Kapitel 48

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Ethan

"Ich bin daran Schuld, dass du blind bist! Ich saß im Auto."

Ich habe die Worte ausgesprochen, die ich verdrängen wollte und doch wollte ich ihr alles sagen. Alles in mir hat an der Wahrheit gezerrt. Ich konnte nicht mehr damit leben, auch wenn ich damit alles kaputt gemacht habe. Ich habe den Menschen verletzt, der mir geholfen hat, der mich rausgeholt hat ohne etwas zu tun. Sie war da, einfach da und hat mir vertraut, hat mir ihr Herz geschenkt. Meine Worte klingeln kitschig und klischeehaft, doch sie hat mich verändert.

Ich frage mich warum alles so ist, wie es ist. Hätte ich damals nicht so tief in der Scheiße gesteckt, hätte ich mich, nicht noch mehr reingeritten. Und hätte ich sie nie kennengelernt, hätte ich mich nicht verliebt und mich ferngehalten, hätten wir heute zwei gebrochene Herzen weniger, obwohl mein Herz dem Tod gerade ins Auge blickt. Es hätte alles anders kommen müssen. Jetzt stehe ich hier, meiner blinden Freundin gegenüber und lass ihr Herz in Scherben zerspringen.

Es kam alles so überstürzend: ich habe sie zum Boxclub mitgenommen, wir sind Chris begegnet, alles hat in mir verrückt gespielt und dann, dann mache ich alles kaputt.

Ich weiß es, ich sehe es, sie ist am Boden zerstört und versteht die Welt nicht mehr. Ihre Augen wirken mit einmal so kalt mir gegenüber. Tränen die sich in ihren Augen sammeln, würden ihr jetzt, wenn alles anders gekommen wäre, die Sicht nehmen.

Sie wirkt so zerbrechlich, umso mehr habe ich Angst sie kaputt zu machen wenn ich sie nur anschaue. Und als sie sich einige Schritte von mir entfernt, durchfährt mich die Kälte als würde sich der Frost persönlich in mir ausbreiten und mich zu Eis verarbeiten. Meinen Arm strecke ich automatisch nach ihr aus, sie schlägt ihn weg und dreht sich um. Ich schließe meine Augen. Ich habe sie verloren, für immer.

Lou

Ich kann nicht anders, ich ertrage ihn gerade nicht. Er hat die ganze Zeit, dieses Geheimnis in sich getragen. Ich wollte immer wissen was in ihm vorgeht, warum er damals so besoffen in meinem Zimmer aufgetaucht ist und warum er sich gegen jeden so kalt verhalten hat. Er konnte nicht anders, er hat es mit sich rumgeschleppt, Tag für Tag. Vielleicht, ist er Schuld ja, aber andere tragen noch eine größere Schuld mit sich, doch das ändert nichts daran, dass er es so lange verschwiegen hat.

"Ich schätze dieser Chris war auch dabei?" frage ich mit zittriger Stimme. Hätte er mir je die Wahrheit gesagt, wenn wir Chris heute nicht begegnet wären?

"Hättest du mir je die Wahrheit gesagt ?"

"Ich habe sie dir gerade gesagt. Zumindest den wichtigsten Fakt." flüstert er hinter mir und ich spüre das er näher auf mich zukommt.

"Auch wenn wir Chris nicht begegnet wären?" ächze ich.

"Ich wollte dir schon so lange alles erklären. Jedes Mal wenn ich in deine Augen schaue, sehe ich was passiert ist. Ich war damals mit Drogen vollgedröhnt, konnte nicht mal meine eigenen Gedanken ordnen und als der Unfall passierte, rutschte ich noch tiefer. Lou ich lüge nicht, wenn ich sage das ich dich liebe und dich brauche." schluchzt er hinter mir. Gänsehaut überzieht meinen Körper und ich schlage die Arme um mich.

Die Tränen hören nicht auf zu stoppen und ich fange an zu zittern. Als ich mich umdrehe, steht er dicht vor mir. Ohne zu überlegen lege ich meine Lippen auf seine. Es ist ein verzweifelter Kuss unter Tränen. Vermutlich unser Letzter.

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