KAPITEL 16

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Nach dem Frühstück mit Amal, welches sehr entspannt und amüsant war, laufe ich auf Empfehlung von der Frau des Königs zu einer der Hofschneiderinnen. Immer kann ich nicht viel falsch machen, wenn selbst die Königin ihre Kleider von ihr schneidern lässt.

Auf dem Weg zu ihrer Schneiderstube hätte ich mich einmal trotz Amals Wegbeschreibung fast verlaufen, aber meine Wachen kennen sich hier glücklicherweise besser aus als ich.

Ich habe noch gar keine genauen Vorstellungen von den Kleidern, doch wünsche mir irgendetwas Auffälliges und Klassisches zugleich. Hier am Hofe muss man noch mehr zeigen, dass die Lordschaft Geld hat. Auch wenn es nur optisch ist, bedeutet dieser Aspekt am Hofe unheimlich viel.

In meinen Gedanken versunken laufe ich einfach an der Nähstube vorbei, doch einer meiner Wachen macht mich darauf aufmerksam. Ich murmele ein schlichtes Dankeschön und lasse mir die Tür öffnen.

Die Nähstube selbst ist unglaublich unordentlich. Überall im Raum stehen Schneiderpuppen mit wunderschönen Kleidern und vielerlei Stoffe liegen auf großen Tischen verteilt, allerdings regt mich diese Unordnung nicht mehr auf. Schneider haben anscheinend eine etwas andere Ansicht von Ordnung, wie ich bereits von unseren Hofschneiderinnen aus Südstern gewohnt bin.

"Guten Tag, Lady Istriana. Ich habe gehört, Sie brauchen dringend eine neue Garderobe.", spricht mich eine rothaarige Frau an. "Ganz richtig.", antworte ich und lächele sie an. Ihre niedlichen Lachgrübchen machten sie mir augenblicklich sympathisch.

"Was schwebt Ihnen vor?", will sie von mir wissen, während sie mich zu einer etwas erhöhten Holzplattform bringt und beginnt, mein Kleid zu öffnen. "Irgendetwas Prachtvolles und Auffälliges, aber dennoch in einem klassischen Stil.", meine ich verträumt und beobachte die Werke um mich herum.

Sie sieht meinen Gesichtsausdruck und sagt zuversichtlich: "Ich werde Sie zu der bestgekleideten Frau hier am Hofe machen."

Damit bringt sie mich unbewusst zum Strahlen. Vorsichtig zieht sie mir mein Kleid über den Kopf und holt sich ihr Maßband. Rasch fängt sie an, meine Maße zu nehmen; erst meinen Brustumfang, dann die Maße meiner Taille, die meiner Oberschenkel und schließlich noch Ober- und Unterarme.

"Ihr Körper ist wie geschaffen für taillenbetonte Kleider.", stellt sie wohlwollend fest und kritzelt die Maße auf einen kleinen Zettel. Ich werde leicht rot.

"Dafür müssen Sie sich nicht schämen. Ich habe selten eine Frau mit einer solchen Taille gesehen. Nicht zu schmal, wie bei vielen dieser Hungerweiber hier. Nein, Sie besitzen einen richtig weiblichen Körper.", sagt sie und fängt an, verschiedene Stofffetzen neben mein Gesicht zu halten.

"Die Königin hingegen hat eine ganz schreckliche Figur nach den ganzen Geburten.", murmelt sie und legt einige Stoffe beiseite. Ich spitze meine Ohren. Werde ich jetzt erfahren, wovon Aramis die ganze Zeit geredet hat?

"Warum? Wie sah Sie denn davor aus?", will ich neugierig wissen. Die Schneiderin fährt sich durch ihr Haar und streicht eine widerspenstige Strähne nach hinten.

"Sie war anders. Körperlich und innerlich. Sie war die netteste Königin, die ich bis jetzt kennenlernen durfte. Aber die ganzen Fehlgeburten haben ihr zugesetzt. Erst war sie schweigsam und kam nicht mehr aus dem Bett, doch nach ihrer fünften Fehlgeburt, meine ich, ist sie zu einer der oberflächlichsten Frauen hier am Hofe geworden. Ihr alter Charakter ist seitdem immer mehr verschwunden, bis von ihm nichts mehr übrig geblieben ist. Der König tut mir bei dieser ganzen Sache am meisten leid. Er war so unglaublich glücklich mit ihr, jedoch nur bis zu all diesen Vorfällen und ihren charakterlichen Veränderungen.", erzählt sie traurig.

Spricht sie von der gleichen Amal wie ich? Sie hat zwar ein wenig oberflächlich gewirkt, doch sie kam mir nicht so vor, wie die Schneiderin sie soeben beschrieben hat.

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