KAPITEL 28

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Ich bin gerade dabei, einer Frau beim Aufbau ihres Zelts zu helfen, als plötzlich Henry auf mich zuläuft.

"Ist etwas los?", will ich verwundert von ihm wissen und wische meine schmutzigen Hände an meinem teuren Kleid ab. Es sieht ohnehin nicht mehr so schön aus wie vor dem Lageraufbau. Dabei hat es mir eigentlich recht gut gefallen.

"Die Dorfbewohner kommen.", sagt er außer Atem. "Und was ist daran so schlimm?" "Sie mögen es nicht, wenn man hier sein Lager aufbaut.", erklärt er mir kurzatmig. Ich nicke langsam und verständnisvoll.

"Wenn sie je auffälliger werden, holen Sie mich bitte.", meine ich und will der Frau weiter beim Aufbau helfen. "Aber sie greifen uns gleich an!", ruft er hysterisch.

"Müssen wir dann so dumm sein und darauf mit einem Kampf antworten? Uns fehlt die Hälfte der Männer und dazu sind die Verbliebenen nach diesem langen Tag müde. Ein Kampf wäre da wahrlich unpassend.", weise ich ihn zurecht.

Er fährt sich gereizt durch seine Haare und erwidert: "Ihr kennt die Menschen hier nicht. Sie sind anders als die Bauern im Süden. Wir sind hier im Osten, Lady Istriana." 

"Ich bin mir dessen sehr wohl bewusst, Sie müssen mich nicht so anschreien. Wie weit ist das Lager schon aufgebaut?", fahre ich ihn verärgert an.

"Der Großteil ist schon geschafft. Es fehlen noch die Unterstellungen für das Vieh und ihr Zelt.", berichtet er mir. "Wurde es in der Form eines Ovals aufgestellt?", prüfe ich nach. "Ja, wie Sie uns angewiesen haben.", bestätigt er mich.

"Sehr gut. Der Eingang wird bewacht?", frage ich und arbeite an meinem Plan weiter. "Sehr wohl.", sagt er und sieht mich komisch an. "Was haben Sie vor?", will von mir erfahren.

"Lasst die Bauern bis zum Eingang in Ruhe, wenn sie bis dahin nichts gegen uns unternommen haben und lasst sie sagen, was sie sagen wollen.", befehle ich mich in einem herrischen Ton. "Warum greifen wir nicht an? Wir hätten die erfahrenen Kämpfer.", rüttelt er an meinem Plan und versucht mich umzustimmen.

"Und warum soll ich jemanden angreifen, der mir nichts getan hat?", will ich von ihm wissen und sehe ihn enttäuscht an. "Ich hätte mehr von Ihnen erwartet.", füge ich noch hinzu.

Erst da merkt er, was er gerade getan hat. Er wollte sich meinem Befehl widersetzen. Aber bevor er eine Reihe von Entschuldigungen herausbringen kann, hebe ich meine Hand und rufe in einem einflößenden Ton: "Ich habe das gerade schon wieder vergessen, aber es sollten Ihnen nicht noch einmal vorkommen. Und jetzt führen Sie gefälligst meinen Befehl aus."

Er nickt und entfernt sich mit schnellen Schritten von mir. Mir gefällt seine Art, wie er immer alles durchleuchtet eigentlich und auch dass er selber mitdenkt ist lobenswert, aber er kann sich trotzdem nicht meinen Befehlen widersetzen.

Er ist sicherlich ein guter Kämpfer und ich will ihn im Auge behalten. Ich weiß nicht, ob er mir noch gefährlich werden kann oder einer meiner engsten Vertrauten wird. Ich würde ihn gerne mal kämpfen sehen.

"Lady Istriana, ich glaube, Ihr Mann nähert sich.", sagt die Frau, deren Zelt ich aufbauen helfe. Überrascht drehe ich mich um und sehe eine große Truppe von Männer mit Aramis an der Spitze kommen. "Du hast Recht, danke.", meine ich und widme mich wieder dem Zeltaufbau.

Vielleicht sollte ich zu ihm, aber er kann genauso gut zu mir kommen. "Es sieht aus, als käme er aus einem Kampf.", sagt die Frau zu mir. Ich schaue ihn mir nochmal genauer an und er hat tatsächlich mehre Verletzungen.

"Ich gehe zu ihm. Soll ich dir noch jemandem schicken, der dir hilft?", will ich freundlich von ihr wissen. Sie winkt jedoch lediglich ab und meint: "Kümmern sie sich lieber um ihren Mann. Das ist wichtiger als mein Zelt."

Ich nicke und laufe auf die gerade eingetroffene Truppe zu. Aramis schreit noch Befehle umher. Ich versuche auch nicht, seine Aufmerksamkeit zu bekommen, da ich sie schon lange habe. Er verfolgt mich mit seinen Augen, während er vom Pferd steigt und die Zügel einem seiner Männer die Hand drückt.

"Was hast du gemacht?", will ich von ihm wissen und verschränke die Arme vor meiner Brust. "Rose, du weißt, dass gerade eine Bauernschar auf uns zukommt. Du hast das Lager nicht sichern lassen!", fährt er mir sauer an.

Ich schnaube auf und versuche ruhig zu bleiben. "Ein Kampf ist lächerlich, solange sie uns nicht angreifen. Wir sollten uns lieber darum bemühen, dass unser Gefolge sich erholen kann.", sage ich in einem neutralen Tonfall und sehe mir seine Wunden an Arm und Hand an.

"Das sieht nicht gut aus.", stelle ich fest und reiße mir ein Stück Stoff von meinem Kleid ab, um die Blutungen zu stoppen. Vorsichtig wickele ich es um die Wunden und mache einen Knoten, damit es auch dort bleibt, bis es der Heiler nachher versorgen kann.

"Du hast das Lager gut aufgebaut.", meint er beeindruckt. "Danke.", murmele ich und sehe schon Henry auf uns zu rennen. Uns war wirklich kein Moment der Ruhe vergönnt. "Was ist denn?", rufe ich ihm zu. Aramis dreht sich verwundert um und folgt meinem Blick.

Henry bleibt kurz vor uns stehen und holt erstmal tief Luft, bevor er anfängt zu berichten. "Die Bauern wollen mit Ihnen reden, Lady Istriana." Aramis betrachtet Henry und meint dann zu mir: "Das ist zu gefährlich. Wer weiß, was das für Leute sind."

"Sie verlangen, aber ausdrücklich Ihre Frau.", sagt Henry mit verstärktem Unterton. "Danke für deine Auskunft. Du kannst jetzt gehen.", sagt Aramis gereizt und sieht Henry feindselig an. Er sieht zwischen uns beiden her und verschwindet dann lautlos.

"Lass mich mit Ihnen reden.", versuche ich, Aramis zu überzeugen. "Nein, womöglich sind das noch Spione von Hellam.", regt er sich auf und hält sich seinen Arm.

"Tut es weh?", will ich besorgt wissen und komme näher. "Aramis, das wird sich stark entzünden und dann kannst du die restliche Reise in der Kutsche verbringen.", meine ich und hoffe, dass er jetzt schnell zum Heiler geht.

Er sieht mich an und meint dann erschöpft: "Du darfst mit Ihnen reden, aber Henry und deine Wachen werden dich begleiten."

Ich nicke und bedanke mich hastig, worauf ich mein Kleid ein wenig hochraffe und durch das Lager zum Eingang renne. Ich kann Henry schon von weitem erkennen, wie er am Eingang steht. Keuchend bleibe ich vor ihm stehen und frage: "Wo sind diejenigen, die mit mir reden wollen?"

"Dort.", sagt er und zeigt auf zwei Männer und eine Frau. "Sehr gut. Komm mit.", meine ich und sehe ihn lächelnd an. "Ich soll Sie begleiten?", will er erstaunt wissen.

"Ja, jetzt kommen sie.", meine ich und lache über seine geschmeichelte Reaktion. Ich merke, dass meine Wachen uns folgen, wie Aramis es wollte. Als die drei Ausgewählten sehen, dass ich komme, tuscheln sie aufgeregt miteinander. "Gibt es irgendetwas, das ich über diese Leute wissen sollte?", will ich von Henry wissen.

"Sie sind sehr auf die Landwirtschaft angewiesen und ein recht einfaches Volk.", sagt er in einem fachlichen Ton. "Sie sind recht arm und haben nicht viel zum Leben." Ich nicke und überlege, was ich mit den Informationen anfangen kann.

"Seid gegrüßt, Lady Istriana.", sagt einer der Männer, als ich bei ihnen ankomme.

GoldsternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt