FOURTYTHREE

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„Sandro, du parkst das Auto." Verlangte ich schon aus dem Wagen steigend und ließ die Tür offen stehen als ich auf den Haupteingang zu hastete. Zweiundzwanzig Stunden Flug waren eine Ewigkeit und wenn man davor noch fast vier Stunden warten musste bis man überhaupt den Flieger besteigen durfte, war es sogar noch schlimmer. Nur Sandro und ich hatten einen Platz bekommen und das auch nur, weil wir einem Pärchen ihre Plätze abgekauft hatten. Meine Bodyguards waren alles andere als glücklich und befürchteten, dass es eine Falle war. War es zum Glück nicht. Das vor dem Flug gemietete Auto stand wie ich es verlangt hatte bereits am Flughafen und kein Lykae erwartete uns. Meine Bodyguards hatten sich auf die nächsten Flüge verteilt und kamen nach. Es konnte kommen was wollte, ich würde Sarah nicht mehr von der Seite weichen. Während des einen Zwischenstopps hatte ich einmal kurz mit Rio telefoniert. Von ihm wusste ich, dass es ihr und auch dem Baby gut ging und dass sie wieder bei Bewusstsein war. Zu gern hätte ich ihre Stimme gehört und mich vergewissert, dass es ihr wirklich gut ging, doch sie hatte geschlafen und ich wollte nicht, dass Rio sie weckte. „Aber..." rief Sandro mir protestierend hinterher.

„Wir übernehmen ab hier." kam eine vertraute Stimme mir zu Hilfe. Kurz warf ich einen Blick zur Seite und nickte Kristof zu, der aus dem Schatten hervortraut in dem ich noch zwei weitere vertraute Gestalten ausmachte.

„Wie geht es ihr?" fragte ich ihn.

„Besser. Sie hatte heute Besuch von den Jungen aus Würzburg."

„Felix?" fragte ich halb knurrend. Ich wusste, dass sie ihn eigentlich heute besuchen wollte. Begeistert war ich nicht darüber, aber ich wusste auch wie wichtig ihr die Freundschaft zu Felix war, also würde ich es akzeptieren müssen. Kristof nickte.

„Sonst noch etwas?"

„Nein. Ash war fast den ganzen Tag hier und die anderen haben auch jeder einmal vorbei geschaut. Rio ist die ganze Zeit mit bei ihr und lässt sie nicht aus den Augen." Zufrieden nickte ich. Die Frau an der Eingangspforte wollte protestieren, die Besuchszeiten waren längst vorbei, doch Kristof sprach schnell mit ihr und sie nickte. Im Gleichschritt stürmten wir die Treppen nach oben. Mir musste niemand den Weg zeigen, ich fand meine Gefährtin auch so, denn ich spürte sie und roch ihren unverkennbaren Duft. Als Zack mich erblickte, nickt er mir zu und öffnete die Tür. Im nächsten Moment stand ich neben dem Bett, in dem Sarah klein und bleich, nahezu unterging. Stumm sah ich sie an, betrachtete die farbenfrohe Schwellung in ihrem Gesicht, den Verband, der um ihre Stirn und den Hinterkopf ging, die Kratzer an ihren Armen den Verband um ihr Handgelenk. „Oh mein Gott." Murmelte ich. „Was haben sie dir angetan?" Dafür würde ich jeden einzelnen zur Rechenschaft ziehen und sie alle würden ihre bloße Existenz bereuen. Zart strich ich über ihre unverletzte Wange, musste sie wenigstens ein wenig berühren. Am liebsten hätte ich sie in meine Arme gezogen, ganz fest an mich gepresst und sie einfach nur gespürt, doch meine Angst sie zu verletzen war zu groß.

„Sie schläft seit etwa einer halben Stunde!" hörte ich Rios Stimme hinter mir. Ich nickte, nicht überrascht über seine Anwesenheit, ich hatte ihn schon zuvor gespürt.

„Du kannst eine Pause machen." Sagte ich zu ihm und musterte ihn kurz. Er wirkte übermüdet und schuldbewusst. Trotzdem wollte ich ihn alles Mögliche an den Kopf werfen und ihn dafür bestrafen, dass er zugelassen hatte, dass Sarah sich nun in diesem Zustand befand. Dabei war es ganz allein meine Schuld. Ich hätte nicht gehen und sie alleine lassen dürfen. Ebenso wenig hätte ich die Sicherheitsmaßnahmen so schleifen lassen dürfen wie in letzter Zeit. So etwas wie mit Fernanda durfte nicht passieren und noch viel weiger durfte es solange unbemerkt bleiben. Es war nicht rechtens, dass Sarah nun die Strafe für meine Fehler zahlte.

„Logan, ich... es tut mir leid. Ich habe versagt. Das hätte nicht passieren dürfen." Fing Rio an.

„Wir reden später darüber." Seufzte ich selbst erschöpft. Die letzten Stunden und ganz besonders die Ungewissheit und Sorge hatten an mir gezerrt. Am liebsten hätte ich jeden und alles in der Luft zerrissen, meiner Wut und Verzweiflung freie Bahn gelassen, doch ich wusste dass ich momentan nicht sonderlich rational und fair war. Deswegen würde ich warten bis ich wieder in der Lage war vernünftige Entscheidungen zu treffen.

[02] SilvesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt