3 Personen, 6 Probleme (+4)

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Er rannte schon fast die Treppe hinunter und drängelte sich dort durch die Menschenmenge. Eine Ansammlung von schwitzenden, aneinander gepressten Körpern. Die Luft war stickig und es fühlte sich an, als stände nicht einmal genug für den eigenen Atem zur Verfügung. Seine Sicht war nicht klar. Es war dunkel, die Lichter brannten in seinen Augen. Monster, die er noch nie zuvor gesehen hatte, drängten sich unscharf in sein Blickfeld, wollten ihn nicht gehen lassen und doch hatte er nur ein Ziel: den Ausgang.

Endlich gelang es ihm aus der Masse hemmungsloser Gesichter zu treten und das ersehnte Ziel zu erreichen. Die kühle Luft brannte in seiner Lunge. Draußen hechtete er zu seinem Wagen, öffnete dessen Tür und stieg ein. Das Spukschloss glitt in sein Sichtfeld. Nicht einmal hatte er sich umgedreht, hatte nicht über seine Entscheidung nachgedacht, doch jetzt wurde ihm bewusst:

Er hatte ihn zurückgelassen. Den Mann, welcher sich noch nie zuvor so einem anderen Menschen geöffnet hatte wie ihm. Er hatte ihn einfach dort gelassen. Ihm den Rücken zugekehrt. Sich nicht noch einmal umgedreht.

Das war nicht er. Er verstand nicht, was er hier tat. Wie war das passiert? Seine Hand wischte in einer fließenden Bewegung die vollkommen unberechtigten Tränen hin fort und startet dann sein Gefährt. Er wollte hier weg, dem Mitternachtstanz der Puppen entfliehen und zu den Sternen fliegen, so schnell er konnte. Wieso hatte er eingewilligt? Wieso hatte er das getan? Wieso konnte das geschehen? Er würde ja doch keine Antwort bekommen.

So schnell wie er dort eingestiegen war, stieg er nun an seinem Ziel wieder aus. So schnell seine Füße ihn trugen, so schnell flog er zur Tür. Kein Ahnung, ob er noch rechtzeitig war. Das Zeitgefühl hatten sie ihm im Geisterschloss genommen. Die Tür schwang auf und er trat ein. Es schien nur ein Licht auf der gesammten Burg zu brennen. Er verstand nicht, war er zu spät? Seine Füße glitten über den Boden durch eine weitere Tür, hin zur Quelle des Scheins. Doch seine Gebete wurden nicht er hört.

Niemand war dort.

Es standen zwei Kerzen aus dem Boden und zwischen ihnen lag eine kleine Schatulle. Ein Kästchen. Für ihn? Um die Kerzen herum hatte jemand ein Herz aus tausenden Tränen geformt. Tränen, in verschiedenen Farben und Formen. Tränen, die so scharf schnitten, wie es sonst nur Worte könnten. Tränen, die doch anders waren als die, die ihm die Wangen hinunter liefen.

Seine Roboterhand fuhr nach vorne und griff nach dem Kästchen. War es für ihn? Sollte er es öffnen? Doch wenn es seines liebsten Pandora gehörte? Was würde er finden? Das Schrecklichste aller Schrecken? Die Hoffnung der Welt? Wollte er es wissen?

Er musste Pandoras Schatten überwinden und die Schattule öffnen. Eigentlich wollte er die Augen schließen, Angst vor den Sonnenstrahlen des Inneren. Doch er konnte es nicht. Das durfte er seinem Liebsten nicht antun.

In Pandoras Eigen' lag der Schlüssel. Damit hatte er nicht gerechnet. Wessen, was für ein? Der Schlüssel. Klein und unscheinbar und doch verband sich mit ihm so viel Macht und Leidenschaft. Den heiligen Gral würde er finden mit diesem Stück Metall.

Der Schlüssel zum Herzen seines Liebsten.

-Niall-

Leise öffnet sich die Tür. Ich wage es nicht mich zu bewegen, denn ich will ihm bloß nicht das Gefühl geben, dass ich wegen ihm nicht schlafen konnte. Seine Schritte sind schwer.

,,Ni...?", schnift er, doch ich antworte ihm wieder nicht. Weint er? Ist etwas passiert? Die andere Seite des Bettes senkt sich.

,,Es tut mir leid...", seine Stimme zittert. ,,Was hab ich bloß getan..." Er legt sich neben mich. Der Geruch von Alkohol und Schweiß steigt mir in die Nase. Ist er betrunken? Aber so ist er nicht gefahren, oder? Seine Arme legen sich um meinen Bauch und seine Hände finden meine.

,,Niall...?", seine Worte sind nur ein Hauch. Ich beginne mich zu fragen, ob ich nicht aufhören sollte auf ihn wütend zu sein und mir ernsthaft Sorgen machen sollte.

,,Es tut mir so leid..."

Diary [Narry Storan ff]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt