Wie erstarrt sitze ich neben Aramis und einem wichtigen Berater, der aber eher aussieht wie ein Kämpfer. Aramis beobachtet mich schon die ganze Zeit mit Argusaugen, als könnte ich jeden Moment etwas anrichten.
"Es tut mir leid wegen vorhin. Du hast Recht, ich hätte dich nicht so behandeln sollen", meine ich und sehe ihn zerknirscht an, während sich ein Lächeln auf seine Lippen schleicht. "Du musst eben noch lernen, aber ich verzeihe es dir.", sagt er in einem sanften, fast schon zärtlichen Tonfall.
"Danke.", murmele ich und beuge mich vor, um ihm einen Kuss zu geben.
Es fühlt sich so falsch an, ihn vor den Augen von Quirin zu küssen, welcher gleich von ebendem Mann getötet wird, den ich gerade küsse. Aber es muss sein, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Er soll denken, dass ich jetzt nichts mehr anstellen werde, damit ich irgendetwas tun kann. Und bis jetzt klappt es ganz hervorragend.
"Sind die Ratssitzungen bis jetzt anstrengend?", mime ich die gute Ehefrau und lächele ihn an. Er macht eine wegwerfende Bewegung und meint: "Bis jetzt noch nicht, aber es wird sicherlich noch kräftezehrender."
"Du Armer. Du kannst es vermutlich kaum erwarten, endlich nach Nordstern zu reisen.", sage ich und wecke damit in ihm Heimatsgefühle aus. "Oh, ja. Ich freue mich jetzt schon auf den Tag, an dem wir endlich abreisen werden. Er wird schon bald kommen.", erwidert er fröhlich und sieht verträumt in den Himmel.
"Nur noch fünf Minuten, dann fängt es an.", flüstert uns Clemens begeistert zu und ich lächele nur, doch Aramis erwidert etwas darauf, was ich allerdings akustisch nicht erfasse.
"Aramis.", flüstere ich und stupse ihn an. "Was ist, Rose?", will er wissen und sieht mich besorgt an. "Ich fühle mich nicht so gut.", meine ich zerknirscht und spiele mit meinen Händen. "Kann ich mir kurz die Beine vertreten?", flehe ich und sehe ihn mit großen Augen an.
Ich möchte nicht dabei zusehen müssen, wie Quirin hingerichtet wird. Und ich will Aramis auch in gewisser Weise ärgern und reizen. Ich lasse nicht mit mir sprechen, wie er es vorhin getan hat. Ebenso wenig hat er mit vorzuschreiben, wie ich mich verhalten muss.
Ich weiß mich sehr wohl zu benehmen. Mit dieser Aktion will er nur seinen eisernen Willen durchsetzen und dazu braucht er mich jetzt. Durch Quirin' Tod wird er mich leiden sehen.
"Rose, du kommst hier nicht weg. Egal wie schlecht es gehen wird.", presst er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, da der hohe Lord aus dem Westen geradewegs auf uns zukommt. Lord Holm folgt eine Frau mit langem, brünettem Haar.
"Du hast es so gewollt.", flüstere ich Aramis amüsiert zu und stehe ebenfalls auf wie er. Er sieht mich schmunzelnd an und erwidert: "Das würdest du nie wagen." "Woher willst du das wissen?", kontere ich selbstbewusst und setze ein Lächeln auf, da die beiden gleich bei uns angekommen sind.
"Weil du dann persönlich die Ehre hast, Quirin zu köpfen.", droht er mir und hakt mich bei sich ein Entsetzt sehe ich ihn an und sage: "Das würdest du nie zulassen. Wie würdest du dann vor dem Königshof dastehen."
Er sieht mich verschmitzt an und entgegnet, "Du bist besser als ich dachte, Rose." "Ich weiß, Aramis.", flüstere ich zurück, doch da wird unser Gespräch schon unterbrochen.
"Aramis, alter Freund. Wie lange haben wir uns jetzt nicht mehr gesehen? Auf jeden Fall hattest du das letzte Mal noch keine Frau an deiner Seite.", begrüßt er Aramis freundschaftlich und lächelt mich an. "Wenn das doch nicht die Tochter von Kiran ist. Wunderschön bist du.", sagt er und küsst mir höflich die Hand, wie es sich gehört.
"Hört auf, mir zu schmeicheln, Ihr selbst habt doch eine bezaubernde Frau an Eurer Seite. Nicht wahr, Beatrice?", meine ich abwinkend und lächele die Genannte an. Diese errötet und entgegnet schüchtern: "Ich danke Euch vielmals."
Ich lächele sie an und fange ein unverfängliches Gespräch mit ihr an, während Aramis und Metter das gleiche Spiel betreiben. Die Männer entfernen sich ein paar Schritte von aus, um über wohl privatere Dinge zu sprechen.
"Wie lange bleibt ihr noch hier?", will Beatrice interessiert wissen. "In den nächsten Tagen wollte Aramis aufbrechen.", antworte ich ihr höflich und stelle ihr dieselbe Frage. "Metter möchte so schnell wie möglich nach Weststern. Er ist nicht gerne am Königshof und ist auch nur wegen eurer Hochzeit gekommen.", verrät sie mir und schaut zu den Männern herüber, die sich sehr lebhaft unterhalten.
Aramis sieht zu uns und ich lächele ihn scheinheilig an, bevor ich mich wieder der Gattin von Lord Holm widme. Während des Gespräches muss ich feststellen, wie einfältig sie ist. Meine Mutter wäre vermutlich begeistert von ihr.
Endlich eine Frau, die weiß, wie man sich als gute Ehegattin zu verhalten hat. Sollen wir Frauen uns etwa wirklich als Dummchen darstellen, damit unsere Männer intelligenter wirken? Bei Beatrice scheint das gut geklappt zu haben. Schade nur, dass Mutter mich als Tochter hat.
"Meine Damen, kommt ihr? Es geht los.", ruft Aramis und winkt uns zu ihnen. Ich schlucke und laufe gemeinsam mit Beatrice zu unseren Männern. Aramis sieht mich schon abwartend an und legt seinen Arm um meine Taille, um sich gleich darauf zu mir zu ziehen.
Ich lege meinen müden Kopf auf seine Brust und warte darauf, dass es beginnt. Je schneller ich es hinter mich bringe, desto rascher kann ich mich wieder um wichtigere Dinge kümmern. Mich wundert es, warum die Hinrichtung wie ein großes Fest gefeiert wird. Es fühlt sich an wie auf einem Turnier.
Nur dass alle auf eine Hinrichtung warten und nicht auf Kämpfe. Überall laufen Bedienstete herum und bieten einem Wein oder anders an. Aramis nimmt sich ein Glas Roten, während ich dankend ablehne. Ich muss nicht schon am frühen Nachmittag benebelt sein.
"Rose.", sagt Aramis und ich blicke hoch zu ihm. "Warum musst du immer deinen Willen bekommen?", fragt er mich, obwohl es so klingt, als würde er es sich selbst fragen. "Warum sagst du das?", will ich interessiert wissen. "Weil du ihn bekommen hast.", antwortet er matt darauf. Überrascht drehe ich mich um und frage verblüfft: "Quirin wird doch nicht hingerichtet?"
Er nickt nur und erwidert: "Ich war am heutigen Morgen so überzeugt davon, aber dann kamst du und jetzt wird er lebenslang im königlichen Kerker hausen." Vollkommen begeistert davon löse ich mich von ihm und rufe: "Du bist der Beste!" Er lacht erschöpft auf und murmelt: "Hoffentlich war das kein Fehler."
Aber ich antworte nichts darauf, sondern tue so, als hätte ich es nicht verstanden. Dann schauen wir uns nun anstelle der Hinrichtung ein kleines Turnier an, welches mir sowieso viel besser gefällt.
Obwohl ich nicht verstehe, was Aramis zu seinem Meinungswechsel gebracht hat. Dieser Mann bleibt mir ein Mysterium.
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Goldstern
Historical FictionDie vier großen Lordschaften, bestehend aus dem Norden, dem Osten, dem Süden und dem Westen, lebten einst in gewaltloser Koexistenz Seite an Seite, doch dies hat sich im Verlauf der Weltgeschichte drastisch geändert. Es werden Ehen ausgehandelt und...