KAPITEL 12

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Mit Anbruch der Dunkelheit erreichen wir schließlich Goldstern. Das große, prunkvolle Schloss sticht einem sofort ins Auge und strahlt nur so vor Ruhm und Macht. Wenn ich mich nicht täusche, sind sogar die Dächer hier aus Gold angefertigt worden.

"Beeindruckend?", will Aramis von mir wissen, während wir dem ersten Stadttor immer näherkommen. Ich nicke und meine erstaunt: "Ich hatte es nicht mehr so prachtvoll in Erinnerung." "Je höher wir kommen, desto schöner wird die Landschaft", erwidert er noch und widmet sich wieder dem Weg vor uns.

Die Königsstadt ist in vier große Stadteile unterteilt, welche jeweils ihr eigenes Stadttor haben. In dem ersten und wohl größten Stadtteil leben die Armen, die Bauern. Im zweiten lebt die Mittelschicht, also Metzger, Gerber, und ähnliche Arbeiter.

Im dritten Stadtteil leben die Reichen, wie Kaufleute, Gebildete oder Stadtgrafen. Im letzten Stadtteil liegt dann die Königsresidenz. An dem großen Stadttor stehen vier Wachmänner, die jeden einzelnen zu kontrollieren scheinen.

"Aramis, wird man an jedem Stadttor kontrolliert?", frage ich ihn unsicher und mit schleichender Angst an diesen Gedanken erfüllt. Er antwortet müde: "Ja, an jedem einzelnen. Da hat Clemens einen wahrhaftigen Kontrollzwang."

Aramis fährt sich erschöpft durch seine leicht verstrubbelten Haare, was mich zum Lächeln bringt. Er sieht trotz der anstrengenden Reise noch gut aus; ich hingegen will mir gar nicht vorstellen, wie ich in diesem Moment aussehe.

"Lass mich reden und folge einfach ihren Anweisungen", befiehlt Aramis mir, kurz bevor wir das Stadttor erreichen.

Ich nicke brav und frage mich was, nun gleichkommt. Würden wir anders kontrolliert werden, weil er ein hoher Lord ist? Aramis richtet sich ein wenig in seinem Sattel auf, sodass er gleich größer und machteinflößender als noch gerade eben wirkt. 

Als die Wachen uns erblicken, tuscheln sie hektisch miteinander, bis einer zu uns kommt und sich kurz verbeugt.

"Guten Abend, Lord Istriana. Wohin möchten Sie?" "Zum König", antwortet Aramis schlicht. "Und soll diese Frau auch mit?", will ein Wachmann noch abschätzig wissen.

Am liebsten würde ich jetzt absteigen und ihm zeigen, dass ich nicht nur eine Frau bin und mich nicht so von ihm beleidigen lasse. Aramis lacht auf und meint dann ruhig, dass ich seine Frau sei, woraufhin der Wachmann rot anläuft und sofort um Verzeihung bittet.

Ich nehme seine Entschuldigung an, da ich so schnell wie nur möglich weiterreisen möchte. Dem Wachmann ist das Geschehene wohl so peinlich, dass er uns einfach so passieren lässt.

"Sagen Sie zu jedem Wachmann, man soll Sie ohne Kontrolle passieren lassen", ruft er uns noch hinterher, bevor wir ihm endgültig den Rücken zuwenden. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Auch Aramis denkt wohl dasselbe, denn er lächelt mich erfreut an, bis er in einem etwas enttäuschten Tonfall zu sprechen beginnt.

"Es tut mir schrecklich leid, dass er nicht wusste, wer du bist. Die Wachen erkennen uns eigentlich, aber er hat dich wohl zum ersten Mal gesehen und dich nicht direkt in Verbindung mit meiner Ehefrau gebracht. Entschuldige, ich werde mit Clemens darüber reden."

Ich lache leicht auf und erwidere: "Aramis, es ist schon in Ordnung. Vielleicht war es ja sogar gut so, denn auf diese Weise muss ich mich nicht kontrollieren lassen." "Hattest du irgendwann einmal schlechte Erfahrungen mit dem Kontrollieren?", will Aramis sofort wissen, woraufhin ich stumm nicke und schwer schlucke.

Wenn ich nur daran zurückdenke, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Hastig ziehe ich meinen Umhang noch enger um mich, um dieses Zittern endlich zu beenden, und Aramis reitet vor, da er merkt, dass ich nicht darüber sprechen will.

Ich folge ihm durch das abendliche Getümmel, in dem noch kleine Kinder herumrennen und sich ältere Menschen an Gehstöcken ihren Weg freikämpfen. In dem gesamten Viertel riecht es stark nach Müll und Dreck, doch auch die Menschen sehen nicht unbedingt gesund aus.

Aus weiter Entfernung höre ich schöne Musik, bestimmt aus einem der wohlhabenderen Viertel. Mir tun die Leute, die hier leben müssen, schrecklich leid. Ich weiß jedoch nicht, ob Aramis überhaupt noch viel von seiner Umgebung mitbekommt, da er mittlerweile ausgelaugt in seinem Sattel sitzt.

Der Tag heute muss schrecklich anstrengend für ihn gewesen sein. Wichtige Entscheidungen treffen, dann mit mir hierher reiten und jetzt muss er vermutlich auch noch mit dem König reden. Da ich bin doch froh, dass ich nur seine Frau bin. Wahrscheinlich muss ich mich vorstellen, kurz mit den beiden reden und darf dann gehen.

Ich will gerade etwas zu Aramis sagen, als ich sehe, dass er fast in einen Karren hineingeritten wäre. Schnell reite ich zu ihm vor, nehme seine Zügel und ziehe sein Pferd von dem Karren weg.

"Geht es dir gut?", frage ich den verwirrten Aramis sorgevoll, der erst jetzt realisiert, dass ich wortwörtlich die Zügel in der Hand halte. Er schüttelt kraftlos den Kopf und meint matt: "Ich bin schrecklich müde und will mir gar nicht vorstellen, wie lange es noch dauern wird, bis ich heute schlafen kann."

Mitleidig erwidere ich seinen Blick und weiß nicht, was ich darauf erwidern könnte. Er greift nach den Zügeln, die immer noch in meiner Hand verweilen, und will sie wieder zurückbekommen, doch ich sehe ihn zuvor prüfend an.

"Die bekommst du nur, wenn du nicht mehr irgendwo reinreitest", meine ich schließlich. Seine Augen treffen auf meine und er entgegnet abgekämpft: "Das sollte ich noch hinbekommen, Rose."

Da bin ich mir nicht so sicher und gebe ihm die Zügel eher widerwillig. "Brauchen wir noch lange zum Schloss?", will ich besorgt wissen.

Er macht einfach keinen guten Eindruck auf mich. Am liebsten würde ich ja nachprüfen, ob er eine erhitzte Stirn hat und ihn ins Bett stecken, aber das würde er wahrscheinlich niemals zulassen.

"Zwanzig Minuten", antwortet er und schlängelt sich hastig mit seinem Pferd durch die Menschen.

Er kann von Glück sprechen, das die Leute ihn erkennen und einigermaßen aus dem Weg gehen. Hoffentlich kommen wir bald an, denn ich muss unbedingt schauen, dass ich Aramis heute noch ins Bett bekomme.

Die Gespräche sollen die beiden auf morgen verschieben. Ich sehe schon wieder das nächste Tor, wo die Wachmänner uns erblicken und sofort Platz machen, ohne dass wir etwas sagen mussten. Im diesem Viertel achte ich überhaupt nicht auf die Menschen, denn ich bin viel zu sehr auf Aramis und sein Wohlbefinden fokussiert.

Dieses Viertel ist kleiner und wir kommen deutlich schneller zum Tor, bei dem es wieder genauso abläuft. Das reiche Viertel ist wunderschön; überall sind große Häuser mit ordentlichen Vorhöfen und alles wirkt so hell und freundlich.

Hier kommen wir am schnellsten durch, da nicht so viele Menschen wie zuvor auf den Straßen unterwegs sind. Je näher wir dem Schloss kommen, desto mehr Wachen erblicke ich auf unserem Weg. Hier würden wir nicht so einfach durchkommen. Unsicher werfe ich Aramis einen Blick zu, der immer noch träge auf seinem Pferd sitzt.

Sobald wir das Haupttor erreichen, kommen sofort ein Dutzend Wachleute auf uns zu. Ich kriege sofort Panik und versuche, Aramis irgendwie zu zeigen, dass ich mich extrem unwohl fühle, doch ob er es in seinem aktuellen Zustand mitbekommt, ist für mich eher fragwürdig. 

Die Wachleute bei Aramis reden angeregt mit ihm und ich hoffe einfach nur, dass wir das Tor möglichst schnell passieren dürfen.

Und als ob die Wachleute meine Gedanken lesen könnten, öffnen sie uns bereitwillig das Tor. Aramis reitet zuerst durch, dicht gefolgt von mir. Oben sehe ich schon eine kleine Gruppe von Menschen und auch Aramis hat sie erblickt.

"Du weißt, wie du dich zu verhalten hast?", versichert er sich und wirft mir einen skeptischen Blick zu.

„Ja, das weiß ich", antworte ich schlicht.

GoldsternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt