KAPITEL 7

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Schon seit einer Woche kümmere ich mich um die kleine Amelie, da es Lily noch zu schlecht geht, um sich allein um ihre Tochter zu kümmern. Das Stillen ihrer Kleinen gelang ihr gerade noch, aber sonst ist sie einfach zu müde oder leidet unter Schmerzen. Lord Istriana hat dafür gesorgt, dass sich immer eine Heilerin um Lily kümmert.

Ich habe dann angeboten, mich so lange um Amelie zu kümmern. Die langen Ritte waren so viel unterhaltsamer und selbst mit Lucia konnte ich mich . So schrecklich ist sie gar nicht, denn mit ihrem ständigen Reden unterhält sie mich und erfüllt somit ihre Aufgabe.

Gerade reiten wir durch einen Wald; Lucia mit mir und Amelie in der Mitte des Zuges. Lord Istriana ist ganz vorne mit seinen Beratern, da wir in zwei Tagen die Grenze passieren und dann für eine kurze Zeit im Westen sind.

Lord Istriana wollte lieber diese Route nehmen, da der dort herrschende Lord ein guter Freund von ihm ist, wie Lucia mir erzählt hat. Ich kenne den Lord aus dem Westen nicht persönlich; er war zwar ein paar Mal bei meinem Vater zu Besuch gewesen, jedoch hatte ich damals nicht die Erlaubnis, den Gast zu begrüßen.

"Oh, schaut. Der Lord kommt zu euch", ruft Lucia erfreut. Ich blicke auf und sehe tatsächlich den Lord auf uns zureiten. Seine Haare wehen etwas bei dem leichten Wind.

"Hallo, Lady Rose. Hätten sie und Amelie Lust, ein Stückchen mit mir zusammen zu reiten?", fragt er und lächelt mich charmant an. "Natürlich", antworte ich, bevor wir uns ein wenig von Lucia entfernen, um für uns zu sein.

"Wir werden meinen alten Freund wahrscheinlich in zwei Tagen auf einem seiner Anwesen antreffen. Er hat uns eigentlich für eine Woche eingeladen, aber ich habe abgelehnt, da ich gerne so bald wie nur möglich weiterreisen möchte", fängt er das Gespräch an.

Ich nicke und meine nachdenklich: "Ich war noch nie im Westen."

Erstaunt schaut er mich an, als müsste er sich versichern, dass ich das wirklich gesagt habe. "Dann ist dies wohl ihr erstes Mal hier", erwidert er. Ich will etwas entgegnen, aber Amelie fängt an zu schreien und ich widme mich ihr, wiege sie leicht in meinen Armen und flüstere ihr beruhigende Worte zu.

"Hat sie Hunger?", fragt Lord Istriana besorgt und reitet etwas näher zu mir, um Amelie betrachten zu können. "Ich glaube nicht, sie hatte erst Milch", meine ich und versuche Amelie zu beruhigen, aber es klappt nicht wie die Tage davor.

"Darf ich?", fragt Lord Istriana und sieht mich bittend an. Verdutzt erwidere ich seinen Blick und meine dann: "Aber immer gut auf das Köpfchen aufpassen." Er nickt und ich überreiche sie ihm. Amelie ist kurz verwirrt, was mit ihr geschieht, bis sie sich mit ihrem Däumchen im Mund an ihn kuschelt.

"Ihr hat einfach ein Mann gefehlt", meint der Lord amüsiert und ich kichere. "In ein paar Wochen wird ihr Vater dann aber die Rolle übernehmen", sage ich und zerplatze damit seine scheinbare Vorstellung. "Und diese restliche Zeit werde ich auch ausnutzen. Schließlich muss ich für meine zukünftigen Kinder üben", entgegnet er lachend und ich stimme mit ein.

"Ich will später einmal eine kleine Kinderschar um mich herumhaben", meint der Lord nachdenklich und schaut dabei Amelie verträumt an. "Wissen Sie, ich bin alleine ohne Geschwister aufgewachsen", fügt er noch hinzu.

"Ich wuchs mit meinen ganzen anderen Geschwistern auf und es war die schönste Zeit meines Lebens. Meine Kinder sollen auch diese Erfahrungen machen dürfen", erzähle ich ihm.

Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, muss ich automatisch grinsen. Arden und ich waren immer zusammen gewesen; entweder draußen im Garten oder im Schloss beim Verstecken spielen.

Mit Darija konnte ich erst später etwas anfangen. Als Arden älter wurde und immer mehr Dinge anders machen musste als ich, kamen Darija und ich uns erst richtig nahe. Mit meinen jüngeren Geschwistern habe ich gerne gespielt, aber kleine Kinder sind anstrengend.

"Am liebsten hätte ich jetzt schon ein Kind", murmelt er leise. Ich weiß nicht, ob ich es hätte hören sollen oder er es nur zu Amelie gesagt hat, doch ich halte einfach meinen Mund und tue so, als hätte ich nichts gehört.

"Sie schläft", bemerkt Lord Istriana und lächelt mich an.

"Es lag bestimmt an Ihnen", meine ich lachend und kriege Amelie von ihm wieder zurück in die Arme gelegt, als hätte er Angst, dass sie bei ihm aufwacht. Sobald ich von Amelies zauberhaftem Anblick aufsehe, erkenne ich Plaum, der auf uns zureitet. 

Der Lord hat ihn wohl auch gesehen, denn er richtet sich ein wenig auf und wirkt gleich viel mehr wie ein starker Kämpfer. Ich drücke Amelie ein bisschen mehr zu mir, damit sie nicht aufwacht.

"Aramis, wir sind in ein paar Minuten beim Gasthaus angelangt", ruft er dem Lord zu. Dieser nickt und entgegnet: "Haben wir auch Zimmer bekommen?" "Selbstverständlich", antwortet Plaum und reitet neben Lord Istriana her, während sie noch einige Kleinigkeiten besprechen, bis Plaum schließlich weiterreitet.

"Woher kennen Sie ihn eigentlich?", frage ich ihn. Ich will unbedingt etwas mehr über ihn erfahren, das gehört für mich zu einer guten Ehe einfach dazu. Genauso sollte er etwas über mich wissen.

"Er wuchs mit mir zusammen auf, woraus diese Freundschaft entstand. Später habe ich ihn dann zu meinem Berater gemacht, da ich ihn nicht verlieren wollte und er zudem ein recht guter Kämpfer ist", beantwortet er meine Frage und stellt mir ebenfalls eine. "Hatten sie auch eine gute Freundin im Schloss?"

"Ich mochte meine Zofe, aber eine richtige Freundin hatte ich nicht. Meine Mutter hat mich immer mit meinen Geschwistern spielen lassen und als ich dann älter wurde, hatte ich kein direktes Interesse an einer Freundin", erkläre ich ihm und erblicke währenddessen das Gasthaus, das sich in seiner vollen Größe vor mir auftat.

Während sich die ersten Leute aus dem Gefolge bereits in der Scheune neben dem Gasthaus einrichten, steigt Lord Istriana von seinem Pferd und nimmt mir Amelie ab, damit ich ebenfalls absteigen kann. 

Unsere Pferde werden daraufhin von einem jungen Stallburschen weggebracht und ich nehme wieder Amelie an mich, wobei ich mich bei dem Lord einhake. Diese Geste bringt ihn zum Grinsen, während er mich in den Gastraum begleitet.

Dort drinnen sitzen ein paar vereinzelte Bauern oder Kaufmänner und hinter der Theke steht ein kleiner, untersetzter Mann, der Wirt, der bereits mit Plaum redet. Der Wirt nickt immer, wobei sein Gegenüber wild mit seinen Händen gestikuliert. Dann ist das Gespräch auch schon beendet und der Wirt nähert sich uns.

"IhreZimmer liegen oben, im rechten Gang", meint er in seiner kurzenVerbeugung. "Danke, Wirt", erwidert Lord Istriana höflich.


GoldsternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt