Endlich befreit von dem zwar wunderschönen, aber sehr schweren Brautkleid strecke ich mich erstmal. Kein Korsett, keine hohen Schuhe oder schwerer Schmuck. Palina hat mich in ein weißes, fast durchsichtiges schulterfreies Nachtkleid gesteckt. Überall sind feine Rüschen angebracht worden. Es sieht schon fast elfisch aus.
Ich fühle mich wie entblößt in diesem Kleid, was vermutlich auch Sinn dieses Kleidungsstückes ist. Palina richtet noch Kleinigkeiten, obwohl man bei diesem Stofffummel nicht viel richten kann. Meine Haare fallen mir natürlich über die Schultern und bedecken wenigstens diese dadurch ein wenig.
Ich weiß nicht, ob Palina merkt, dass etwas nicht mit mir stimmt, aber sie macht alles viel sanfter. Fast so, als wäre ich zerbrechlich wie eine Porzellanpuppe. Welche keine sehr schlauen Anschaffungen sind. Verstauben ständig oder gehen kaputt durch einen Windhauch. Schrecklich.
"Seid Ihr aufgeregt, Mylady?", will Palina wissen, während sie einen Schritt wegtritt und zufrieden ihr Werk betrachtet. Bin ich denn aufgeregt? Ja, vor seiner Reaktion und dem, was danach dann passieren wird.
"Ein wenig.", antworte ich etwas wahrheitsgemäß.
Nur die wenigsten Menschen wissen davon. Selbst meine Familie hat nie davon erfahren, außer Arden. Er war derjenige, der mir half, damit zurechtzukommen. Die ersten Monate sind die schlimmsten gewesen.
Ich muss nur daran zurück denken und mir läuft ein eiskalter Schauer über den Rücken. Meinen Eltern wären verzweifelt gewesen, wenn sie gewusst hätten, dass ihre Tochter keine Jungfrau mehr ist.
Und damit eigentlich nicht mehr gut genug für eine Ehe mit einem angesehenen Lord. Vielleicht hätte ich einen Landfürsten geheiratet, aber da der König von meinem Retter damals Bescheid bekommen hat, hat er auch vermutlich dafür gesorgt, dass ich einen hohen Lord heiraten werde. Er möchte mir wahrscheinlich helfen, gutmütig sein.
Seit ich wusste, dass wir heute heiraten, habe ich immer öfters an unser Gespräch gedacht, als der Arzt bei Aramis gewesen ist. Ich habe es da erst erfahren, dass er es weiß. Davor dachte ich, es wüssten nur die Vergewaltiger, der Wachmann und mein Bruder.
Dass es der König auch wusste, bereitete mir Angst und ich verstand nicht, warum ich ausgewählt worden bin als Frau für Aramis. Wäre denn eine Frau ohne eine solche Vorgeschichte nicht besser geeignet?
"Lady Istriana, Sie können reingehen. Viel Glück.", wünscht Palina mir freundlich und lächelt mich an. "Danke, Palina.", antworte ich sanft und werfe ihr einen sehnsüchtigen Blick nach, als sie durch eine andere Türe verschwindet.
Im Prinzip könnte ich ihr jetzt folgen und fliehen, aber das will ich weder Aramis noch dem König oder meiner Familie antun. Langsam und mit kleinen Schritten laufe ich zur Türe. Ich lege meine Hand auf die Klinke. Wenn ich jetzt reingehe, kann sich mein ganzes Leben entweder zum Guten oder Schlechten wenden.
Ich versuche, möglichst leise die Klinke herunter zu drücken, aber Aramis nimmt das Geräusch wahr, weil er sich augenblicklich zur Türe dreht. Er selbst trägt ebenfalls ein ähnliches Gewand. Ich komme mir so lächerlich vor in diesem Aufzug. Wir hätten auch gleich nackt sein können.
Er sieht mich schief an und will wissen: "Erfahre ich es jetzt?" "Ja.", antworte ich und setze mich auf das Bett neben ihn. Er sieht mich so erwartungsvoll an. Hoffentlich denkt er nicht, dass jetzt etwas Schönes ans Licht gebracht wird.
"Also-", fange ich und versetze mich zurück in den kalten, dunkeln Raum.
Da waren diese beiden Männer. Einer stand vor der Türe, während der andere sich mit mir begnügte. Es war schrecklich, ich hatte mich nicht wehren können. Musste miterleben, was er mir nahm. Er nahm mir das wohl Wichtigste, was ich brauchte für mein späteres Leben. Ich dachte, er will es kurz und schmerzvoll machen, aber es war das Gegenteil.
Er war sanft gewesen, wollte mir so wenig Schmerzen wie nur möglich zubereiten. Und trotzdem tat er mir weh, tat mir weh mit dem, was er tat. Ich konnte keine einzige Sekunde davon genießen, musste immer an die Schande denken, die über meine Familie herfallen würde. Aber am allerschlimmsten war der rote Fleck auf dem Laken, der Beweis für meine Pein.
"Rose, bist du noch hier?", fragt Aramis und wedelt mit seiner Hand vor meinem Gesicht.
Erschrocken fahre ich hoch, entreiße mich den Erinnerungen und fahre fort: "Was ich dir jetzt sage, ist nichts Schönes und etwas, das niemandem widerfahren sollte. Du bist der sechste Mensch, der davon erfährt. Obwohl zwei daran beteiligt waren, zwei mir geholfen haben und einer es über den Helfer erfahren hat. Ich habe nur eine Bitte an dich, bevor ich anfange zu erzählen: Ich möchte nach diesem Abend nie wieder über dieses Thema sprechen."
Mit hochgezogener Augenbraue sehe ich ihn streng an. Er nickt und sieht so aus, als wüsste er genau, was jetzt kommen wird.
"Sprich weiter.", sagte er in einem ruhigen Tonfall. Ich atme tief ein und dann wieder aus. Fahre mir durch mein Haar. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Am Anfang vermutlich.
"Es war vor einem Jahr. Ich war spätabends in der Stadt, da ich mich mit jemandem treffen wollte. Aber zu diesem Treffen kam es nie. Kurz nachdem ich mich aus dem Schloss geschlichen hatte, waren da zwei großgewachsene Männer und entführten mich quasi. Ich hätte mich gegen einen wehren können, aber es waren gleich zwei und dazu waren sie bewaffnet."
Ich stocke kurz und sammle meinen Gedanken wieder, bevor ich weiterspreche. Aramis Blick meide ich ganz bewusst.
"Sie brachten mich in eine für mich unbekannte Gegend in der Stadt in eine kleine Wohnung. Der eine hielt Wache vor der Wohnungstüre, falls doch jemand kommen sollte. Ich wurde in ein Schlafzimmer gebracht und auf das Bett geworfen, wie ein Sack Kartoffeln. Ich hatte riesengroße Angst vor dem was jetzt kommen wird." Ich verstummte kurz und holte tief Luft, bevor ich fortführe.
"Ich habe mich auf das Schlimmste vorbereitet, aber er wollte mir nicht wehtun. Er hat mir meine Jungfräulichkeit genommen und mir damit mehr angetan, als ihm bewusst war. Ich konnte mich nicht einmal wehren, da er mich so im Griff hatte. Ich sah keine andere Möglichkeit, ich hatte eine solche Angst vor den Auswirkungen seiner Tat. Zuerst habe ich noch gehofft, es würde nicht bluten, aber als er fertig war, war der rote Fleck eindeutig auf dem Bettlaken zu sehen."
Ich stocke und erwarte irgendeine Reaktion von ihm, aber er sagt nichts.
"Sobald sie er mir meine Jungfräulichkeit genommen hatte, wollte sein Kollege auch noch. Ich war seelisch am Ende. Er war so grob und gemein. Nachdem auch er sich begnügt hatte, brachten mich beide dahin zurück, wo sie mich auch eingesammelt hatten.", beende ich meine Erzählung und schaue ihn an.
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Goldstern
Historical FictionDie vier großen Lordschaften, bestehend aus dem Norden, dem Osten, dem Süden und dem Westen, lebten einst in gewaltloser Koexistenz Seite an Seite, doch dies hat sich im Verlauf der Weltgeschichte drastisch geändert. Es werden Ehen ausgehandelt und...