"Möchten Sie noch etwas?", will ein Diener wissen und hält mir die Weinflasche hin.
Ich lehne lächelnd ab und widme mich wieder dem Gespräch. Aramis und Clemens reden über das schlechte Wetter, das hier momentan herrscht. Schon während des ganzen Essens regnet es draußen in Strömen und plätschert gegen die Fensterscheiben.
Amal mimt ebenso wie ich die gute Ehefrau und tut so, als würden die oberflächlichen Gespräche sie interessieren. Dezent im Hintergrund halten und trotzdem immer aufmerksam wirken.
Aber so wirklich gewinnt das Gespräch meine Aufmerksamkeit erst, als das Wort Hochzeit fällt. Clemens hat es gerade beiläufig in einem seiner Sätze verwendet und sofort bin ich hellwach. Über welche Hochzeit sprechen sie? Amal sitzt immer noch regungslos auf ihrem Platz und trinkt ein Schluck Wein.
"Ich lasse die Hochzeit gerade organisieren. In weniger als drei Tagen seid ihr verheiratet.", meint der König höchst erfreut. Geschockt sehe ich ihn an und will etwas sagen, bis mir wieder einfällt, dass es unschicklich wäre, doch Aramis hält von selbst dagegen.
"Die meisten werden dann nicht mehr rechtzeitig ankommen können." Clemens winkt nur ab und entgegnet gelassen: "Wenn der König einlädt, hat man zu kommen." Aramis sieht immer noch nicht so überzeugt aus und fragt: "Wie stellst du dir das eigentlich vor?" "Ah, Aramis. Mach dir da mal keine Gedanken. Ich werde alles regeln.", antwortet er gelassen und lässt sich Wein nachschenken.
Während Aramis sich über die Planung Gedanken macht, plagen mich ganz andere Sorgen. Ich hatte gewusst, dass die Hochzeit irgendwann kommen würde, aber ich dachte, bis dahin wäre ich dafür bereit. Aber das bin ich nicht, ich will noch nicht heiraten. Vor allem nicht nach alledem, was vorgefallen ist in den letzten Tagen.
Wenn Clemens meinen ängstlichen Blick wahrnimmt, so lässt er es sich nicht anmerken. In nur drei Tagen kann mein ganzes bisheriges Leben auf dem Kopf stehen. Um diese Vorstellung schnell wieder aus dem Kopf zu bekommen, nehme ich einen Schluck von dem Wein. Hoffentlich benebelt dieser meinen Verstand.
"Rose?" "Ja?", erschrocken sehe ich hoch und blicke Clemens an. "Du musst morgen zur Schneiderin. Sie soll dir ein Hochzeitskleid schneidern.", bestimmt er und lächelt mich freundlich an. "Natürlich.", antworte ich geistesabwesend und nehme noch einen Schluck.
"Morgen erwarte ich von dir, Aramis, wenn es dir gut geht, dass du der Ratssitzung beiwohnst.", teilt Clemens Aramis noch streng mit und verkündet dann, dass Amal und er sich jetzt zurückziehen würden, damit wir noch etwas Zeit für uns haben.
Zur selben Zeit, als die Türe hinter ihnen zufiel, lehne ich mich zum ersten Mal am heutigen Abend zurück. Auch Aramis wirkt gelöst. "Deine Familie wird vermutlich nicht kommen können.", meint Aramis nachdenklich und steht wacklig auf.
Vielleicht hätte er heute Abend nichts trinken sollen. Ich hoffe nur, dass es keine Auswirkungen auf sein Fieber haben wird, aber dann müsste er morgen wenigstens nicht zu der Sitzung.
"Daran habe ich gar nicht gedacht.", gebe ich offen zu. "Kann deine Familie denn kommen?", will ich neugierig wissen. Ich würde zu gerne seine Familie kennenlernen. "
Höchstwahrscheinlich nicht. Sie sind gerade im ihrem Wochenendhaus im hintersten Zipfel von der Lordschaft.", antwortet er etwas erschlagen. "Oh, schade.", meine ich, stehe ebenfalls auf und stelle mich neben ihn.
Ich will in diesem Moment etwas sagen, als er sich zu mir rumdreht und mir tief in die Augen schaut, während er fragt: "Was ist dein Geheimnis, Rose?" Wie aus Reflex gehe ich einen Schritt nach hinten und werde ganz bleich im Gesicht. Hatten wir das Thema nicht schon oft genug?
"Aramis...", fange ich an, aber er unterbricht mich dumpf. "Ja, ich weiß, du willst nicht darüber reden, aber ich-." Um seinen Worten etwas Nachdruck zu verleihen, hebt er mich am Arm fest, als er bemerkt, dass ich weglaufen will.
"Aramis, du erzählst mir doch auch nichts von deinen Geheimnissen.", werfe ich ihm an den Kopf und drehe ich mich wütend weg. Mit verschränkten Armen schaue ich aus dem Fenster hinunter in den großen Garten, wo um diese Uhrzeit keine Gärtner mehr herumwerkeln.
"Rose, dafür kennen wir uns noch nicht lange genug.", meint er plötzlich traurig und setzt sich auf einen der vielen Stühle, die hier zahlreich rumstehen. "Siehst du, genau das will ich dir auch übermitteln.", meine ich trocken lachend und stütze mich auf der Fensterbank ab.
Er fährt sich durch sein Haar und meint verzeihend: "Jetzt schon, entschuldige." "Schon gut.", erwidere ich matt.
"Aber jetzt lass uns gehen, ich mag diesen Raum nicht.", meint er und ergreift meine Hand. Sofort verschmelzen unsere Hände zu einer und beschwingt verlassen wir den Raum. "Warum magst du den Raum nicht?", will ich lachend wissen.
"Als ob du das nicht wüsstest.", entgegnet er ebenso lachend wie ich und führt mich um eine Ecke. "Müssen wir nicht eigentlich geradeaus?", meine ich unschlüssig und bleibe stehen. Aramis dreht sich zu mir und erwidert nur lachend: "Zum Glück weiß wenigstens einer von uns beiden, wo es langgeht."
"Hey!", rufe ich entrüstet und verschränke die Arme vor der Brust. "Du bist hier ja auch viel öfter.", schmolle ich und lächele ihn schief an. "Ich weiß, genau deshalb führe ich dich auch.", sagt er grinsend und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
"Warum bist du eigentlich so groß?", will ich scherzhaft wissen und laufe neben ihm her. "Weil ich ein Mann bin.", antwortet er ironisch. Ich verdrehe die Augen und murmele etwas Undefinierbares.
"Rose, was sagst du da?", fragt Aramis verwirrt. "Nichts, ich war gerade in Gedanken.", meine ich abwinkend. "Wie dem auch sei, wir sind nun angekommen.", sagt er und hält mir höflich die Tür auf, wie es sich gehört.
"Danke.", flöte ich und gehe beschwingt rein.
Palina und Georg sind auch schon da, sitzen in einer Gruppe und spielen Karten. Als wir reinkommen, stehen sie augenblicklich auf und verbeugen sich oder machen einen Knicks. Palina will die Karten schon wieder wegpacken, als ich mich dazusetze.
"Spielen wir doch noch eine Runde, oder Aramis?" Schelmisch lächelnd sehe ich zu ihm rüber. "Gute Idee, kommen Sie, Georg.", erwidert er und setzt sich zu uns.
Wie eine richtige kleine Familie, nur dass wir alle erwachsen sind.
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Goldstern
Historical FictionDie vier großen Lordschaften, bestehend aus dem Norden, dem Osten, dem Süden und dem Westen, lebten einst in gewaltloser Koexistenz Seite an Seite, doch dies hat sich im Verlauf der Weltgeschichte drastisch geändert. Es werden Ehen ausgehandelt und...