KAPITEL 19

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"Pscht, es ist alles gut. Beruhige dich.", murmelt Aramis sanft und zieht mich näher in seine schützenden Arme. Zittrig lehne ich mich an seine Brust und schließe die Augen. Ich habe das Gefühl, meinen Körper nicht mehr unter Kontrolle zu haben.

Erst hat mich Clemens darauf angesprochen, jetzt habe ich auch meinen Retter gesehen und mich nicht einmal richtig bedankt. Ich bin feige und viel zu egoistisch. Es ist passiert und ich werde es nie wieder vergessen können.

Trotzdem hat mich das Ganze extrem aufgewühlt; wie auch jetzt, auch wenn ich eigentlich dachte, ich hätte es verarbeitet, aber dem scheint wohl nicht so.

"Aua, du tust mir weh.", bemerkt Aramis amüsiert und nimmt meine Hand von seinem Gewand, an dem ich mich zu stark festgeklammert hatte. "Entschuldige.", murmele ich und verknote meine Hände nervös miteinander.

"Was ist los mit dir, Rose?", will Aramis besorgt von mir wissen. "Seit wir hier angekommen sind, bist du verschlossen und ziehst dich regelrecht zurück." Ich klammere mich noch fester an ihn. 

"Kein Lachen, du wirkst wie ausgewechselt. Muss ich das verstehen?", fragt er mich und richtet mich ein wenig auf.

'Nein, musst du nicht. Kannst du gar nicht', denke ich mir und überlege, was ich darauf am besten erwidern kann. Irgendwann wird er es vermutlich erfahren, aber nicht jetzt. Vor allem erst nach der Hochzeit, denn dann bin ich erst einmal in Sicherheit.

"Aramis, ich kann es dir nicht sagen. Zumindest nicht jetzt.", sage ich und schlucke, als er mich traurig ansieht. Er will schon etwas erwidern, aber ich stoppe ihn, indem ich meine Hand auf seinen Mund lege und meine: "Zuerst muss ich damit fertig werden, bevor ich dich damit belaste."

Er schaut mich fragend an und flüstert: "Wann?" Traurig sehe ich ihn an und entgegne leise: "Wenn ich, das nur wüsste."

Statt darauf einzugehen, haucht er mir nur einen Kuss auf die Stirn und hält mich einfach fest. Seine Nähe strahlt etwas Beruhigendes aus und ich kann meine Gedanken ordnen. Clemens hat Recht, ich muss mich bei ihm bedanken.

Schließlich hat er mir geholfen, mich gerettet. Aber wie? Immer wenn ich ihn sehe, erblicke ich mich selbst wieder in diesem dunklen, kleinen Raum auf dem Bett. Voller Wunden und dann noch diese widerlichen Männer.

"Rose, hör auf.", ruft Aramis plötzlich erschrocken und hält mich fest. Ich habe gar nicht bemerkt, wie ich um mich herumschlug. Mein Herz schlägt bis zum Hals. "Habe ich dich verletzt?", will ich besorgt wissen und schaue zu ihm hoch.

"Nichts, was ein Mann nicht überleben könnte.", meint er scherzhaft und lässt mich vorsichtig los. Er denkt auch, dass ich völlig verrückt bin. "Es tut mir leid, ich war gerade nicht ich selbst.", murmele ich eine schlechte Entschuldigung, aber er lächelt mich nur an. Gerade als er etwas erwidern will, klopft es an der Tür und Georg tritt mit Palina ein.

"Wir würden Sie gerne fertig machen für das Abendessen mit dem Königspaar.", meint Georg und stoppt, als er uns eng umschlungen auf dem Bett sitzen sieht. "Sollen wir später nochmal kommen?", will er wissen und sieht uns fragend an.

"Nein, alles in Ordnung.", erwidere ich und löse mich widerwillig von Aramis, aber je länger ich jetzt in seiner Nähe wäre, umso eher würde ich es ihm erzählen. Georg wirft mir einen komischen Blick zu, widmet sich dann aber Aramis und hilft ihm beim Aufstehen.

"Lady Istriana, soll ich ihnen ein Bad einlassen?", fragt Palina und sieht mich freundlich an. "Ja, sehr gerne.", antworte ich dankbar und folge ihr in das Badezimmer.

Auf dem Weg dorthin höre ich Aramis und Georg reden. Sie reden über die Schmerzen, die Aramis leider immer noch ertragen muss, und mein Herz zieht sich vor Mitleid für ihn zusammen.

Ich mag es selbst nicht, krank zu sein, aber zu sehen, wie jemand anderes krank ist, den ich mag, ist beinahe noch schlimmer.

Während ich in der Badewanne liege und mich entspanne, sucht Palina schon fleißig ein Kleid für heute Abend aus. Gerade kommt sie wieder mit einem neuen Kleid aus einem tüllartigen Stoff in einem Zartrosa mit einem gestickten Blumenmuster herein.

"Was haltet ihr davon?", fragt sie mich und präsentiert es mir. "Das ist gut.", erwidere ich und sie legt es auf einen kleinen Tisch im Badezimmer, bevor sie mit einem großen Tuch zu mir kommt.

Nur widerwillig gehe ich aus dem warmen Wasser und lasse mich von ihr in das Tuch hüllen. Etwa grob rubbelt sie mich trocken und packt meine nassen Haare in Haarnetz, damit sie beim Anziehen, das Kleid nicht nass machen. Dann kommt sie mit dem wunderschönen Kleid. Hier in der Königsstadt ist die Mode eine etwas andere als bei mir daheim.

Alles ist etwas betonter, freizügiger und manchmal auch etwas kürzer als die schweren Kleider, die ich kenne. Aber bevor sie es mir anzieht, kommt der schlimmste Part: das Korsett. Und selbst das ist hier anders. Es hat eine richtige Vorrichtung für die Brüste. Hier werden sie hochgedrückt und sehr betont. Es kann aber auch daran liegen, dass ich jetzt nicht mehr als Kind gelte, sondern als eine erwachsene Frau.

"Achtung, Luft anhalten.", ruft Palina und zieht die Schnürung fest. Ich merke, wie mein Bauch zusammengepresst wird und ich anfangen muss, nach Luft zu ringen, aber Palina macht unbeirrt weiter, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden ist.

Wenn ich mich jetzt im Spiegel betrachte, sehe ich wahrlich nicht mehr aus wie ein Kind. Alles ist weiblicher geworden oder es fiel mir davor einfach nicht ins Auge. Meine Figur nicht mehr stockgerade, sondern ich habe Kurven und Wölbungen, einen richtig weiblichen Körper bekommen. Das Kleid sitzt perfekt. Palina muss es nur am Rücken zu machen und ist dann auch zufrieden.

"Dann kümmern wir uns jetzt noch um den Feinschliff.", meint Palina und verfrachtet mich auf den Hocker vor dem Spiegel. Sobald ich mich niedergelassen habe, kümmert sie sich um den Feinschliff. Meine Haare werden trocken gerubbelt und zu einem Zopf hochgesteckt.

"Entschuldigung, ist Lady Istriana fertig?", fragt Georg von draußen und klopft an die Türe. ich drehe mich zu Palina und blicke sie fragend an. "Ja, nur noch einen Moment.", antwortet sie und legt nochmal letzte Hand an.

Dann klatscht sie zufrieden in die Hände und sagt zufrieden: "Sie sehen wunderschön aus. Der Lord wird seine Augen nicht von Ihnen wenden können heute Abend."

Ich lächele sie verlegen an und lasse mir hochhelfen. Aufstehen und hinsetzen mit solch ausladen Kleidern ist eine Kunst für sich. Aufgeregt wie ein kleines Kind öffnet Palina mir die Türe und ich laufe schüchtern in den anderen Raum.

Ich wage es nicht aufzuschauen, bis plötzlich Aramis neben mir steht und mir ins Ohr raunt: "Du siehst fantastisch aus, Rose.", woraufhin ich erröte und verlegen wegsehe.

Er lacht nur auf und legt mir einen Arm um die Taille. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zum Abendessen mit dem Königspaar.

GoldsternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt