KAPITEL 8

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"Für alle, die Brotmahlzeit?", fragt der Wirt in die Runde.

Die Männer johlen zustimmend auf und stoßen darauf an. Männer muss man manchmal nicht verstehen. Als einzige Frau sitze an der großen Tafel im Schankraum und fühle mich deplatziert. 

Ich war noch nie zuvor richtig in einem Gasthaus zur Brotzeit gewesen, wie man hier sagt. Mein erstes Mal. Zögerlich schaue ich zu Lord Istriana, der mit Plaum spricht. Als er meinen Blick wahrnimmt, lächelt er mich aufmunternd an.

Warum kann er sich nicht mit mir unterhalten? Ich komme mir leicht verloren zwischen den ganzen Männern vor. Alle trinken Bier und sind schon leicht angeheitert, während ich ab und an einen Schluck aus meinem Wasserglas trinke.

Eigentlich wollte ich mir ein Glas Wein bestellen, aber ein Blick von Lord Istriana und ich hatte Wasser bekommen. Im Nachhinein ärgert es mich, dass ich es einfach so hingenommen habe. Vermutlich liegt es an meiner Erziehung oder den langen Predigten von Mutter.

"Guten Abend, schöne Frau. Noch genauso schön wie vor 2 Jahren", spricht mich plötzlich ein Mann mit einer mir sehr bekannten Stimme an, woraufhin ich mich umdrehe und meinen Augen kaum glaube kann.

"Quirin, schön dich zu sehen!", rufe ich freudig und umarme ihn stürmisch.

"Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns so schnell wiedersehen", murmelt er in meinen Nacken und sieht mich genauer an, nachdem wir und wieder voneinander gelöst haben. "Deine Narbe ist viel kleiner geworden", stellt er fest und betrachtet währenddessen mein Handgelenk.

"Es sind seither ja auch schon drei Jahre vergangen", entgegne ich ihm und schaue mir selbst die Narbe an meinem Handgelenk an. Sie ist heller als meine restliche Haut und strahlt daher ein wenig hervor. Ich will noch einmal etwas sagen, als ich eine Hand um meine Taille spüre und Quirin sich ehrfürchtig verbeugt.

"Lord Istriana, es ist mir eine Ehre", sagt Quirin, bevor er sich wieder erhebt. Lord Istriana schaut ihn emotionslos an und erwidert kalt: "Sehr erfreut, was führt Sie hierher?"

Ich lächele Quirin ermutigend an und bin sauer auf den Lord, da er so unhöflich zu Quirin ist. Als dieser damit antwortet, dass er auf der Durchreise sei, sieht Lord Istriana ihn skeptisch an und sagt zu mir: "Rose, kommst du bitte mal kurz mit raus?"

Er lässt es klingen wie ein Befehl. "Aber gerne, Aramis", antworte ich und setze mein schönstes Lächeln auf.

Fast etwas zu schnell werde ich von ihm nach draußen geführt, doch selbst vor dem Gasthaus scheint er sich noch zu beobachtet zu fühlen, weshalb er mich vor die Scheune zieht, wo sich um diese Uhrzeit keiner mehr herumtreibt.

"Seit wann bin ich denn Rose für dich?", frage ich provozierend und funkele ihn an. "Seit dieser Schuft dich auch beim Vornamen nennt", stößt er wütend und mit deutlich eifersüchtigem Ausdruck hervor.

"Was hast du gegen Quirin?", frage ich und lehne mich gegen die Wand der Scheune. "Ich hasse es, wie er dich angeschaut hat. Der Kontakt zu ihm ist nicht gut für dich, ich verbiete es dir", beschließt er und kommt ein Schritt auf mich zu.

Durch die Dunkelheit kommt er mir noch größer vor und auch recht unheimlich. Ich will ein paar Schritte nach hinten ausweichen, aber knalle nur gegen die Wand. Etwas eingeschüchtert stehe ich da und will ihm etwas an den Kopf werfen.

Nämlich dass Quirin ein guter Freund von mir ist und er nichts Böses möchte, doch Aramis wirkt in diesem Moment bedrohlicher, als ich jemals gedacht hätte.

"Wenn du dich nicht an dieses Anweisung hältst, werde ich dafür sorgen", raunt er mir zu und zieht mich grob an der Hand zu ihm.

Ich will mich wehren, aber er ist gerade so wütend, dass ich lieber meinen Mund halte. Auf dem Weg zurück ins Gasthaus murmelt er zu mir: "Dir ist nicht so wohl und ich bringe dich jetzt nach oben."

Ich nicke stumm und würde ihn gleichzeitig am liebsten anschreien. Als wir durch den prallgefüllten Gastraum laufen, wirft Quirin mir einen besorgten Blick zu und ich lächele ihn entschuldigend an. Sobald wir das Treppenhaus erreicht haben, wir Aramis etwas langsamer und fährt sich müde durch sein Haar.

"Ist deine Zofe im Zimmer?", fragt er und blickt mich erschöpft an. "Ich nehme es an", entgegne ich und folge ihm dann still zu besagtem Raum. Vor der Zimmertüre bleibt er stehen und meint schon etwas netter als draußen zu mir: "In gut einer Woche sind wir in Nordstern."

Da mir nichts einfällt, was ich darauf erwidern soll, sage ich einfach nichts und will gerade reingehen, als er mich an meinem Arm greift und mich zu sich sieht. Ich liege in seinen Armen und spüre seinen Herzschlag durch seine Kleider.

Bedürftig schließe ich die Augen und will, dass dieser Moment nie zu Ende geht. Er fährt sanft meinen Arm entlang und beugt sich leicht zu mir runter. Kurz vor meinem Mund hält er inne, als wüsste er nicht, ob er mich küssen soll.

Und so mache ich den entscheidenden Schritt und stelle mich leicht auf die Zehenspitzen um meine Lippen mit seinen Verschließen zu können. 

Mich durchströmt ein Gefühl von Freiheit und gleichzeitiger Geborgenheit. Er zieht mich noch näher zu sich, sodass ich die Wärme, die sein Körper ausstrahlt, in mich aufnehmen kann.

So nahe war ich noch nie einem Mann gewesen.

Plötzlich löst er sich, flüstert nur heiser meinen Namen und verschwindet dann fluchtartig runter in Gastraum. Enttäuscht sehe ich ihm hinterher und öffne meine Zimmertür.

Drinnen sitzt Arya, eine meiner Zofen, und stickt etwas. Als sie mich erblickt, legt sie das ihr angefangenes Taschentuch weg und verbeugt sich kurz.

"Arya, bring mir bitte mein Nachtgewand", befehle ich ihr stumpf und lege mich auf mein Bett.

Es ist nicht ganz so groß, aber für eine Nacht würde es ausreichen. Ich höre das leise Rascheln von Arya und dann Schritte, wieder von ihr.

"Hier, Ihr Nachtgewand", piepst sie mit dem Kleidungsstück in ihren Händen, sodass ich mich aufrichte und es ihr dankbar abnehme. "Soll ich Ihnen das Kleid öffnen?", fragt sie nun und blickt mich schüchtern an, wobei sie mich ein wenig an einen verängstigten Hasen erinnert. "Ja, das ist eine gute Idee", meine ich nur müde und stelle mich mit dem Rücken zu ihr hin.

Sie fängt langsam an, jeden einzelnen Knopf zu öffnen, und die dadurch entstandene Stille ist genau das Richtige für mich. Ich bin erleichtert, dass Arya auch noch meine Zofe ist und nicht nur Lucia. 

Bis jetzt bevorzuge ich erstere, obwohl sie sehr schüchtern und zurückhaltend ist. Sobald Arya alle Knöpfe geöffnet hat, ziehe ich das Kleid von meinem Körper und stülpe mir recht schnell das Nachtgewand über den Kopf, da die kalte Luft durch das offene Fenster hereinweht.

"Du kannst gehen. Gute Nacht", entlasse ich Arya lächelnd.

GoldsternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt