kümmern sich bis zur nächsten Vorlesung darum." Verlangte mein Dozent. Ich schrieb noch kurz die Notiz zu Ende, während ich zustimmend nickte. "Geht klar." Ein kurzer Blick durch den Raum. Herr Klön, unser Dozent für Konstruktion hatte die irritierende Angewohnheit, während des Redens durch den Raum zu laufen. Dabei ging er direkt durch die Reihen und sollte ein Stuhl frei sein, kam es nicht selten vor, dass er sich auf diesen setzte und von da aus seine Vorlesungen für einige Minuten hielt. Momentan befand er sich mitten in der zweiten Reihe.
Er war ohne Frage der beste Dozent, den wir bisher hatten. Jedoch war er auch unheimlich anspruchsvoll, schnell und teilweise auch unvorhersehbar. Sobald man in seinen Vorlesungen eine Sekunde abwesend war, hatte man verloren. Die Kurse waren nur unwesentlich größer als Klassenstärke, ein Vorteil des dualen Studiums. Der Dozent kannte die Studenten häufig mit Namen, ein Gespräch zu einem Problem in der Vorlesung oder ein Einwand dazwischen war kein Problem. Bei Herr Klön war es aber auch so, dass er sich immer genau den herauspickte, der unaufmerksam war. Immer. Ausschließlich. Deswegen ging die Meinung meine Kommilitonen auseinander. Entweder man liebte ihn oder man hasste ihn, etwas dazwischen gab es nicht. Eigentlich ging ich gern in seine Vorlesung und hörte konzentriert zu, doch heute war nicht mein Tag. Genauso wie der ganze Rest der Woche, nicht mein Tag beziehungsweise meine Woche war.
Liebe war ein ganz hinterhältiges Biest. Unberechenbar, hartnäckig und verdammt schmerzhaft. So glücklich wie ich in der Zeit mit Logan war, so unglücklich war ich es nun. Ich hatte das Gefühl, dass es mir noch nie so schlecht ging wie in der letzten Woche. Die Tage in Australien hatte ich irgendwie überlebt. Tatsächlich hatte ich es auch genossen und war für kurze Augenblicke glücklich. Irgendwie. Okay, ich hatte es verdrängt, hatte dieses unerträgliche Gefühl und den Schmerz am Tag in die Ecke gepackt. Hatte mir eingeredet, dass wir vielleicht doch noch umdrehen konnten. Sydney war nur ein paar Stunden mit den Auto entfernt. Zumindest redete ich mir das ein. Anders ging es nicht. Anders hätte ich die Woche nicht geschafft. Doch in der Nacht gab es nichts was mich von meinem Gedanken ablenkte. Die Tränen kamen ungewollt und unaufhaltsam. Felix hatte mich in den Armen nehmen wollen, um mich zu trösten, doch er hatte es nur schlimmer gemacht. Dann hatte es noch viel mehr weh getan. Felix war der Falsche, auch wenn er mich nur trösten wollte, so sträubte sich alles in mir gegen diese Berührungen. Es war nicht Logan. Er roch falsch und er fühlte sich falsch an.
Der schlimmste Moment war der am Flughafen. Ab da konnte ich mir nicht mehr einreden, dass ich jederzeit umkehren und zurückgehen konnte. Ich musste abschied nehmen. Endgültig. Ich wusste nicht warum, aber irgendwie schien ich tief in meinem Inneren gehofft zu haben, dass ich Logan noch einmal über den Weg laufen würde. Unrealistisch, wenn ich es doch war, die ohne ein Wort abgehauen war, er nicht wusste wo ich war und ich nicht zurückgehen würde. Das wusste ich alles und trotzdem ... Jeder Schritt, der mich näher dem Flugzeug brachte, trennte mich mehr von ihm und von meinen Hoffnungen. Es würde keine Zukunft für uns geben. Hätte Felix keine Schlaftabletten für mich organisiert, hätte ich wahrscheinlich den gesamten Flug über geheult. Als wir schließlich wieder in Deutschland landeten, holten uns seine Eltern ab. Ich erinnerte mich kaum daran, da die Tabletten zu derzeit noch sehr gut wirkten. Auch wie meine Eltern mich schließlich bei Felix abholten, bekam ich kaum mit. Wahrscheinlich war es besser so. Ich will nicht sagen, dass es mir in diesem Moment gut ging. Aber der Schmerz war nicht da, mein Verstand war betäubt und somit auch die Gedanken an ihm.
Die letzten Tage, die ich noch gemeinsam mit meiner Familie verbrachte, zogen wie im Rausch an mir vorbei. Ich weinte viel und oftmals auch ohne jeglichen Grund. Mein Eltern verstanden nicht was mit mir los war und es tat mir leid, dass sie sich wegen mir solche Sorgen machten. Es war das erste Mal, dass ich ihnen nicht verriet, was mich beschäftigte. Dafür sprach ich aber mit meiner Schwester. Es war ungewohnt. Wir verstanden uns gut, aber ich hatte nie mit ihr über so etwas gesprochen. Warum auch? Es gab nie jemanden, der mich so interessiert hätte.

[02] SilvesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt