KAPITEL 9

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"Lady Rose, wachen sie auf. Vor der Türe steht ein Mann und bittet darum, mit ihnen zu sprechen", ruft meine Zofe Arya hektisch und rüttelt mich panisch wach.

"Wer steht den vor der Tür?", will ich als Antwort auf ihre Panik nur müde wissen und rappele mich langsam aus meinem schön warmen Bett auf.

Ich höre, wie Arya sich wieder entfernt und mit dem Fremden redet, doch als ich seine Stimme höre, springe ich auf und husche zur Tür. Mein erster Verdacht bestätigt sich, denn es ist Quirin. Arya sieht mich erschrocken an, da ich nur mit meinem Nachtkleid bedeckt einen für sie völlig fremden Mann umarme.

"Was machst du hier?", frage ich Quirin und werfe einen Blick auf den Gang, doch ich kann weder Aramis noch irgendwelche Nordwachen erkennen. "Ich wollte mit dir reden, Rose.", antwortet er und schaut mich mit einem für ihn ungewöhnlich ernsten Blick an. "Ist etwas geschehen?"

Innerlich verdrehe ich aufgrund seiner überflüssigen Frage die Augen und ziehe ihn schnell in mein vorübergehendes Gemach, woraufhin Arya die Tür leise schließt und sich ein paar Schritte von uns entfernt. Wodurch habe ich eine so gute Zofe verdient?

"Quirin, sei kurz still und lass es mich dir erklären", murmele ich zögernd, doch auf meine leise Bitte nickt er nur ruhig und schaut mich weiterhin abwartend an; guter Junge. "Gestern Abend, als der Lord mit mir nach draußen ging, hat er mir eigentlich den Kontakt zu dir verboten, weshalb dieses Gespräch nicht gerade risikofrei ist", erzähle ich ihm in einem hastigen Tonfall.

Ich fühlte ein unangenehmes Ziepen der Angst in meinem Brustkorb, dass der Lord gleich hereintreten und die ganze Situation zum Eskalieren bringen würde. 

Quirin scheint schon nach Luft zu holen, um etwas zu erwidern, doch ich halte schnell meine Hand auf seinen Mund und sehe ihn streng an, worauf er mich entschuldigend anlächelt und ich aufseufze. Es ist schon immer so gewesen, dass Quirin seine Meinung sagen muss; in welcher Situation er sich auch befindet.

"Was wolltest du mir sagen?", frage ich ihn flüsternd und nehme meine Hand von seinem Mund, bevor ich unauffällig versuche, sie an meinem Nachtkleid zu säubern.

"Ich bin gekommen, um dir etwas Wichtiges zu sagen", erwidert er und stoppt kurz, was ihm einen verunsicherten Blick von mir erntet, doch er fährt sich durch sein braunes Haar und sieht mich zaghaft an. "Quirin, ich gehe ein großes Risiko für dich ein, also sag es mir sofort!", rufe ich leicht verärgert, während ich verzweifelt hoffe, dass Aramis nicht kommt.

"Also, kennst du die kleine Lordschaft Maramus?", fragt er mich, woraufhin ich nicke, da meine Mutter gut mit der Frau des dort sesshaften Lords befreundet ist. "Man vermutet, dass sie von Barbaren angegriffen wurden. Sie trugen keine Wappen einer Lordschaft, doch man hat unter den Männern wohl Lord Hellam erkennen können. Weißt du, was das bedeutet?"

"Und was ist dann passiert?", will ich von ihm wissen, nachdem ich eifrig genickt habe.

"Während des Angriffes wurde seine Tochter von diesen Barbaren entführt und wohl auch mitgenommen. Sobald sie seine Tochter hatten, zogen sie ab und Lord Sanels Leute konnten sie nicht finden. Er und seine Frau sind in totalem Aufruhr und haben umgehend dem König Bescheid gegeben. Jetzt liegt es an dir, Rose", auf meinen skeptischen Blick fährt er nur widerwillig fort.

"Es ist so, dass die Lordschaft Maramus nicht sehr beliebt unter den restlichen Lordschaften ist, weswegen mich die Lordschaft gebeten hat, mit dir darüber zu reden. Du musst den König und deinen Verlobten davon überzeugen, dem Vorfall mehr Aufmerksamkeit zu schenken", an dieser Stelle hält er kurz inne, da er wohl den roten Faden verloren hat.

"Du sollst ihm gut reden und alles versuchen, damit die Lordschaft Maramus die Unterstützung vom König erhält", fügt er noch leise hinzu.

Ich kenne mich nicht gut in der Politik aus, aber das klingt für mich nach einem falschen Spiel. Und zwar nach einem sehr falschen Spiel. Mal wieder rege ich mich darüber auf, dass ich absolut nichts von solchen Dingen weiß. Das wäre viel wichtiger, als zu wissen, wie man stickt.

"Quirin, ich glaube, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, an dem du gehen solltest", murmele ich und versuche, möglichst ruhig und normal zu klingen. "Rose", fängt Quirin entsetzt an, doch ich unterbreche ihn etwas lauter. "Quirin."

Warnend starre ich ihn an und er wirft mir noch einen Blick zu, bevor er das Zimmer mit einem lauten Türknallen verlässt.

"Arya, du wirst mit niemandem darüber sprechen", befehle ich ihr und setze mich auf mein Bett, das leicht quietscht und ein wenig einsinkt. "Natürlich, Lady Rose. Soll ich Ihnen ihr Kleid bringen?", fragt sie und sieht mich unsicher an. "Ja, bitte. Wann reisen wir weiter?", will ich wissen.

"Ganz früh am Morgen kam schon der Lord und befahl mir, sie schlafen zu lassen. Sobald sie wach sind, wird man weiterreisen. Wenn sie durch das Fenster blicken, können sie bereits sehen, wie alles gerichtet wird", erzählt sie und kommt mit einem Kleid in einem frischen Brombeerton zu mir.

Tatsächlich kann ich vom Fenster aussehen, wie unten im Hof alles vorbereitet wird. Ich kann jedoch Aramis nicht unter den Leuten erkennen. Dafür sehe ich aber Plaum, wie er auf seinem Ross durch die Menschenmenge reitet und Anweisungen erteilt.

"Lady Rose", ruft Arya mich und ich komme schnell zu ihr, damit sie mir das Kleid anziehen kann.

Während sie es zuknöpft, frage ich mich, ob Aramis wohl schon davon weiß oder ich es ihm sagen sollte. Ich kann wahrscheinlich schlecht Arya um Rat fragen. Ah, wie gerne wäre ich jetzt zu Hause in Südstern. Mein größtes Problem war das Sticken, doch jetzt soll ich auf einmal in der Politik mitmischen.

Vielleicht sollte ich mir von Aramis oder Plaum das Ganze erklären lassen, aber das wäre als Frau viel zu auffällig. Ich muss das irgendwie unauffällig hinbekommen. Am Ende denken sie noch, ich hätte rebellische Charakterzüge.

"Lady Rose, soll ich ihnen einen lockeren Zopf machen?", fragt mich Arya, nachdem sie aufgehört hat, meine Haare zu kämmen. "Ja", murmele ich geistesabwesend und senke meinen Blick.

Mittlerweile ist Plaum wohl zufrieden, denn er isst gerade ein Brotstück. Eigentlich will ich schon wieder wegschauen, aber dann tritt Aramis zu Plaum und ich muss einfach hinschauen.

Sein Haar ist leicht nass und durcheinander, wodurch seine Augen noch ein bisschen mehr als sonst hervorstechen. Und diesen Mann habe ich gestern geküsst. Ich will nicht behaupten, dass der Kuss ein Fehler war, aber auch nicht, dass er die richtige Entscheidung war.

Ich bin wirklich zu unerfahren. Vermutlich küssen seine Mätressen alle absolut wundervoll und ich wie ein kleines Küken. Wenn ich daran denke, wie viele Frauen ihm schon nahe gewesen sind, wird mir ganz schwindelig.

"Fertig, sie können nun gehen", stellt Arya fest und reißt mich zum Glück aus diesen unschönen Gedanken.

GoldsternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt