KAPITEL 3

2.2K 147 4
                                    

Es ist laut und stickig im großen Saal, sodass ich liebend gerne in meinem Bett liegen und meine Kopfschmerzen auskurieren lassen würde. In der Hoffnung, es würde etwas helfen, massiere ich mir die Schläfen, während Lord Istriana neben mir mit meinem Bruder plaudert und mein Vater ebenfalls ein Gespräch mit jemandem führt, den ich nicht kenne.

Gelangweilt von dem Fest beobachte ich die verschiedenen Leute hier im Saal. Viele sind schon leicht angetrunken und lallen vor sich hin. Andere sitzen wie ich da und wünschen sich gelangweilt oder verzweifelt das Ende herbei.

Und dann gibt es auch die Leute wie Arden und Lord Istriana, die sich blendend amüsieren und miteinander unterhalten. Ich wundere mich, dass Lord Istriana noch nicht betrunken ist oder wenigstens angetrunken. Nein, nichts dergleichen! Dabei hat er schon sechs oder sogar sieben Weingläser geleert.

Ich bin schon nach mindestens zwei Gläsern angetrunken und von mehr würde ich mir in jedem Falle abraten.

Kann man nicht wenigstens ein Fenster öffnen? Hier drinnen fühlt man sich wie in einer zu kleinen Luftblase mit zu vielen Menschen. Und jetzt ist der Moment gekommen, in dem mir die Luft beinahe endgültig ausgeht. Ich brauche meine Ruhe, viel frische Luft und ein Glas Wasser; erst dann würde ich weiterhin hier präsent sein können.

Zu meinem Glück läuft in genau dem Moment ein Diener mit einem Krug voll Wein herum und füllt die Gläser auf. Als er bei mir ankommt und mein Glas erneut füllen möchte, mache ich eine ablehnende Handbewegung und befehle ihm herrisch: "Öffnen Sie bitte die Fenster und bringen sie mir ein Glas Wasser!" Ob das autoritär genug war?

Er nickt ergebenst und geht weiter. Hoffentlich hat er es auch wirklich verstanden. "Gefällt es Ihnen?", fragt mich der Lord, nachdem er seinen Blick von Arden abgewandt hat, und schaut nun zu mir.

"Mir ist es etwas zu stickig", antworte ich erschöpft und streiche mir durch meine Haare. "Oh, soll ich Sie zu ihrem Zimmer bringen?", will er besorgt wissen und mustert mich nun genauer, doch ich winke ab, da ich genau weiß, dass meine Mutter mir befehlen würde, der Feier beizuwohnen, bis sie endet.

"Nicht nötig, ich halte es noch aus. Ich habe schon gebeten, die Fenster öffnen zu lassen", antworte ich und ringe mit einem Lächeln. "Nicht sehr glaubhaft, Lady Rose. Wenn es Ihnen nicht bald besser geht, werde ich sie gegebenenfalls auch gegen Ihren Willen in ihr Zimmer tragen. Ich bin stärker als Sie, denken Sie daran", meint er ernst.

Ich nicke und denke mir gleichzeitig, dass ich im direkten Nahkampf vermutlich besser wäre, obwohl er größer ist. Ob er wohl gut kämpfen kann? Er muss gut kämpfen können, schließlich ist er einer der stärksten Lords im Kampf und Krieg.

Unsere Hochzeit wurde auch teilweise von dem König arrangiert, weshalb meine Eltern von dieser Verbindung sehr erfreut sind. Wie es mir damit geht, interessiert keinen. Ich wollte eigentlich noch nicht weg, immerhin bin ich noch nicht einmal volljährig und muss bereits den Bund der Ehe schließen.

Anderseits hätte ich auch schon früher verheiratet werden können. Schon ab fünfzehn Jahren, in seltenen Fällen auch mit nur vierzehn, darf man seine Kinder verheiraten. Die Männer andererseits sind immer älter. Dass Mann und Frau gleich alt sind, ist noch nie vorgekommen. Lord Istriana ist vierundzwanzig Jahre alt und damit ungefähr acht Jahre älter als ich.

Er hat mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Lebenserfahrungen als ich bisher gesammelt habe, doch von welchen könnte ich auch schon berichten? Von meiner ersten selbstgezüchteten Rose oder dem ersten gestickten Taschentuch von mir, welches ich übrigens erst sehr spät zustande gebracht habe.

Ich bin einfach viel zu ungeduldig und pikse mir öfter in die eigenen Finger als in den Stoff. Meine kleine Schwester Darija ist in solchen Dingen viel talentierter. Ihre gestickten Tücher sehen aus, wie die von meiner Mutter, obwohl sie erst fünfzehn Jahre alt ist. Also in einem heiratsfähigen Alter, ob sie die nächste sein wird?

Oder ob erst Nado verheiratet wird? Nein, er ist noch zu jung. Er müsste mindestens zwanzig Jahre alt sein, um heiraten zu können. Arden ist zweiundzwanzig Jahre alt und Fiona achtzehn, das würde passen. Ich hoffe nur, dass ich nicht mit achtzehn Jahren mein erstes Kind bekommen werde. Schon bei der Vorstellung wird mir leicht schummrig.

"Über was denken sie nach, Lady Rose? Sie wirken sehr abwesend", bemerkt Lord Istriana und beugt sich zu mir runter, er ist immerhin fast eineinhalb Köpfe größer als ich. "Ach, nichts. Ich denke nur darüber nach, wie die Reise wohl aussehen wird", meine ich nachdenklich.

Dass ich gelogen habe, muss er ja nicht wissen.

"Es wird sicherlich schön, aber auch anstrengend", erklärt er und schaut aus dem Fenster. Ich drehe meinen Kopf auch zu den Fenstern, die noch immer geschlossen sind. Der Diener scheint es leider nicht verstanden zu haben. Lord Istriana denkt wohl dasselbe, denn er steht auf und geht zu einem Diener, der verloren in einer Ecke steht und spricht mit ihm. Als er sich wieder setzt, sind die ersten Fenster schon geöffnet.

Froh darüber, dass mich nun endlich frische Luft umgibt, lehne ich mich etwas in meinem unbequemen Stuhl zurück und schließe die Augen. 

Ob mich Lord Istriana dabei beobachtet, ist mir mittlerweile vollkommen egal. Ich freue mich über die kalte Luft, atme sie ein und fühle mich für eine Sekunde wie neugeboren.

"Hier ist Ihr Wasser, Lady Rose", murmelt ein Diener diskret und stellt es vor mir auf die Tafel. Erschrocken fahre ich hoch und bedanke mich recht herzlich dafür. Sobald ich einen kleinen Schluck nippe, merke ich bereits, wie die Energie in mich zurückschießt. "Danke", flüstere ich Lord Istriana zu, der nur zufrieden grinst. Ein bisschen seltsam ist er ja schon.

Da steht mein Vater auf und die Menschenmenge verstummt. Als dann Ruhe einbricht, beginnt mein Vater zu sprechen. "Um den jungen Leuten einen Spaß zu bereiten, eröffne ich nun offiziell das Tanzparkett."

Innerlich verdrehe ich die Augen und stöhne auf. Ich hasse das Tanzen! Viel zu viele Menschen auf einer zu kleinen Fläche. Zudem muss man immer aufpassen, wann man den Partner wechseln muss. 

Ich sehe den Leuten lieber dabei zu. Das bereitet mir Spaß, doch wenn mich Lord Istriana auffordert, werde ich wohl mit ihm tanzen müssen. Dieser sieht mich in diesem Moment an und scheint etwas sagen zu wollen.

"Ich bin kein begabter Tänzer, aber vermutlich müssen Sie einen Tanz mit mir aushalten", meint er in einem ehrlichen Tonfall. "Ein Tanz klingt doch sehr gut", sage ich kichernd, stehe auf und lasse mich von Lord Istriana zur Tanzfläche führen, auf der Arden und Fiona schon fröhlich herumwirbeln.

Voller Neid beobachte ich die beiden. Arden war schon immer besser im Tanzen als ich. Schon streckt Lord Istriana seine Hände nach mir aus und ich lege meine in seine, die sich warm und leicht rau anfühlen.

"Ich gebe mein Bestes", sagt er noch und fängt an, mit mir zu tanzen. Und überraschenderweise freue ich mich irgendwie darauf mit ihm zu tanzen.

GoldsternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt