TWENTY

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-ASH-

Müde streckte ich mich auf dem Sofa aus. Sarah war noch oben im Bad. Wieder einmal überlegte ich wie wir ihren Gefährten finden konnten. Mein Leben lief zurzeit wirklich ungewöhnlich perfekt. Meinem Bruder ging's gut, meinen Freunden und mir auch. Ich hatte tatsächlich eine beste Freundin gefunden. Nicht das ich nach einer gesucht hätte. Bis jetzt war ich auch ohne gut klar gekommen. Aber was man nicht kennt, kann man nicht vermissen, oder? Jetzt wollte ich Sarah wirklich nicht mehr missen. Obwohl ich wirklich nicht erklären konnte wie Sarah so schnell, so wichtig für mich werden konnte. Ich hatte sie genauso auf Abstand halten wollen wie alle anderen auch, aber irgendwie hatte ich gleich am ersten Tag versagt. Wir passten zu gut zusammen. Ich konnte es nicht mehr ändern und ich wollte es eigentlich auch gar nicht. Solange mir nur das gleiche nicht bei meinem Gefährten passierte, war alles okay.

Ich hatte vor nichts solch eine Angst wie davor, eines Tages meinen Gefährten zu finden. Ich wusste schon heute, dass ich ihn abweisen würde. So etwas gab es bei den Lykae nicht. Und ich würde es trotzdem tun. Sobald ich ihm begegnen sollte, würde ich meine Beine in die Hand nehmen und so weit und schnell laufen wie ich nur konnte. Ich wollte dieses Leben nicht führen, ich wollte meine Familie und Freunde nicht verlassen. Aber ich war nicht bereit zu zulassen, dass eine einzige Person so viel Macht über mich bekam wie ein Gefährte sie nun einmal unweigerlich hatte. Ich hatte einmal alles von mir in eine Beziehung geben und nur haarscharf überlebt, dass war ich nicht bereit noch einmal zu tun. Noch heute trug ich die Schäden mit mir. Es tat mir leid für denjenigen, aber ich erlebte doch jetzt erneut wie zerstörerisch diese verdammte Seelenverwandtschaft war.

Tatsächlich war das mein einziges Problem zurzeit. Ich machte mir Sorgen um Sarah. Auch wenn sie sich bemühte es nicht zu zeigen, sah ich ihr an wie schlecht es ihr ging, weil sie von ihm getrennt war. Sie hatte nur einen Tag mit ihm verbracht und war noch nicht einmal eine Lykae, trotzdem waren ihre Gedanken immer bei ihm. Ihr ganzes Wesen sehnte sich nach ihrem Gefährten und es zerstörte sie langsam von innen nach außen nicht bei ihm zu sein. Deswegen suchte ich verzweifelt nach einen Weg um ihn zu finden.

Sarah wusste nicht, was sie sich beiden antat als sie ging. Wie hätte sie es auch begreifen sollen? Menschen kannten diese Art der Verbundenheit nicht oder nur sehr selten. Wie hätte Sarah erkenne sollen, wer Logan für sie war? Mein momentaner Plan war es mit ihr sobald wie möglich nach Sydney zu fliegen. Der Lykae, ihr Gefährte, würde sie innerhalb kürzester Zeit aufspüren, sobald sie wieder da war. Da war ich mir sicher. Recht simpel und einfach sollte man meinen, aber ich kannte sie schon viel zu gut. Sie würde sich dagegen sträuben. Wegen den Flugkosten, weil ihre Gefühle übertrieben waren, weil es ja nur ein einziger Tag war, weil sie keine Chance hatten... Die Liste war endlos. Ich musste sie also nur davon überzeugen, dass sie mit jeder einzelnen ihrer menschlichen Ansichten im Unrecht war. Derzeit versuchte sie sich einzureden, dass der Liebeskummer irgendwann weggehen würde. Wenn es nur Liebeskummer wäre, dann sicherlich. Aber es war so viel mehr. Ich seufzte. Irgendwie würde ich das schon schaffen.

Gähnend tastete ich nach meinem Handy. Sarah und ich würden heute unten im Wohnzimmer schlafen. Ihr Zimmer war so klein, dass man nicht einmal eine einfache Luftmatratze dazu legen konnte. Aber es störte sie nicht. Mich würde der Platzmangel aufregen, aber das war vielleicht auch die Lykae in mir. Wir bauchten die Freiheit so sehr wie die Luft zum Atmen. Als ich auf den Home-Button klickte, erblickte ich nicht das Foto von Sarah und mir, welches wir letzte Woche nach einer Schneeballschlacht aufgenommen hatten. Ich wollte das Handy gerade wieder weglegen, wir hatten das gleiche Modell, als ich den Mann auf dem Foto erkannte und mir der Atem stockte. Als der Bildschirm schwarz wurde, klickte ich wieder drauf um mir das Foto genauer anzuschauen. Ich sah Sarah und einen Mann, im Hintergrund das Sydney Opera House. Er hatte besitzergreifend einen Arm um sie gelegt, sein liebevoller Blick lag auf Sarah. Die andere Hand strich ihr die Haare zurück. Sarah hatte sich ihm halb zu gewandt und blickte glücklich zu ihm auf. Das Foto wirkte als wäre es nach dem eigentlichen Foto geschossen wurden. Und das auf dem Foto war eindeutig Sarahs Logan. Wer sonst sollte sie so anschauen? Von wem, wenn nicht von ihm würde sie ein Bild als Hintergrundbild einstellen?

Als Sarah von ihrem Gefährten erzählt und mir seinen Namen verraten hatte, war ich nicht eine Sekunde lang auf die Idee gekommen, dass sie von diesem Logan sprach. Es würde sicherlich noch mehr Lykae in Sydney geben die Logan hießen. Nie wäre ich auf diesen Gedanken gekommen. Diesen Lykae kannte wahrscheinlich jeder einzelne Lykae auf der ganzen Welt. Logan McNaught. König der Lykae. Ich brauchte einen Moment um zu realisieren was das bedeutete. Ich wusste nun tatsächlich wer Sarahs Gefährte war. Und es war mein König. Aufgeregt schnappte ich mir mein Handy und fotografierte das Bild ab.
Hektisch tippte ich die Nummer meines Bruders ein.

„Hast du das Bild gesehen?" fragte ich sobald er ranging.

„Welches Bild?" fragte er vollkommen ruhig. „Ist das jetzt wichtig?" fügte er dann noch hinzu. „Ich arbeite gerade."

"Ich glaube kaum, dass es irgendetwas gibt, das momentan wichtiger ist." Zischte ich ihn an. Er wusste doch, dass ich ihn sonst nicht bei seiner Arbeit stören würde. Idiot.
„Wart kurz." Unruhig wippte ich auf und ab. Ich legte Sarahs Handy zurück auf den Tisch.
„Ash." Irgendwie klang Juls Stimme leicht erstickt. Ich grinste so breit wie eine Katze, die einen Sahnetopf gefunden hatte. Natürlich wusste auch Julius was dieses Foto zu bedeuten hatte.
„Habe ich recht oder habe ich recht?" fragte ich und wurde dann wieder ernster. „Es ist wirklich der Logan, oder?"
„Ja, ja es ist Logan McNaught." Bestätigte er. „Weißt du was das bedeutete?"
„Das wir ihren Gefährten gefunden haben?" fragte ich verwirrt. Das war doch eindeutig, oder?
„Ja, das auch." Schnaubte er belustigt, doch seine Stimmung änderte sich schlagartig „Gott verdammt, Ash. Wir sollten sie rund um die Uhr bewachen. Für jeden einzelnen Kratzer, den wir nicht verhindert haben, bricht er uns wahrscheinlich dreimal das Genick. Gottverdammt und ich habe sie mit zum Bouldern genommen." Konnte es tatsächlich sein, dass mein Bruder hier gerade panisch wurde? Kaum zu glauben, das ich diesen Tag noch erleben durfte. Sonst war er doch immer so cool und souverän.
„Julius." Riss ich ihn aus seinen Horrorszenarien.
„Was?" „So schlimm wird er schon nicht sein." Versuchte ich ihn zu beruhigen, während ich darüber nachdachte was ich alles von ihm wusste. Es war nicht sonderlich viel. Es hieß, dass er ein sehr gerechter König war und er war äußerst beliebt. Aber es gab auch einige Geschichten die von seiner Grausamkeit und Gnadenlosigkeit berichteten, jedoch gegenüber von Feinden und Verrätern.
„Es geht hier um seine Gefährtin..."
„Genau und deswegen rufst du ihn an und überbringst ihm die frohe Botschaft, dass du seine Gefährtin gefunden hast."
Sobald ich aufgelegt hatte, ließ ich mich zurück in die Kissen fallen. Was war, wenn er Sarah mit nach Australien nehmen würde? Soweit ich weiß, wohnte er dort schon fast sein gesamtes Leben. Das würde er nicht einfach so ändern. Ob sie überhaupt noch Zeit für mich haben würde, wenn er da war?Gefährten klebten regelrecht aneinander. Siehe Veronica und Nico. Zur Hölle, selbst wenn ich wollte das Sarah glücklich war, so hatte ich wirklich Angst, das ich sehr bald keine Rolle mehr in ihrem Leben spielen würde. Ein weitere Grund warum ich auf Abstand bleiben sollte. Irgendwann verließ ein jeder Mensch. Dieses Mal hatte ich sogar gewusst, dass es so kommen musste und trotzdem hatte ich nicht aufgepasst.

[02] SilvesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt