"Ich liebe Schlittenfahren!", jauchze ich glücklich und strahle Aramis zufrieden an, doch dieser lacht nur über mich. "Das Hochlaufen etwa auch?"
Ich werfe ihm einen Blick zu, der auch gut als Todesblick durchgehen würde.
"Also, als Gentleman trägt man seine Lady auf Händen, Aramis. Ich würde Rose sofort überall hintragen", zieht Eric Aramis spielerisch auf. Ich lächele Eric mit meinem breitesten Grinsen an und flöte nur verspielt: "Das würdest du wirklich tun? Du bist eben ein wahrer Gentleman."
Und noch bevor Eric etwas darauf erwidern kann, hat mich Aramis über seine Schulter geworfen und stapft den verschneiten Berg hoch. Sofort fängt es an zu knirschen und ich zucke zusammen. Dieses Geräusch bereitet mir jedes Mal Gänsehaut. Argh.
"So geht's auch", brüllt Eric uns hinterher. "So ein Gentleman, dem besten Freund die Frau ausspannen", regt sich Aramis gespielt wütend darüber auf. "Aber wirklich, das geht überhaupt nicht", mache ich grinsend mit.
Ich mag meine Position auf Aramis Schultern, ich spüre den nassen Schnee von seinem Mantel auf einer meiner Wangen und kann gleichzeitig seinen frischen Duft riechen. Für mich riecht Aramis immer entweder nach frischer Wäsche oder nach dem morgendlichen Wald, wenn man früh morgens durch einen nebligen, verschlafenen Wald wandern würde. Riecht aber beides fantastisch.
"Sagt, die Frau, die auch noch mitgemacht hat", meint Aramis ironisch und lässt mich von seinen Schultern auf den Boden plumpsen, woraufhin ich unsanft im tiefen Schnee lande und wie ein Kleinkind jammere. "Aramis, hilf mir!"
Er steht neben mir, schaut zu mir runter und sagt einfach: "Eric sollte gleich da sein, er wird dir bestimmt helfen. Nicht wahr, du Gentleman?", wobei er die letzten Wörter extra betont, damit Eric es vermutlich hört.
"Eric, bitte hilf mir hier raus", quengele ich ungeduldig. "Aber natürlich, Mylady", sagt er gespielt zuvorkommend und streckt mir seine Hand hin. Ich ergreife sie und lasse mich von Eric aus meinem Schneeloch herausziehen, woraufhin ich mir die Schneeklumpen vom Kleid klopfe und meine: "Wenn ich dich nicht schon geheiratet hätte, würde ich Eric zum Ehemann nehmen."
Aramis dreht sich belustigt zu mir um, stemmt seine Hände in die Hüften und murmelt irgendetwas Undefinierbares vor sich hin.
"Was ist?", fragt Eric stirnrunzelnd und sieht Aramis an. Dieser macht nur eine abwinkende Bewegung und sagt: "Nichts Wichtiges, wir sollten nur langsam wieder gehen. Der Arzt meinte, du sollst es nicht gleich wieder übertreiben. Ich merke doch, wie du zitterst, Rose."
Wie ein beim Stehlen von Süßigkeiten erwischtes Kind schaue ich beschämt auf den Boden und versuche eilig, von mir abzulenken.
"Schaut mal, dort ist ein Reh!", rufe ich begeistert und zeige nach rechts, in der Hoffnung, hier bleiben zu können.
Ich will nicht schon wieder ins Bett mit gefühlten 47 Decken und einem ständig prasselnden Feuer sowie dem besorgten Aramis, der wie ein Hütehund über mich wacht. Dann ist er immer so abwesend oder verfolgt mich auf Schritt und Tritt. Ich will einfach gesund sein und nicht ständig mit Husten, laufender Nase, Zitteranfällen oder Schweißausbrüchen im Bett liegen.
"Komm, Aramis. Noch eine Runde können wir fahren", versucht Eric in einem letzten Versuch, Aramis umzustimmen. "Bitte, ich will nicht immer im Bett liegen. Bitte, bitte, Aramis", flehe ich ihn an und schaue ihn mit meinem Welpenblick an, woraufhin dieser sich ein Lächeln nicht verkneifen kann.
"Also gut, noch eine Fahrt, aber du läufst alleine", meint er ergeben, sodass ich enthusiastisch nicke und ihn stürmisch umarme.
"Danke, vielen Dank!", nuschele ich in seinen Mantel. "Dann kommt jetzt endlich, ihr Turteltauben", moniert Eric und setzte sich auf den Schlitten. "Kommen schon", antwortet ihm Aramis und wir rodeln noch ein letztes Mal zusammen den Hügel hinunter.
"Das war super, ich würde das so gerne täglich machen", schwärme ich und stehe vom Schlitten auf. Mein Kleid liegt nass und kalt auf meiner Haut, sodass ich zittere und spüre, wie sich die Kälte in meinem Körper ausbreitet. Starr wie ein Eiszapfen stehe ich da und will am liebsten sofort in meinem warmen Bett in Nordstern liegen.
"Aramis, ich glaube es geht wieder los", meint Eric besorgt zu Aramis. Meine Nase fängt nun auch noch an zu laufen. So darf ich doch nie wieder raus. "Mir geht es gut", krächze ich betont entspannt und versuche unauffällig, mit meinem Handrücken meine purpurrote Nase zu verstecken.
"Rose, du musst es nicht verstecken. Eric, wir gehen sofort zurück. Geh schon einmal vor und lass alles vorbereiten", befehlt Aramis und kommt zu mir. Eric entgegnet etwas und verschwindet dann. Aramis nimmt meine Hand weg von meiner Nase und sagt lachend: "Du musst es doch nicht verstecken, Kleine."
Ich verschränke meine Arme vor meiner Brust und spiele die Trotzige. "Aber ich will nicht schon wieder nur den schönen Schnee vom Fenster aus betrachten. Ich liege seit ich hier bin eigentlich nur noch im Bett."
Er kommt mit seinem Gesicht zu mir runter und sagt nachdenklich. "Mal schauen, was sich da machen lässt. Jetzt komm hoch, ich trage dich zurück."
Er bückt sich, ich klettere auf seinen Rücken, schlinge meine Beine um seinen Bauch und lasse meinen Kopf erschöpft auf seine rechte Schulter fallen. Hier gefällt es mir auch ganz gut.
Kranksein macht müde. Ich bekomme noch mit, wie Aramis losläuft; dann bin ich auch schon weg. In meinen Träumen toben Aramis und ich wie kleine Kinder im Schnee und er denkt nicht ständig daran, wie schlecht es mir eigentlich geht.
Das wäre schön; einfach einmal aufwachen, ohne Unmengen von Decken und einem hartnäckigen Husten im Rachen. Doch das wird wohl auch nur in meinen Träumen so sein.
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Goldstern
Historical FictionDie vier großen Lordschaften, bestehend aus dem Norden, dem Osten, dem Süden und dem Westen, lebten einst in gewaltloser Koexistenz Seite an Seite, doch dies hat sich im Verlauf der Weltgeschichte drastisch geändert. Es werden Ehen ausgehandelt und...