Mit Aramis noch immer dicht an meiner Seite lasse ich mich im Schneidersitz auf das Bett sinken und blicke gespannt dem König entgegen. In seiner aktuellen Haltung hatte er rein gar nichts von einem König an sich.
"Ich hatte dich herbestellt, da ich mit dir über die Vorfälle der vergangenen Wochen reden wollte. Dabei macht es keinen Unterschied, ob dies neben deinem Bett oder in meinem Arbeitszimmer geschieht.", murmelt er bedächtig und runzelt seine eh schon leicht faltige Stirn.
"Das ist richtig.", stimmt mein Verlobter zu und wirkt beinahe ungeduldig. "Du weißt von dem Vorfall in Maramus?", wird er sogleich vom König gefragt. "Leider ja. Hast du dir bereits überlegt, was du hinsichtlich dieser Unruhen unternehmen möchtest?", hakt Aramis nach.
"Das weiß ich selbst noch nicht so genau. Was schlägst du vor?"
"Ich bin mir nicht sicher, ob ich solch auffällige Gruppen schicken würde. Tatsächlich würde ich ruhiger vorgehen und im Hintergrund versuchen, die Tochter zu finden. Alles andere würde zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und das wiederum könnte zu weiteren Unruhen führen, die Lord Hellam gerade gelegen kämen.", erwidert Aramis nachdenklich und verzieht das Gesicht für einen kurzen Moment.
Überrascht schaue ich ihn an, doch er lächelt mir nur zuversichtlich zu. Der König scheint auch verdattert und fragt: "Warum sollen wir Lord Hellam nicht zeigen, dass ich die Macht habe?"
"Weil er dann merkt, dass er dir auf der Nase herumtanzen kann. Schenk ihm und seinen Überfällen keine öffentliche Beachtung und lasse alles lieber im Hintergrund regeln.", antwortet Aramis ruhig, aber umso bestimmter.
Der König scheint darüber nachzudenken. Doch nicht nur er, auch ich begann zu grübeln. Quirin meinte zu mir, ich solle schauen, dass es öffentlich gemacht wird.
Aber ich kann mich hier nicht einmischen und will es auch erst gar nicht. Immerhin hat Aramis sehr gute Argumente hervorgebracht, da sollte ich ihn nicht vor dem König untergraben.
"Du hast Recht, dann machen wir das so. Aber irgendwann wird es Hellam auffallen, dass nichts öffentlich geregelt wird, und dann wird mir das Volk zu gefährlich. Sie lassen sich einfach zu schnell manipulieren.", spricht er seine Bedenken laut aus.
"Da stimme ich dir zu, aber dann lass nur etwa jeden vierten Vorfall öffentlich lösen. So denkt sich Hellam nichts dabei und wiegt sich noch in Sicherheit.", überzeugt Aramis ihn schlussendlich.
Der König schlägt zufrieden in die Hände und meint erfreut: "Genauso machen wir das! Rose, ich erwarte dich in einer halben Stunde beim Frühstück, doch du Aramis, erholst dich erst einmal. Ich komme heute nochmal vorbei, denn immerhin müssen wir über eure Hochzeit sprechen. Bezüglich dessen habe ich nämlich eine grandiose Idee."
"Noch eine Frage hätte ich allerdings. Wie lange werden wir in Goldstern bleiben? Falls unser Aufenthalt noch sehr viel länger dauern sollte, würde ich einige Kleider beordern müssen.", will ich noch von den Männern wissen.
"Ihr bleibt gut noch zwei Wochen hier. Bestell die Schneiderin noch heute her, sie soll dir so viele Kleider anfertigen, wie du willst. Vielleicht auch mal ein Ballkleid.", zwinkert mir der König verschwörerisch grinsend zu.
"Clemens, was führst du im Schilde?", will Aramis daraufhin mit skeptisch zusammengezogenen Augenbraue wissen und beobachtet den König zögernd. "Das werdet ihr noch früh genug erfahren. Für dich kommt gleich eine Zofe, Rose.", erwidert er geheimnisvoll und geht mit einem letzten Winken aus dem Raum.
"Er macht mir langsam Angst mit seinen ganzen Geheimnissen.", meine ich scherzhaft und Aramis lacht. Sein Lachen klingt noch nicht so gesund, aber das ist er gerade auch nicht.
"Ich schätze mal, ich werde jetzt den ganzen Tag hier liegen bleiben dürfen", mault Aramis und verkriecht sich tiefer in seinen Bettlaken.
Ich stöhne genervt auf und erwidere: "Und ich durfte mir seit gestern Abend schreckliche Sorgen um dich machen. Ich bin froh, dass der Arzt nichts Schlimmeres gesagt hat."
Er sieht zu mir rüber und meint daraufhin: "Aber Clemens hat sich bestimmt blendend um dich gekümmert. Er mag dich, das ist gut."
"Warum?", will ich von ihm wissen und stehe auf. "Schlechte Erfahrungen mit Frauen, würde ich mal sagen.", antwortet er gedankenverloren.
Gerne würde ich nach dem genaueren Grund fragen, aber da klopft es und die mir bereits bekannte Zofe tritt mit einem Kammerdiener ein. Sie knicksen beide und stellen sich vor.
"Ich bin Palina, Ihre Zofe für Ihren Aufenthalt hier, Lady Istriana." Ich nicke, woraufhin sich der Kammerdiener vorstellt. "Ich heiße Georg und bin Ihr Kammerdiener für Ihre Zeit im hiesigen Palast, Lord Istriana." Auch Aramis nickt und meint: "Ich glaube aber, dass es mit mir die nächsten Tage sehr langweilig sein wird."
"Das macht mir nichts aus.", antwortet Georg höflich und fängt an, die einzelnen Kleidungsstücke vom Boden aufzuheben. "Ich soll Sie für das Frühstück fertig machen, Lady Istriana.", sagt Palina und kommt auf mich zu. "Ja, das wäre wahrscheinlich nicht schlecht.", scherze ich und gehe mit ihr in das Badezimmer.
Dort setze ich mich auf den kleinen Hocker vor dem Spiegel und lasse Palina ihre Arbeit verrichten. Sie bürstet mein Haar ordentlich und flechtet zwei Zöpfe vom Ansatz an in mein Haar. Dann nimmt sie das Kleid, das mir Arya eingepackt hat, und hilft mir aus meinem Nachtkleid heraus.
Das Kleid, das sie mir nun drüberzieht, ist aus einem dunkelblauen Stoff mit goldenen Knöpfen am Rücken und an den Ärmeln. Mir gefällt es sehr gut, muss ich feststellen, während meine Finger über den samtigen Stoff streichen.
Dazu schlüpfe ich in passende, goldene Schuhe, die vorne spitz zulaufen. Als Palina fertig ist, erkenne ich mich erst nicht wieder, da ich nach langer Zeit wieder richtig gepflegt aussehe. Meine Haare stehen nicht ab und auch mein Kleid hat keine Falten.
"Sie sehen sehr schön aus.", meint Palina schüchtern und lächelt mich an. "Liebsten Dank.", erwidere ich und gehe aus dem Badezimmer.
Im Schlafzimmer unterhält sich Aramis angeregt mit Georg. Als ich rauskomme, verstummen sie beide, bis Aramis meint: "Hoffentlich passt Clemens auf dich auf, wenn ich nicht da bin."
Ich lache verzückt und nähere mich ihm. "Wünsch mir Glück.", flüstere ich ihm ins Ohr, als ich ihn zum Abschied küsse. "Du kriegst das sicherlich hin, keine Sorge.", beruhigt er mich lächelnd und gibt mir einen weiteren Kuss.
"Ich gehe dann. Georg, wenn es meinem Verlobten schlechter geht, informieren Sie mich bitte sofort.", meine ich noch und verlasse anschließend den Raum.
Vor der Tür warten bereits andere Wachen, die mich auf mich warten und mich zum Frühstück bringen sollen. Als sie vor einer recht unscheinbaren Türe stehen bleiben, bin ich leicht verwirrt. Ich hatte zuvor gedacht, das Frühstück fände im großen Speisesaal statt, doch so ist es mir vermutlich lieber.
Vielleicht wäre die Stimmung dann ja besser? Einer der Wachen klopft an der schweren Tür, bis sie einige Sekunden später von einem zierlichen Diener geöffnet wird. Etwas verlegen trete ich ein und sehe nur die Königin am Tisch sitzen, worauf ich automatisch knickse.
"Clemens musste wegen geschäftlichen Sachen schon wieder gehen, doch dann können wir Frauen uns wenigstens untereinander unterhalten." "Ja, da haben sie wohl Recht.", erwidere ich betont frohmutig und setzte mich an den freien Platz gegenüber von ihr.
"Nenn mich bitte Amal.", sagt die dunkelhaarige Schönheit. Ihre Augen haben die gleiche schöne Farbe wie ihre Haare, ein tiefes Dunkelbraun, und sie besitzt die vollsten und wohlgeformtesten Lippen, die ich jemals gesehen habe.
"Also, nun lass uns anfangen.", ruft sie höchst erfreut und klatscht in die Hände.
Daraufhintreten verschiedene Bedienstete ein und errichten für uns ein kleines Buffet.Kleine Törtchen, frisches Obst und noch dampfendes Brot. Ich liebe das Frühstük hier!
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Goldstern
Historische RomaneDie vier großen Lordschaften, bestehend aus dem Norden, dem Osten, dem Süden und dem Westen, lebten einst in gewaltloser Koexistenz Seite an Seite, doch dies hat sich im Verlauf der Weltgeschichte drastisch geändert. Es werden Ehen ausgehandelt und...